Marburg-Biedenkopf und Stadt Kassel verlassen Schutzschirm

Erste Kommunen des Landes

Große Freude bei den Beteiligten. Bild: Fredrik von Erichsen

Kassel. „Herzlichen Glückwunsch! Sie haben geschafft, was viele anfangs nicht für möglich hielten: Sie haben Ihre Haushalte in Rekordgeschwindigkeit nachhaltig konsolidiert und können somit heute gemeinsam in Bestzeit über die Ziellinie laufen. Der Landkreis Marburg-Biedenkopf und die Stadt Kassel können den Kommunalen Schutzschirm des Landes verlassen: gestärkt, konsolidiert und fit für die Zukunft!“, sagte heute Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer an Landrätin Kirsten Fründt und Oberbürgermeister Bertram Hilgen gewandt. Im Finanzministerium in Wiesbaden konnte er gemeinsam mit den Regierungspräsidenten aus Gießen und Kassel, Dr. Christoph Ullrich und Dr. Walter Lübcke, die ersten beiden von insgesamt 100 Schutzschirmkommunen aus dem Hilfsprogramm des Landes entlassen.

Voraussetzung für eine Entlassung aus dem Schutzschirm sind ausgeglichene Haushalte in drei aufeinanderfolgenden Jahren sowie deren Bestätigung durch geprüfte Jahresabschlüsse. Die Regierungspräsidien – in diesem Fall das Regierungspräsidium Gießen für den Landkreis Marburg-Biedenkopf und das Regierungspräsidium Kassel für die Stadt Kassel – stellen die Erfüllung der vereinbarten Ziele fest. Landrätin Kirsten Fründt und Oberbürgermeister Bertram Hilgen konnten heute in Wiesbaden aus den Händen der Regierungspräsidenten die Entlassungsbescheide erhalten und durch ihre Unterschriften zugleich deren sofortige Bestandskraft herbeiführen.

„Mit dem heutigen Tag sind für beide Kommunen die vom Land unter dem Schutzschirm geleisteten Zahlungen endgültig sicher. Sicher bin ich mir auch, dass dieses Geld gut angelegt war und dass der Schutzschirm bei allen Beteiligten zu einem grundsätzlichen Umdenken geführt hat. Wer sich so konsequent wie der Landkreis Marburg-Biedenkopf und die Stadt Kassel auf den Weg der Konsolidierung gemacht hat, wird diesen auch nach dem Schutzschirm so schnell nicht mehr verlassen“, sagte Finanzminister Schäfer.

Landkreis Marburg-Biedenkopf

Der Landkreis Marburg-Biedenkopf hat vom Land Entschuldungshilfen in Höhe von rund 48,1 Millionen Euro erhalten. Der Kreis konnte 2013 bis 2015 nicht nur ausgeglichene Haushalte vorlegen, sondern insgesamt einen Überschuss von rund 40 Millionen Euro erwirtschaften. Laut aktuellem Haushaltsplan wird, wie auch 2016 geschafft, in den kommenden Jahren mit Haushaltsüberschüssen gerechnet.

Als erstem Landkreis konnte Gießens Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich Landrätin Fründt den Entlassungsbescheid für Marburg-Biedenkopf ausstellen: „Die Maßnahmen des Landes Hessen zur Stärkung der finanziellen Situation verschuldeter Landkreise haben erste Früchte getragen. Ein schönes Zeichen konnte der Landkreis Marburg-Biedenkopf setzen, der als erster Landkreis aufgrund von strikten Sparmaßnahmen und beständig guter Haushaltslage heute aus dem Schutzschirm des Landes entlassen werden konnte.“

