Kretschmann gibt Lindner Schuld für Haushalts-Chaos

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für das Haushaltschaos im Bund verantwortlich gemacht. "Er trägt die Verantwortung dafür, dass die Ampel in diese Situation gekommen ist", sagte Kretschmann dem "Tagesspiegel". "Man muss kein verfassungsrechtlicher Experte sein, um zu erkennen, dass man Corona-Gelder nicht einfach umwidmen kann."

Es erstaune ihn, dass Lindner - anders als beim Bundeswehr-Sondervermögen - die Gelder des Klima- und Transformationsfonds nicht verfassungsrechtlich abgesichert habe. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Umwidmung der Corona-Gelder für nichtig erklärt. Kretschmann äußerte gleichzeitig Verständnis dafür, dass die Ampel nicht sofort die Notlage für den Haushalt 2024 ausgerufen habe. "Wenn man dermaßen auf der Schmierseife ausgerutscht ist, dann ist man natürlich vorsichtig, dass man nicht nochmal ausrutscht", sagte er. Eine Entschuldigung für die entstandene Unsicherheit von Lindner oder dessen Vorgänger als Finanzminister, dem jetzigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), forderte Kretschmann jedoch nicht. "Nach so einer offensichtlichen Zurechtweisung durch das Bundesverfassungsgericht braucht man sich nicht noch zu entschuldigen." Von einer Entschuldigung habe niemand etwas, so Kretschmann. "Dass es nicht gut war, sieht offenkundig jeder."

Kretschmann will bei Rente ab 63 sparen

Kretschmann (Grüne) hat die Rente mit 63 in Frage gestellt. "Mein Finanzminister hat neulich darauf hingewiesen, dass solche Dinge wie die Rente mit 63 den Staatshaushalt massiv belasten", sagte Kretschmann dem "Tagesspiegel" weiter. "Jedes Jahr kostet das den Staat einen zweistelligen Milliardenbetrag, insgesamt machen die Rentenzuschüsse des Bundes fast ein Viertel des Haushalts aus. Das sind Posten, die man sich genau anschauen müsste." In der Diskussion um die geplanten Einsparungen stellte er sich hinter Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). "Es ist nicht klug, den Agrardiesel und die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge auf einen Schlag zu streichen", sagte Kretschmann. Es gebe keine Alternative für die Bauern, da große Elektro-Traktoren noch nicht auf dem Markt seien. Die Landwirte könnten so auf einem ohnehin schon umkämpften Markt in wirtschaftliche Bedrängnis geraten, befürchtete der Ministerpräsident. "Ich habe nicht den Eindruck, dass das wohldurchdacht war." Der Ministerpräsident kritisierte auch die Gewerkschaften für ihre Forderungen nach weniger Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Dies sei "unrealistisch". Er beobachte, dass viele Bürger zu viele Leistungen beim Staat in Anspruch nehmen würden. "Schon bei Corona haben wir gemerkt, dass das Anspruchsdenken zu sehr in die Höhe geschossen ist. Das müssen wir wieder neu justieren", sagte Kretschmann.

Kommission für Reform der Schuldenbremse vorgeschlagen

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat eine Einberufung eines Bund-Länder-Gremiums zur Reform der Schuldenbremse gefordert. "Der Bundeskanzler will eine solche Kommission nicht, aber wir brauchen sie", sagte Kretschmann dem "Tagesspiegel". "Denn ohne die Union kann man die Schuldenbremse nicht reformieren." Es brauche einen überparteilichen Weg. "Man kann jetzt Parteitagsreden bei Grünen oder SPD gegen die Schuldenbremse halten, dadurch verändert sich aber nichts", sagte der Grünen-Politiker. "Für den Erfolg der Transformation müssen wir jetzt in ein Jahrzehnt der Investitionen kommen." Man dürfe der jetzigen Generation nicht die gesamte Last der Transformation aufladen, so der Ministerpräsident. "Es geht nicht darum, dass wir unseren starken Sozialstaat immer weiter ausbauen, sondern um den Bau von elementarer Infrastruktur, um die Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft zeitnah zu schaffen", sagte Kretschmann. In diesem engen Rahmen müssten die Regeln der Schuldenbremse debattiert werden. +++


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