Lindner will zweistellige Milliardenbeträge einsparen

Lindner
Christian Lindner (FDP)

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse und der Ankündigung eines Sonderhaushalt für 2023 schwört Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Koalition auf einen strikten Sparkurs ein. "Wir reden von einem erheblichen zusätzlichen Konsolidierungsbedarf", sagte Lindner dem "Handelsblatt". "Wir reden über zweistellige Milliardenbeträge, um beispielsweise die ambitionierten Pläne zur Erneuerung der Infrastruktur und für Investitionen in Technologie umzusetzen", so der FDP-Chef.

Dabei müsse man die Haushalte 2024 und 2025 zusammen betrachten. "Denn strukturelle Änderungen sind aus meiner Sicht unausweichlich." Als Finanzminister trage er die politische Verantwortung für die schwierige Haushaltslage. "Deshalb ist es für mich eine Frage der Ehre, dass wir reinen Tisch machen", sagte der FDP-Politiker. Gleichzeitig versuchte er die Wirtschaft zu beruhigen, die nun um Förderprogramme bangt. Es gebe "keinen Grund zur Panik", so Lindner. "Rechtsverpflichtungen werden ohnehin eingehalten." Der Finanzminister hatte am Donnerstag angekündigt, dass ein Nachtragshaushalt für 2023 vorgelegt und eine erneute Notlage ausgerufen werden soll. Sonst wäre der Bundeshaushalt 2023 verfassungswidrig gewesen. "Die Notlage muss für jedes Jahr einzeln begründet werden", sagte Lindner. "Um es klar zu sagen, dabei geht es nicht um zusätzliche Ausgaben, sondern um die rechtliche Absicherung bereits erfolgter Ausgaben." Der Finanzminister wollte sich nicht dazu äußern, ob die Bundesregierung auch im Jahr 2024 nochmals eine Notlage erklären wird. "Gegenwärtig beschäftige ich mich nur mit 2023", sagte Lindner.

Ruf nach "Differenzierung bei der Schuldenbremse" aus der NRW-CDU

Der CDU-Europaparlamentarier und NRW-Landeschef des sozialpolitischen Flügels seiner Partei, Dennis Radtke, hat sich für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen. "Die Differenzierung bei der Schuldenbremse ist richtig", sagte er der "Welt". "Konsumtive Ausgaben, das Tagesgeschäft, müssen sauber durchfinanziert sein und nicht schuldenfinanziert - bei den Investitionen ist es etwas anderes." Sämtliche Bundesregierungen der vergangene 30 Jahre trügen eine gemeinsame Verantwortung für den "beklagenswerten Zustand" der Bundeswehr und der Infrastruktur. "Ob Verteidigung, Straßen und Brücken, Digitalisierung und Bahn: Wir treten mittlerweile auf vielen Feldern mit dem Bollerwagen in der Formel eins an. Wenn Putin in der Ukraine gewinnt oder die USA mit Trump aus der Nato austreten, werden wir noch ganz andere Summen mobilisieren müssen." Radtke stellte sich damit indirekt an die Seite des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Kai Wegner (CDU), der am Donnerstag getwitterte hatte, die Schuldenbremse sei in ihrer derzeitigen Ausgestaltung "gefährlich" und könne zur "Zukunftsbremse" werden. "Es darf Kredite ausschließlich für Investitionen geben - Kredite für konsumtive Ausgaben sind tabu", schrieb Wegner. In der Parteispitze wird derzeit über große "Technologie- und Infrastrukturfonds" nachgedacht, die über mehrere Jahre laufen und mit Milliardensummen unterlegt sein könnten, wie die "Welt" berichtet. Führende Christdemokraten verteidigten derweil die Schuldenbremse. "Die Schuldenbremse ist Nachhaltigkeit in Verfassungsrecht", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Andreas Jung der Zeitung. "Gleichzeitig ist auch Klimaschutz Verfassungsgebot. Kommenden Generationen dürfen weder Klimalücken noch Schuldenberge aufgebürdet werden." Die Politik müsse beides zusammenbringen, so Jung. "Deshalb ist Gebot der Stunde eine Priorisierung für Klimaschutz im Haushalt." Die Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Gitta Connemann (CDU), nannte die Schuldenbremse "alternativlos". Wer sie antaste, öffne die Büchse der Pandora. "Und es gibt keine Notlage. Der deutsche Staat hat kein Einnahmenproblem, sondern ihm fehlt die Ausgabendisziplin", so Connemann. Die Steuereinnahmen sprudelten wie nie. "Gerade in schwierigen Zeiten muss der Staat mit dem Geld auskommen, das er hat. Und priorisieren", so Connemann. Sebastian Lechner, Landes- und Fraktionschef der CDU in Niedersachsen, hält die Einhaltung der Schuldenbremse für eine Frage der Generationengerechtigkeit. Sie diene dazu, "den zukünftigen Generationen ausreichend Gestaltungsspielraum zu lassen", so Lechner. "Die Corona-Pandemie beweist, dass sich die Regeln der Schuldenbremse in der Krise bewährt haben."

IWF fordert Deutschland zu Investitionen auf

Vor dem Hintergrund der Haushaltskrise in Deutschland hat die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, die Bedeutung staatlicher Investitionen für das künftige Wirtschaftswachstum der Bundesrepublik hervorgehoben. "Um Wachstum sicherzustellen, muss Deutschland in seine Infrastruktur, den grünen Umbau der Wirtschaft sowie in die Fähigkeiten seiner Bevölkerung investieren", sagte Georgiewa dem "Handelsblatt" und drei weiteren europäischen Zeitungen. "Und wir sprechen hier nicht über triviale Investitionen - vor allem, weil als Nächstes die wirtschaftliche Anpassung an die Künstliche Intelligenz ansteht." Georgiewa zeigte sich besorgt, dass die Weltwirtschaft insgesamt auf absehbare Zeit nur langsam wachsen werde. Besonders schwaches Wachstum sei für Europa zu erwarten, das nun "entschlossen Strukturreformen vorantreiben" müsse. Außerdem müsse dringend die Kapitalmarktunion in der EU vollendet werde n, so Georgiewa. "Für Europa wird es unmöglich sein, seine Position in der Welt zu halten, wenn es seine finanziellen Werte nicht besser einsetzt." +++


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