Landrätin Kirsten Fründt unterschrieb den Entlassungsbescheid und besiegelte damit die Entlassung aus dem Schutzschirm. „Der Landkreis Marburg-Biedenkopf schreibt seit 2012 schwarze Zahlen! Das ist in den 20 Jahren zuvor die Ausnahme gewesen“, zeigte die Landrätin auf. Von 1993 bis 2011 waren in 13 von insgesamt 19 Jahresabschlüssen Defizite zu verzeichnen, die zusammengerechnet einen Betrag von 141 Millionen Euro ergeben haben. Auf dem Landkreis hat im Jahr 2012 die historisch bislang höchste Schuldenlast in Höhe von 203 Millionen Euro gelastet. „Ende 2016 beläuft sich unsere Gesamtverschuldung dagegen noch auf 118,5 Millionen Euro. In vier Jahren haben wir also 84,5 Millionen Euro an Schulden abbauen und die Verschuldung von 841 € je Einwohner auf heute noch 483 € zurückführen können. Der Schutzschirm hat den Landkreis in die Lage versetzt, im Zusammenspiel mit vielfältigen Sparmaßnahmen einen nachhaltigen Schuldenabbau einzuleiten. Die von uns 2013 in Anspruch genommene Entschuldungshilfe des Landes in Höhe von 48,15 Millionen Euro hat uns dabei einen kräftigen Schub verliehen und war eine langfristig und nachhaltig wirksame Hilfe zur rechten Zeit“, verdeutlichte Landrätin Fründt. Als Beispiel für die Wirkungen aus der Schutzschirmentschuldung nannte sie die beim Landkreis deutlich gesunkene Zinsbelastung: „2012 mussten wir Zinsen für Kassen- und Investitionskredite von 4,6 Millionen Euro zahlen. Im abgelaufenen Jahr 2016 sind es nur noch 2,9 Millionen Euro und damit 1,7 Millionen Euro weniger.“

Finanzminister Schäfer freute sich mit: „Marburg-Biedenkopf ist mein Heimatkreis. Die Entwicklung dort konnte ich daher aus nächster Nähe beobachten. Der Kreis und die politisch Verantwortlichen haben bewiesen, dass Haushaltskonsolidierung und wichtige Investitionen sich nicht ausschließen. So hat der Kreis unter dem Schutzschirm etwa ein umfangreiches Schulsanierungsprogramm aufgelegt. Auch wenn es manch harte Entscheidung zu treffen gab: Der Schutzschirm ist ein Erfolg für die Region, von dem sie noch lange zehren wird.“

Stadt Kassel

Die Stadt Kassel hat vom Land Entschuldungshilfen in Höhe von rund 260,5 Millionen Euro erhalten – den Höchstbetrag, den eine Schutzschirmkommune bekommen hat. Laut Schutzschirmvertrag hätte Kassel 2018 den ersten ausgeglichenen Haushalt vorlegen müssen. Dies gelang jedoch bereits fünf Jahre früher. In den Jahren von 2013 bis 2015 hat die Stadt insgesamt einen Überschuss von rund 59 Millionen Euro erwirtschaftet. Laut aktuellem Haushaltsplan wird, wie auch 2016 geschafft, in den kommenden Jahren mit Haushaltsüberschüssen gerechnet.

Kassels Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke konnte Kassel als erster Stadt den Entlassungsbescheid ausstellen: „Dass die Stadt Kassel so schnell aus dem Schutzschirm entlassen werden kann, hat viel damit zu tun, dass sich die Region wirtschaftlich so hervorragend entwickelt. Und daran arbeiten wir in Nordhessen alle gemeinsam seit vielen Jahren. Deshalb war es die kurz-, mittel- und langfristig richtige Entscheidung der Landesregierung, die Stadt Kassel im Rahmen der Schutzschirmvereinbarung mit der stattlichen Summe von 260 Millionen Euro auszustatten.“

Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen unterschrieb den Entlassungsbescheid und konnte für seine Stadt damit den Austritt aus dem Schutzschirm besiegeln: „Um die Schutzschirm-Vereinbarung zu erfüllen, hat die Stadt Kassel auch unpopuläre Entscheidungen getroffen. So wurden zum Beispiel drei Stadtteil-Bibliotheken geschlossen und die Parkgebühren deutlich erhöht. Insgesamt hat es sich für Kassel gelohnt, dem Schutzschirm beizutreten. Nach der Reduzierung der städtischen Schulden im Jahr 2013 um 260 Millionen Euro ist es uns gelungen, die Schulden in den folgenden Jahren weiter zu reduzieren. Heute ist die Stadt Kassel daher gut gerüstet für einen möglichen Anstieg der Zinsen. Wir können den Weg ins Mittelfeld der wohlhabenden Städte Deutschlands erfolgreich fortsetzten.“

Finanzminister Schäfer zeigte sich beeindruckt: „Kassel ist wirklich Erstaunliches gelungen. Das liegt natürlich auch an stark steigenden Gewerbesteuereinnahmen. Oberbürgermeister Hilgen und sein Team haben aber schlicht sehr gute Arbeit gemacht. Die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land hat tadellos funktioniert. Auch dank des Schutzschirms kann Kassel heute wesentlich selbstbewusster auftreten als noch vor Jahren.“ +++