Künast lobt Lebensmittel-Giganten für „Nutri-Score“

Lebensmittelwirtschaft hält Nutri-Score für juristisch angreifbar

Die frühere Agrar- und Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) hat Lebensmittelkonzerne wie Danone, Bofrost oder Nestlé für den Einsatz des Nährwert-Kennzeichensystems „Nutri-Score“ auf ihren Produkten gelobt. „Die Unternehmen haben begriffen, dass sie sich verändern müssen und befürchten andernfalls einen Wettbewerbsnachteil“, sagte Künast dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Das ist eine ähnliche Entwicklung wie bei Bioprodukten.“

Zumindest Teile der Industrie und des Handels hätten deutlich schneller als Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) erkannt, dass die Verbraucher endlich wissen wollten, was sie essen, und ob sie sich gesund ernähren, sagte Künast. Sie warf der Ministerin eine Verschleppungsstrategie bei der Lebensmittelkennzeichnung vor. „Es ist doch grotesk, dass die Industrie beim Thema Nährwert-Logo bei Klöckner Druck machen muss. Umgekehrt müsste es sein. Die Ministerin schadet inzwischen der Wirt schaft.“ Die Grünen-Politikerin sagte, sie halte das Kennzeichnungssystem „Nutri-Score“ für das derzeit beste auf dem Markt. Es sei simpel und durch die Ampelfarben leicht verständlich. „Das Logo richtet sich eher an sozial und finanziell schwächere Schichten, die der Werbung für angeblich gesunde Produkte schon mal auf dem Leim gehen.“ Wer keine Fertiggerichte und Softdrinks kaufe und sich den halben Tag von Obst und Gemüse ernähre, brauche so etwas nicht, sagte Künast dem RND.

Lebensmittelwirtschaft hält Nutri-Score für juristisch angreifbar

Die Lebensmittelwirtschaft in Deutschland lehnt die Nährwertkennzeichnung Nutri-Score vehement ab. Das System bringe nur eine Scheinaufklärung in Bezug auf eine ausgewogene Ernährung, sagte der neue Präsident des Lebensmittelverbands Deutschland, Philipp Hengstenberg, der „Welt“. „Der Nutri-Score teilt Lebensmittel in gesund und ungesund ein – eine wissenschaftlich höchst umstrittene Bewertung.“ Als Beispiele nannte Hengstenberg unter anderem Fisch und Süßigkeiten. Dass ein Brownie schlecht abschneidet, sei erwartbar, sagte der Unternehmer. „Aber auch geräucherter Lachs und Olivenöl sind laut Nutri-Score derzeit fragwürdig, obwohl sie wertvolle Fettsäuren enthalten.“ Käsekuchen wiederum bekomme eine gute Bewertung. „Der hinterlegte Algorithmus und die Aufrechnung vermeintlich positiver und negativer Inhaltsstoffe ist einfach zu kurz gegriffen und funktioniert nicht bei allen Produkten, wenn man nicht auch die in der Regel verzehrte M enge beachtet.“ Der Nutri-Score stammt aus Frankreich, könnte aber schon ab Herbst auch auf verarbeiteten Lebensmitteln in Deutschland zur Pflicht werden. Das Bundesernährungsministerium hat kürzlich eine Verbraucherbefragung gestartet, bei der eine Gruppe der Bevölkerung darüber entscheidet, welche Nährwertkennzeichnung hierzulande genutzt werden soll. Zur Auswahl stehen fünf Modelle, der Nutri-Score gehört dazu und gilt gemeinhin als Favorit, weil er nicht mit Zahlen und Daten, sondern mit einer Farbskala funktioniert. Hengstenberg monierte diese vereinfachte Darstellung: „Damit wird eine Empfehlung suggeriert. Diese aber lässt die unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten und -vorlieben der Verbraucher komplett außen vor.“ Ohnehin sei ein ausgeglichenes Nährwertprofil für einzelne Lebensmittel aus ernährungswissenschaftlicher Sicht schwer möglich. Noch dazu hält Hengstenberg das System für juristisch mindestens angreifbar. „Die Farbscala kommt einer gesundheitsbezogenen Aussage gleich, die aber ist verboten nach der sogenannten Health-Claims-Verordnung.“ +++