Kritik an Bundesnotbremse

Kubicki hält Bundesnotbremse für verfassungswidrig

Die Fraktion der Linkspartei im Bundestag will den Gesetzentwurf zur geplanten Änderung des Infektionsschutzgesetzes im Bundestag ablehnen. „Wir werden diesem Entwurf nicht zustimmen“, sagte Linksfraktionschefin Amira Mohamed Ali der „taz“. Die Linkspartei moniert zum einen die vorgesehenen Ausgangsbeschränkungen zwischen 21.00 und 5.00 Uhr. „Ausgangssperren lehnen wir ab“, sagte Mohamed Ali. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass diese ein wirksames Mittel seien, um die Pandemie zu bekämpfen. Gleichwohl stellten sie einen extrem großen Eingriff in die Grundrechte dar.

Die Linke fordert stattdessen, dass Unternehmen, wo es möglich ist, ihre Beschäftigten ins Homeoffice entlassen. Ansonsten sollten sie verpflichtet werden, die Mitarbeiter täglich zu testen. Kritisch sieht die Linkspartei laut Mohamed Ali auch, dass die Corona-Vorschriften, die nun per Bundesgesetz angeordnet werden, nicht evaluiert werden müssen. „Es fehlt die Verpflichtung zur Kontrolle der Maßnahmen nach einem Monat, auf die sich bislang die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten geeinigt hatten.“ Außerdem kann die Bundesregierung weitere Vorschriften per Rechtsverordnung erlassen, für Fälle, in denen die 7-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 100 überschreitet. Die Zustimmung des Bundestags gilt, laut Gesetzentwurf, als erteilt, wenn er nicht binnen sieben Tagen nach Eingang der Vorlage widerspricht. Auch dagegen spricht sich die Linkspartei aus. „Das ist ein Persilschein für die Bundesregierung, um in Grundrechte einzugreifen, und den können wir nicht akzeptieren“, sagte Mohamed Ali der „taz“. Es müssten zwar dringend Maßnahmen her, um die Pandemie zu bekämpfen, aber es müssten die richtigen sein. „Ich erwarte kaum nennenswerte Verbesserungen durch das Gesetz“, so die Linksfraktionschefin. Auch die Grünen kritisieren das Gesetz. „Was beim Infektionsschutzgesetz auf dem Tisch liegt, kann nur ein erster Notbehelf sein“, sagte die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt der „taz“. Die Infektionszahlen gingen durch die Decke. „Es kommt aufs Tempo an, aber die Maßnahmen müssen auch greifen. Dafür müssen gerade auch die Kontakte in der Arbeitswelt viel weiter runtergefahren werden und Corona-Tests dort, wo das nicht geht, auch verpflichtend durchgeführt werden“, sagte Göring-Eckardt der „taz“. Wie die Grünen im Bundestag abstimmen werden, ließ sie offen.

Kubicki hält Bundesnotbremse für verfassungswidrig

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hält den am Dienstag vom Kabinett verabschiedeten Entwurf für eine Bundesnotbremse für verfassungswidrig. Das sagte er der „Welt“. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende stützt sich dabei auf eine Einschätzung der Regierung selbst. Das Bundesgesundheitsministerium hatte Kubicki am Dienstag in der Antwort auf eine schriftliche Frage mitgeteilt, dass die Fallzahlen allein kein taugliches Mittel seien, um den Schweregrad der Corona-Pandemie abzubilden. „Tatsächlich wird der reale Schweregrad der Pandemie durch andere Parameter abgebildet, etwa durch den prozentualen Anteil positiver Testergebnisse unter allen durchgeführten PCR-Tests, die Anzahl an Covid-19-Patientinnen und Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen oder die Zahl der an oder mit Covid-19 Verstorbenen“, schreibt das Ressort. „Mit dieser Antwort erklärt die Bundesregierung ihren eigenen Gesetzentwurf für verfassungswidrig  „, sagte der FDP-Vizechef der „Welt“. Denn im Gesetzentwurf wird allein der Inzidenzwert von 100 Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) als Maßstab für Grundrechtseinschränkungen bis hin zu nächtlichen Ausgangssperren genannt. „Wenn der zentrale Referenzpunkt für großflächige Grundrechtseingriffe als nicht tauglich angesehen werden kann, dürfen diese Eingriffe nicht vorgenommen werden“, sagte Kubicki. Nach seiner Auffassung könnten Union und SPD den Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes im Bundestag nun nicht verabschieden, „wenn ihnen unsere verfassungsmäßige Ordnung noch etwas wert ist“. Das Kanzleramt, das auf die Bundesnotbremse gedrungen hatte, greift Kubicki hart an: „Dieser Vorgang zeigt, mit welcher Nonchalance das Bundeskanzleramt Verfassungsgrenzen überspringt. Eine solche Denkweise kannte ich bisher nur aus autoritären Staaten.“

