Kubicki: Regierungsbildung nicht bis Weihnachten abgeschlossen

Oettinger sieht in Jamaika-Bündnis mögliches Langfrist-Projekt

Bundestag

Berlin. FDP-Vize Wolfgang Kubicki geht nicht davon aus, dass die von Union, Liberalen und Grünen angestrebte Jamaika-Koalition bis Weihnachten steht. „Ich befürchte oder bin mir geradezu sicher, dass das nicht der Fall sein wird“, sagte Kubicki am Donnerstag in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“. Eine Regierung bis Jahresende bilden zu wollen, sei „sehr ambitioniert“. Der scheidende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am selben Tag erklärt, er sei optimistisch, dass das Land noch vor der Weihnachtspause eine neue Regierung haben werde. Kubicki lobte in der Sendung den Grünen-Spitzenpolitiker Jürgen Trittin: „Ich hab` ja heute gelernt, dass – entgegen meinen Vorurteilen – manche Gedanken von Jürgen Trittin ganz vernünftig sind. Also insofern freu` ich mich darauf, dass diese Erfahrung sich fortsetzen wird.“

Hofreiter: Präzise Absprachen schon in Sondierungsgesprächen nötig

Der Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, hat gefordert, die Ergebnisse der Sondierungsgespräche über eine etwaige Jamaika-Koalition möglichst konkret und schriftlich zu fixieren, bevor die Entscheidung über den Beginn von Koalitionsverhandlungen fällt: „Bei vier so unterschiedlichen Parteien ist es notwendig, dass man zu präziseren Absprachen kommt, als das in der Vergangenheit bei Sondierungsgesprächen im Bund der Fall war“, sagte er der „Berliner Zeitung“. „Man wird sich auf schriftlich fixierte Eckpunkte verständigen müssen, bevor es in die Koalitionsverhandlungen geht.“ Auf die Frage, ob die Grünen vermeiden wollten, auf einer unklaren Grundlage in Koalitionsverhandlungen hinein zu schlittern, aus denen sie dann nicht mehr herauskämen, ohne dass man ihnen den Schwarzen Peter zuschieben würde, antwortete Hofreiter: „Genau! Schlampig zu arbeiten, rächt sich nur hinterher – für alle Beteiligten und das Land.“ In Koalitionsverhandlungen müsse man sich auf ein Gesamtpaket verständigen müsse. „Entscheidend ist, dass in allen Punkten Ergebnisse erzielt werden, die den Herausforderungen gerecht werden. Und die tragfähig für alle sind. Denn Jamaika ist, wenn es zustande kommt, ein Milieu- und Lagerübergreifendes Bündnis. Wir werden nicht Teil einer Mitte-rechts- oder einer sogenannten bürgerlichen Koalition. Das bedeutet, dass es auf unterschiedlichen Feldern voran gehen muss: Klimakrise, sozialer Zusammenhalt, Migration, Krise Europas. Da muss ein Gestaltungswille erkennbar sein.“ Man könne jedenfalls „keine Koalition zimmern, in der jeder einfach nur Seins macht, ohne etwas Gemeinsames und Stimmiges“. Und die Grünen würden „so verhandeln, dass wir entweder Teil einer guten Regierung sind, in der die grüne Handschrift erkennbar ist, oder eben nicht Teil einer Regierung sein. Wir werden klar erkennbar bleiben.“

FDP warnt Union und Grüne vor unfairen Sondierungsgesprächen

Vor Beginn der Sondierungsgespräche mit Union und Grünen in der kommenden Woche mahnen führende FDP-Politiker faire Verhandlungen an. „Jamaika kann nur gelingen, wenn wir als eigenständige Parteien wahrnehmbar bleiben“, sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Das muss Richtschnur für die Verhandlungen sein. Ein Über-den-Tisch-ziehen darf es nicht geben.“ Kubicki erklärte, dass die FDP zu Kompromissen bereit sei: „Wir haben Prinzipien, sind aber nicht kompromisslos. Union, FDP und Grüne sind in gewisser Weise zum Erfolg verdammt.“ Ähnlich äußerte sich der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann. „Wenn sich erwachsene Menschen an einen Tisch setzen, dann sollten alle wollen, dass es klappt“, sagte er dem Magazin. „Für die FDP bleibt aber die Leitlinie: Eine Regierung der faulen Kompromisse können wir nicht mittragen.“

Oettinger sieht in Jamaika-Bündnis mögliches Langfrist-Projekt

EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) glaubt an eine schnelle Einigung auf ein Jamaika-Bündnis. Er sei „optimistisch, dass bis Weihnachten alles steht“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Bei allen vier Partnern ist der gute Wille erkennbar vorhanden. Und der Wählerwille ist eindeutig: Jamaika soll kommen.“ Der CDU-Politiker sieht in diesem Bündnis sogar die Chance auf eine dauerhafte Zusammenarbeit der Partner: „Wenn es Jamaika gelingt, den Menschen die Angst vor der Zukunft zu nehmen, dann hat dieses Bündnis eine Zukunft über diese Legislaturperiode hinaus.“ Oettinger misst neben den inhaltlichen Übereinstimmungen der persönlichen Chemie der Hauptakteure eine Schlüsselrolle zu: Wenn sich Angela Merkel, Christian Lindner und Cem Özdemir sich persönlich verstünden, „weil jeder viel über die persönlichen Hintergründe des anderen weiß, ist eine entscheidende Grundlage für Jamaika gelegt: gegenseitiges Verständnis und Vertrauen“. Heimat könne thematisch ein verbindendes Element für die Koalition mit vier Parteien werden, so Oettinger. „Was wir Christdemokraten `Bewahrung der Schöpfung’ nennen, hat große Schnittmengen mit dem, was Grüne als nachhaltigen Umgang mit der Natur bezeichnen“, sagte er. Insofern könne Heimat „ein entscheidender Leitgedanke“ für Jamaika sein. Oettinger berief sich dabei auf positive Erfahrungen mit Grünen aus Baden-Württemberg. Er zeigte sich angetan vom Kompromiss zwischen CDU und CSU bei der Zuwanderung. „Dass wir unter Einhaltung unserer Gesetze die Zahl derer, die zu uns kommen, begrenzen wollen und der Bundestag darüber entscheiden soll, halte ich für einen Fortschritt.“ Die Zahl 200.000 sei allerdings „durchaus flexibel“, so Oettinger: „Denn – ich bin nun mal Jurist – Asyl kann man nicht zahlenmäßig begrenzen. Da müssen wir ehrlich bleiben.“ Der EU-Kommissar erklärte, dass er nicht erwarte, dass der Unionskompromiss am Ende eins zu eins von FDP und Grünen akzeptiert werde. „Keine Partei kann erwarten, dass ihre originären Formulierungen ohne weiteres von den anderen übernommen werden. Das ist doch eine Binsenweisheit“, sagte Oettinger. Aber er glaube, „ein Signal der Begrenzung der Zuwanderung aus humanitären Gründen wird sich in der Koalitionsvereinbarung am Ende wiederfinden“. +++