Lindner: Vorfall am Reichstag muss alle Demokraten aufrütteln

Rufe nach Anpassung der "Bannmeile" um Reichstagsgebäude

Christian Lindner (FDP)

FDP-Chef Christian Lindner hat den Vorfall am Berliner Reichstag, bei dem mehrere Personen versucht hatten, mit Reichsflaggen das Reichstagsgebäude zu stürmen, scharf kritisiert. „Das Demonstrationsrecht muss auch in Corona-Zeiten gewahrt bleiben. In die Bannmeile rund um den Bundestag einzudringen, ist aber inakzeptabel“, sagte Lindner der „Rheinischen Post“. „Dass Demonstranten mit Reichsflaggen versuchen, unser Parlament zu stürmen, muss alle Demokraten aufrütteln.“ Der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende forderte die Personen, welche die Corona-Politik kritisieren, auf, sich von allen Extremisten zu distanzieren.

Scholz kritisiert Randale am Reichstag

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Personen scharf kritisiert, die am Samstag versucht hatten, mit „Reichsflaggen“ das Reichstagsgebäude zu stürmen. „Es kann nicht angehen und es darf nicht hingenommen werden, dass einige jetzt mit Symbolen aus einer schlimmen dunklen Vergangenheit – Flaggen, die nichts mit der modernen Demokratie unserer Bundesrepublik zu tun haben – vor dem Gebäude des Bundestages auftreten“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat am Sonntag in Berlin. Damit hätten sie „das wichtigste Symbol unserer Demokratie“ missachtet und dem Parlament „den notwendigen Respekt“ verweigert. Generell gehöre es zur Demokratie dazu, dass man mit der Regierung nicht einverstanden sein dürfe. Man könne deshalb auch Kundegebungen veranstalten und demonstrieren, so Scholz. „Aber es gehört auch dazu, dass wir die Regeln beachten, die wir miteinander haben.“ Es sei in diesem Zusammenhang aktuell auch wichtig, die Corona-Regeln einzuhalten, sagte Scholz.

SPD-Chef: Demonstrationsrecht darf nicht missbraucht werden

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat angesichts der Bilder vor dem Bundestag davor gewarnt, das Demonstrationsrecht zu missbrauchen. „Das Demonstrationsrecht ist eine Säule unserer freiheitlichen Demokratie“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Dass es nur in rechtssicher begründeten Ausnahmefällen und nur kurzzeitig eingeschränkt werden dürfe, verstehe sich von selbst. „Das Demonstrationsrecht ist aber kein Freibrief für Missachtung des Parlaments und rechtsextreme Hetze“, fügte der SPD-Chef hinzu. „Die Veranstalter, aber auch bürgerliche Mitmarschierer, können sich nicht auf die Sorge um bürgerliche Freiheiten berufen, wenn sie mit gewaltbereiten Rechtsradikalen, Reichsbürgern und Antisemiten im gleichen Demonstrationszug protestieren“, sagte Walter-Borjans. Das sei mehr als ein Fall ausschließlich für die Strafverfolgungsbehörden. „Wir brauchen ein gemeinsames wirklich konsequentes Eintreten für Frieden und Freiheit – und gegen Rassismus und Rechtsextremismus.“

