Kreisspitze erläuterte Gutachten zur möglichen Auskreisung Hanaus

Tür für eine Auskreisung ist nicht zugeschlagen

Tobias Koch von der beauftragten Prognos AG stellte gemeinsam mit Landrat Thorsten Stolz, der Ersten Kreisbeigeordneten Susanne Simmler und dem Kreisbeigeordneten Winfried Ottmann die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens vor. (v.r)

Ein sehr differenziertes Bild über die Chancen und Risiken einer möglichen Auskreisung der Stadt Hanau aus dem Main-Kinzig-Kreis zeichnet das Gutachten der Firma Prognos, dessen wesentliche Ergebnisse jetzt vorliegen. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass im Falle einer Auskreisung die Stadt Hanau die zusätzlichen Aufgaben stemmen kann und der Main-Kinzig-Kreis auch künftig ein leistungsstarker Landkreis mit sehr guten Entwicklungspotenzialen bleibt. Gleichzeitig werden aber auch aus Sicht des Landkreises Risiken, beispielsweise durch die Schaffung von Doppelstrukturen oder ein Wettbewerb um Fachkräfte, dargestellt. Auch die großen finanziellen Handlungsfelder wie Hessenkasse, Pensionsverpflichtung oder die Nachsorge bei den Abfalldeponien werden näher beleuchtet. In der Untersuchung wird anhand von Kennzahlen zudem die Entwicklung des Main-Kinzig-Kreises ohne Hanau aufgezeigt.

„Das Gutachten ist eine realistische Sicht auf die Dinge. Die Untersuchung liefert kein Schwarz-Weiß-Bild, sondern stellt Chancen und Risiken gegenüber. Vor allem wird deutlich, dass für den Fall einer Auskreisung Hanaus jeweils eigene verbindliche Regelungen für die derzeit noch offenen Handlungsfelder herbeigeführt werden müssen“, erklärte die Kreisspitze im Rahmen einer Pressekonferenz im Main-Kinzig-Forum. Festzuhalten ist, dass die Tür für eine Auskreisung der Stadt Hanau durch das Gutachten nicht zugeschlagen ist.

Bei der Vorstellung der Analyse sieht sich der Kreisausschuss mit Landrat Thorsten Stolz, Erster Kreisbeigeordneten Susanne Simmler und dem Kreisbeigeordneten Winfried Ottmann bestätigt in der Aussage, dass dieser bisher einmalige Prozess eine hohe Sorgfalt erfordert. Insbesondere mit Blick auf die noch offenen finanziellen Fragen sieht sich die Kreisspitze als „Interessensverwalter der übrigen 28 Städte und Gemeinden“ und setzt vor einer Entscheidung auf höchstmögliche Transparenz und Planungssicherheit.

Einvernehmlich vertritt die Kreisspitze nach der nun vorliegenden Analyse die klare Position, dass es ganz nüchtern betrachtet für eine Auskreisung keine inhaltliche Notwendigkeit gibt. Am Ende sei es aber allein eine politische Entscheidung, wenn die Stadt Hanau den Main-Kinzig-Kreis verlässt. Denn laut der Bewertung der Prognos AG läuft das Bestreben zur Auskreisung „den übergreifenden Trends der Verwaltungspraxis (u.a. Bündelungen, Verbesserung von Ablaufprozessen, Kosteneffizienz sowie Digitalisierung) eindeutig entgegen“. In diesem Sinne geht es auf der Grundlage des vorliegenden Gutachtes in den kommenden Monaten darum, „die Machbarkeit einer Auskreisung konkret so zu vertiefen, dass keine langfristigen Belastungen beim Kreis und seinen weiteren 28 Städten und Gemeinden verbleiben“, erklären Thorsten Stolz, Susanne Simmler und Winfried Ottmann.

Personelle Risiken für den Kreis und teure Doppelstrukturen

Wie erwartet, entstehen laut Prognos durch eine Auskreisung in nahezu allen untersuchten Bereichen (Gesundheitsamt, Sozialamt, Kommunales Center für Arbeit, Veterinäramt und Verbraucherschutz, Führerscheinstelle) Mehrkosten durch den Aufbau von Doppelstrukturen, insbesondere bei den Kosten für zusätzliches Leitungs- und Verwaltungspersonal. Durch erhöhte fixe Kosten nehmen die Kosten pro Fall in beiden Verwaltungseinheiten zu. Auch gehen mit dem Aufbau personeller und organisatorischer Doppelstrukturen erhebliche Synergieeffekte verloren. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Verwaltungsbereiche beider Gebietskörperschaften die Aufgaben allein weniger effizient und stellenweise weniger effektiv mit Auswirkungen auf die Qualität der Leistungserfüllung bearbeiten.

Nennenswerte Doppelstrukturen bei der personellen Ausstattung werden laut Gutachten aus heutiger Sicht für das Gesundheitsamt, das Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz sowie für die Führerscheinstelle erwartet. Unter dem Strich bedeutet das höhere Aufwendungen bei gleichen Fallzahlen sowohl für den Main-Kinzig-Kreis als auch für die Stadt Hanau.

Insbesondere in einer Umstrukturierungsphase sehen die Gutachter ein erhöhtes Risiko in der Aufgabenerfüllung in den Ämtern mit spezifischen Leistungen wie das Gesundheitsamt und das Amt für Veterinärwesen und Verbraucherschutz. „Die Analyse bestätigt hier im Falle der Auskreisung einen deutlich erhöhten Bedarf an Fachkräften, der jetzt schon kaum zu bedienen ist“, sagt Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann. Es sei daher zu befürchten, dass es in diesen kritischen Bereichen zu einer Verschärfung der Fachkräftesituation kommen wird.

