Literaturpreis der Stadt Fulda 2021 verliehen

Auszeichnung für Debütwerk ist mit 10.000 Euro dotiert

Im Beisein von Jury-Mitglied und Laudatorin Insa Wilke überreichte Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (rechts) den Literaturpreis 2021 der Stadt Fulda an den Autor Timon Karl Kaleyta. Foto: Stadt Fulda

Für sein Romandebüt „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ ist der Autor Timon Karl Kaleyta am Mittwochabend im Fürstensaal des Fuldaer Stadtschlosses von Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld mit dem Literaturpreis der Stadt Fulda 2021 ausgezeichnet worden. Unter dem Applaus des Publikums nahm der Preisträger die Urkunde entgegen. Als Laudatorin würdigte Jury-Mitglied Insa Wilke das Werk und attestierte dem Autor, „eine literarische Form für kritische Reflexion“ gefunden zu haben. Die Auszeichnung ist mit einem Preisgeld von 10.000 Euro verbunden.

„Der 2019 erstmals vergebene Preis für ein literarisches Debüt unterstreicht Fuldas Bedeutung als Stadt der Literatur“, unterstrich OB Wingenfeld. Das Stadtoberhaupt erinnerte daran, dass das 744 errichtete Kloster Fulda unter Abt Rabanus Maurus eine vielfältige literarische Tradition begründet habe. An dieses kulturelle Erbe zu erinnern, daran anzuknüpfen und es zu pflegen, fühle sich die Stadt verpflichtet, was neben Veranstaltungsreihen wie „Literatur im Stadtschloss“ und der aktuellen Bewerbung „Fulda und Petersberg. Orte der karolingischen Bildungsreform“ um das Europäische Kulturerbe-Siegel nicht zuletzt durch den in diesem Kontext gestifteten Literaturpreis zum Ausdruck komme.

Erste Preisträgerin im Jahr 2019 war Johanna Maxl für ihren Roman „Unser großes Album elektrischer Tage“. 2020 ging die Auszeichnung zu gleichen Teilen an Nadine Schneider für ihr Debüt „Drei Kilometer“ und an Olivia Wenzel für ihr Buch „1000 Serpentinen Angst“. „In diesem Jahr erhält nun erstmals ein männlicher Vertreter der deutschen Gegenwartsliteratur die Auszeichnung“, sagte der Oberbürgermeister mit Blick auf Timon Karl Kaleyta. Nachdem ihm die fünfköpfige unabhängige Jury im Februar in ihrer finalen Sitzung den Literaturpreis Fulda 2021 für sein Romandebüt „Die Geschichte eines einfachen Mannes“ zugesprochen hatte, wurde dem Autor im Juni bei den 45. Tagen der deutschsprachigen Literatur im Rahme n des Wettlesens um den Bachmannpreis im österreichischen Klagenfurt der 3sat-Preis für seinen Beitrag „Mein Freund am See“ verliehen. Mit Blick auf diese Entwicklung und auch auf die Erfolge, die Olivia Wenzel mit ihrem Erstlingswerk feiern konnte, merkte Wingenfeld mit einem Augenzwinkern an: „Wer den Literaturpreis der Stadt Fulda gewinnt, der kann ganz groß rauskommen.“

Worte des Dankes richtete Wingenfeld an Uwe Marohn, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Fulda, deren Jubiläumsstiftung nicht nur die städtischen Literaturreihen und Kunstwerke wie jüngst den „Spätlesereiter“ großzügig fördere, sondern auch Hauptsponsor des Literaturpreises Fulda sei und das Preisgeld zur Verfügung stelle. Ebenso dankte das Stadtoberhaupt Silke Hartmann von der Agentur Kulturperle, die den Literaturpreis Fulda im Auftrag der Stadt Fulda organisiert, sowie den Mitgliedern der Jury: dem Literaturkritiker Christoph Schröder, den Schriftstellern Jan Brandt und Frank Witzel, der Autorin Verena Güntner und der Literaturkritikerin Insa Wilke.

Jury-Mitglied Insa Wilke hielt die Laudatio auf Timon Karl Kaleyta und überschrieb sie mit „Ein Held unserer Zeit“. Im Namen der Jury unterstrich sie: „Uns haben die Bewegungen in seinem Roman interessiert und wie sie sich durch die Literaturlandschaft unserer Tage schlängeln, wie sie sich in dieser Landschaft bewegen.“ Der Debütroman habe eine literarische Form für kritische Reflexion gefunden, eine Form, die Beziehungen herstelle zwischen Text, Leserschaft und Zeitgeschehen. „Man geht nicht ungerührt aus dem Buch“, konstatierte Insa Wilke.