Rufe nach Anpassung der „Bannmeile“ um Reichstagsgebäude

Politiker verschiedener Parteien haben nach der Randale vor dem Berliner Reichstagsgebäude eine Debatte über die Sicherheit des Parlaments angestoßen. „Ich halte es für notwendig, vor dem Hintergrund der Ereignisse des Wochenendes, die Sicherheit des Gebäudes erneut zu diskutieren und zu verbessern“, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der „Welt“. „Der hohe Symbolcharakter des Reichstagsgebäudes muss bei den Regelungen zur Bannmeile zukünftig besser berücksichtigt werden.“ In Zeiten einer zunehmenden Demokratieverachtung müsse der Schutz der Symbole der Demokratie neu diskutiert werden. Der rechts- und innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich, teilt von NotzAuffassung. "Wir müssen das Parlament als Verfassungsorgan und Symbol unserer Demokratie besser schützen. Es wäre zu überlegen, ob der Geltung des befriedeten BezirksBannmeile` nicht auch generell auf sitzungsfreie Wochen erstreckt wird, mit der Möglichkeit Ausnahmen zuzulassen“, sagte der CSU-Politiker der Zeitung. Dagegen will Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) die generelle Zugänglichkeit des Gebäudes nicht infrage stellen. „Ich sehe keine unmittelbare Notwendigkeit, aufgrund dieses einen zugegebenermaßen unerträglichen und beschämenden Vorfalls, die Bannmeile um den Reichstag zu erweitern oder die Regelungen zu verschärfen“, sagte er der „Welt“. Es sei ein Markenzeichen der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie, dass sie transparent und erfahrbar für alle sei. Auch der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster will die Bannmeile nicht ausweiten: „Einen regelmäßig von polizeilichen Einsatzhundertschaften bewachten und weiträumig abgesperrten Reichstag will ich mir als Anhänger einer transparenten Demokratie auch nicht vorstellen“, sagte er. Eine Ausweitung der Bannmeile halte er für nicht nötig. Wichtiger erscheine ihm ein wirkungsvolles Sicherheitskonzept und ein Ende der „chronischen Unterfinanzierung der Berliner Polizei“. Schuster sagte zugleich, dass man das Versammlungsrecht neu bewerten müsse. „Die Gesetze sind in Anbetracht der Pandemie-Lage nicht mehr präzise und zeitgemäß genug.“ Es müsse möglich sein, eine Demonstration verbieten zu können, wenn eine Versammlung offensichtlich nur dazu diene, mit Ordnungsverstößen wie dem Nichteinhalten der Corona-Regeln zu provozieren. „Denn diese nur scheinbar banalen Ordnungswidrigkeiten gefährden durch die Ansteckungsgefahr am Ende die Sicherheit der Bürger.“

Lauterbach erwartet nach Corona-Demo epidemiologische Auswirkungen

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach erwartet durch die Berliner Corona-Demonstration möglicherweise epidemiologische Auswirkungen für ganz Deutschland. „Es war die erste große Demonstration ohne Masken und Abstand während der zweiten Welle der Pandemie, in der die Infektionszahlen wieder steigen. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Infizierte aus ganz Deutschland angereist sind und hier zu Superspreadern wurden“, sagte Lauterbach den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Das Risiko für eine Ansteckung bestehe nicht nur bei der Demonstration selbst, sondern sei bei der An- und Abreise noch viel größer. „Denn viele Teilnehmer kommen in Fahrgemeinschaften und sitzen und sprechen ohne Maskenschutz stundenlang im Zug oder gemeinsam im Auto.“ Sie trügen eine mögliche Infektion bei der Demo auch wieder mit in ihre Heimat. „Somit erwarte ich Auswirkungen auf die Infektionszahlen sowohl in Berlin als auch in Deutschland“, so Lauterbach. Gleichzeitig sei er sehr dankbar, dass die Polizei den Großteil der Demonstration schnell aufgelöst habe.

CSU-Landesgruppenchef vermutet geplante Aktion

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vermutet, dass es sich bei der Randale am Berliner Reichstag vom Samstag um keine spontane Aktion gehandelt hat. „Aktionen wie am Reichstag wirken geplant und organisiert und sind deutlich mehr als nur Kritik an der Corona-Politik“, sagte Dobrindt der „Welt“. Hier gehe es einigen um Systemgegnerschaft gegenüber der Demokratie. Wenn Chaoten, Extremisten und Verwirrte sich vereinigten und gegen die Symbole der Demokratie vorgehen, „dann muss uns das Sorgen machen“, so Dobrindt. Der CSU-Politiker appellierte an die Veranstalter und übrigen Demonstranten, sich der zunehmenden Radikalisierung bewusst zu werden. „Diejenigen, die hier demonstrieren, müssen sich fragen lassen, ob sie die Radikalisierung in ihren Reihen zulassen oder sogar still unterstützen wollen.“ +++