Wie wichtig klare, verbindliche Regelungen im Falle einer Auskreisung der Stadt Hanau sind, wird am Beispiel der Gesellschaft für Arbeit, Qualifizierung und Ausbildung (AQA) deutlich. Etwa 30 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Maßnahmen der AQA haben ihren Wohnsitz in der Stadt Hanau. „Eine Auskreisung, ohne gemeinsamen, zukunftsfesten Vertrag mit Hanau, hätte zwingend einen Abbau des Personalbestands zur Folge. Das kann nicht sein“, sagt die verantwortliche Dezernentin Susanne Simmler. Hier verspricht die Erste Kreisbeigeordnete „die bestmögliche Interessenvertretung und einen verantwortungsvollen Umgang mit den Beschäftigten“.

Als besonders gravierend beschreiben die Gutachter die strukturellen Folgen für die AQA: „Im Falle einer Auskreisung Hanaus ist die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit stark gefährdet“, heißt es dort. Die erforderliche Restrukturierung führt zu hohen einmaligen Kosten (Sozialplan, Umzug/Standortschließungen), steigenden Aufwendungen pro Leistung bei einem zu erwartenden Defizitbetrieb. „Hier werden funktionierende und bewährte Strukturen aufs Spiel gesetzt, ohne derzeit schon eine gleichwertige Alternative anbieten zu können“, beschreibt Susanne Simmler die Perspektiven.

Besondere Aufmerksamkeit verlangen die Sonderthemen Pensionslasten, Hessenkasse, Deponienachsorge und kommunaler Finanzausgleich. „Auch wenn hier ein Konsens mit der Stadt Hanau durchaus realistisch ist, so wird noch viel Feinarbeit nötig sein“, sagt Landrat Thorsten Stolz. Für eine vertiefende Betrachtung des kommunalen Finanzausgleichs erwarten der Kreis und die Stadt Hanau eine Trendberechnung des Hessischen Finanzministeriums. Erste Gespräche hat es hierzu bereits in den zurückliegenden Tagen gegeben. Diese Berechnung erlaubt dann eine Einschätzung der Veränderungen für den Main-Kinzig-Kreis, die Stadt Hanau, die restlichen 28 Städte und Gemeinden sowie hessenweit für die weiteren 20 Landkreise und die übrigen Städte und Gemeinden.

Es darf keine Nachteile für die weiteren 28 Städte und Gemeinden geben

Vor der Analyse der Chancen und Risiken nimmt das Institut Prognos in seinem Gutachten eine Analyse der Strukturentwicklungen in Hanau und dem gesamten Main-Kinzig-Kreis vor. Prognos weist auf die starke Entwicklung des Kreises hin, etwa bei den Beschäftigtenzahlen, der Wirtschaftskraft und der Innovationskraft. Von 2008 bis 2018 stieg die Zahl der Arbeitsplätze im Main-Kinzig-Kreis ohne die Stadt Hanau um 27 Prozent, in Hanau im gleichen Zeitraum um 13 Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt im Kreisgebiet bei 4,0 Prozent, in Hanau bei 7,0 Prozent. Die derzeit gute wirtschaftliche Situation und Arbeitsmarktlage für den Main-Kinzig-Kreis werde in großem Maße durch die starke Entwicklung des Hanauer Umlands und des Altkreises Gelnhausen begünstigt.

„Diese Zahlen belegen eine Zukunftsfähigkeit beider Seiten, auch im Falle von getrennten Wegen. Dieser bedeutsame Schritt kann aber nur funktionieren, wenn am Ende ein vernünftiger Interessensausgleich gelingt“, so die Kreisspitze. Dazu müssen die Auswirkungen sowie die langfristigen Verbindlichkeiten eindeutig geklärt und geregelt werden. Vor allem dürfe dieser Schritt sich nicht zum Nachteil der weiteren 28 Städte und Gemeinden im Main-Kinzig-Kreis auswirken.

„Tatsache ist, dass eine mögliche Auskreisung der Sonderstatusstadt Hanau den Main-Kinzig-Kreis nachhaltig verändern wird. Funktionierende Verwaltungsstrukturen werden teilweise aufgebrochen und neu geordnet“, sind sich Landrat Thorsten Stolz, Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler und dem Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann einig.

Wie das aktuelle Gutachten belegt, bedeutet die Schaffung von bis zu 180 neuen Personalstellen im Bereich der Stadt Hanau mit den entsprechenden Verlagerungen eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Objektiv betrachtet bleibt für die Kreisspitze die nüchterne Feststellung, dass es für dieses Bestreben aus Landkreissicht keine inhaltliche Notwendigkeit gibt. Dennoch sei der eindeutige politische Wunsch der Stadt Hanau, den Main-Kinzig-Kreis zu verlassen, zu respektieren.

„Vor dem Hintergrund der vorgestellten Ergebnisse und klaren Hinweise im Gutachten ist es notwendig, verbindliche Regelungen mit der Stadt Hanau zu treffen, um die Leistungen der Bürgerinnen und Bürger mittel- und langfristig in gleicher Qualität zu erbringen, in Hanau wie auch dem gesamten Main-Kinzig-Kreis“, teilte die Kreisspitze mit. +++