„Die Formen, die Timon Karl Kaleyta für sein Passionsspiel um einen jungen Aufsteiger verwendet, führen in das frühe 20. Jahrhundert zurück. Sie heißen Stationendrama, Neue Sachlichkeit und Groteske“, erklärte die Laudatorin. „Natürlich sprangen wir auch sofort auf die scheinbar gegen den Trend sozialkritischer Romane gerichtete Figur und Dramaturgie an. Aber es ist die Sprache, die sich deutlich Referenzräume quer durch die Literaturgeschichte erschließt und den Roman über eine pure, auf Rezeptionsmoden bezogene Provokation weit hinauswachsen lässt.“ Timon Karl Kaleyta schreibe keineswegs als reiner Ironiker der Pop-Kultur. Dazu wirke der Text viel zu sehr wie der eines passionierten Lesers mit viel zu großem Vergnügen und Anteilnahme an der Literatur und dem, wofür er eine Sprache zu finden suche.

Kalaytas Erzähler, Sohn einer Arbeiterfamilie, der am Ende der Kohl-Ära 1998 zur Schule geht und nach dem Abitur seinen Weg sucht, glaubt an das „Versprechen der „hartleibigen Bonner, dann Berliner Politik“, dass Aufstieg für jeden, überall und jederzeit möglich und selbstverständlich sei. Der „tumbe Tor auf der Suche nach dem Gral, also seiner Bestimmung“, lerne auf seinem Weg nichts dazu, so die Laudatorin: „Sein Blickwinkel bleibt beschränkt, er entwickelt kein Bewusstsein für die verinnerlichte Leistungsideologie und Klassengesellschaft, die ihn am Ende wieder auf seinen Platz verweist.“ Kaleyta löse mit seinem Roman ein Unbehagen aus, das in der Kommunikation zwischen Autor, Text und Leser respektive Leserin entstehe. Letztere seien Teil des Spiels.

„,Die Geschichte eines einfachen Mannes‘ handelt, zugespitzt gesagt, nicht von dem einfachen Mann, von dem sie erzählt. Es ist auch kein Schelmenroman, denn die Figur treibt keinen Schabernack mit ihrem Leser, sondern ist Demonstrationsobjekt des Autors. Es ist ein Roman über das Lesen. Das Lesen von Verhältnissen, das Lesen von Literatur.“ Kaleyta nutze literarische Mittel, um aus der Ohnmacht des von den menschengemachten Entwicklungen seiner Zeit überwältigten Individuums heraus, der Resignation etwas entgegenzusetzen. Insa Wilke schloss: „Lieber Timon Karl Kaleyta, ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zum Literaturpreis der Stadt Fulda und zu einem solchen Buch.“
Von der Qualität des Romans konnte sich das Publikum im Fürstensaal bei der anschließenden Lesung überzeugen. Timon Karl Kaleyta präsentierte Passagen aus seinem Romandebüt, das im Münchner PIPER-Verlag erschienen ist. Auch Kaleytas Lektor Hannes Ulbrich sowie wie die aus Dortmund angereisten Eltern und die Frau des Preisträgers sowie der erst wenige Monate alte Nachwuchs des Paares zählten zu den Gästen der Preisverleihung, die von Ferdinand Wehner am Saxophon und Natalia Geras am Klavier mit stimmungsvollen Jazz- und Ragtime-Kompositionen von Barry Cockroft und Rudy Wiedhoeft musikalisch umrahmt wurde. +++ pm

Spoiler-Titel
Timon Karl Kaleyta (Jahrgang 1980) wuchs in Bochum auf, studierte in Bochum, Madrid und Düsseldorf Medienwissenschaften, Literatur und Soziologie und gehört zu den Gründern des Instituts für Zeitgenossenschaft IFZ. Mit seiner Band „Susanne Blech“, für die er die Songtexte schreibt und als Sänger auf der Bühne steht, hat er bislang vier Alben veröffentlicht und Hunderte von Konzerten gespielt. Als Autor arbeitet er unter anderem als Kolumnist für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ und ist als Drehbuch- und Fernsehautor tätig.

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