Bericht: GroKo will geplante Ausgangssperren aufweichen

Die bundesweit geplanten Ausgangssperren von 21 bis 5 Uhr in Landkreisen mit einer Inzidenz über 100 sollen offenbar aufgeweicht werden. Das berichtet das Portal „Business Insider“ unter Berufung auf Kreise der Koalitionsspitzen im Bundestag. Am Freitag sollen demnach Änderungen am Gesetzesentwurf der Regierung für die Notbremse eingebracht werden. Konkret seien Ausnahmen für Individualsport, vor allem Joggen sowie Gassigehen mit dem Haustier im Gespräch. Zuletzt hatte sich in den Fraktionen von CDU/CSU und SPD deutlich Widerstand gegen den am Dienstag vom Kabinett beschlossenen Gesetzesentwurf formiert. Zahlreiche Abgeordnete hatten sich teils öffentlich gegen die vorgesehenen Regelungen für die Ausgangssperre geäußert. Demnach wären nämlich aktuell nur wenige Ausnahmen möglich: Dazu zählen medizinische Notfälle, der Weg von und zur Arbeit, die Wahrnehmung des Sorge- oder Umgangsrechts, die unaufschiebbare Betreuung pflegebedürftiger Personen, die Versorgung von Tieren und ähnlich gewichtige Gründe wie etwa die Wahrnehmung eines Impftermins. Über das Wochenende soll es dann weitere Gespräche geben, insbesondere mit dem Kanzleramt. Spätestens am Donnerstag in einer Woche soll die Gesetzesänderung dann endgültig im Bundestag beschlossen werden. Für Freitag ist eine Sondersitzung des Bundesrats geplant. Läuft alles glatt, dürfte die Bundesnotbremse in betroffenen Landkreisen spätestens am Montag, den 26. April, in Kraft treten. In den Regionen, die eine Inzidenz unter 100 haben, sind weiterhin die Länder für die Regelungen zuständig.

Handelsverband will Ausgangssperren frühestens ab 22 Uhr

Der Handelsverband HDE will die geplante nächtliche Ausgangssperre frühestens ab 22 Uhr. „Gerade in Zeiten der Pandemie geht es darum, das Kundenaufkommen zu entzerren und so Kontakte zu minimieren sowie Schlangen zu vermeiden“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth dem „Handelsblatt“ (Donnerstagausgabe). „Deshalb sollte eine Ausgangssperre nicht vor 22 Uhr ansetzen.“ Für das Personal der Lebensmittelhändler müssten dann entsprechende Ausnahmen für den Weg nach Hause gelten. Genth gab zudem zu bedenken, dass eine Ausgangssperre, die wie in der aktuellen Fassung des Infektionsschutzgesetzes vorgesehen, ab 21 Uhr gelte, den Lebensmittelhandel hart treffe. Denn viele Supermärkte und Discounter hätten bis 22 Uhr oder länger geöffnet, um berufstätigen Kunden den Einkauf am Abend zu ermöglichen. +++