Konjunkturprognose: Deutscher Aufschwung setzt sich fort

Berlin. Der Aufschwung in Deutschland setzt sich fort. In diesem Jahr dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt um 2,0 Prozent und im kommenden Jahr um 2,2 Prozent zulegen. Getragen wird der Aufschwung wie schon im vergangenen Jahr von der Binnenkonjunktur. Die Investitionen in neue Ausrüstungen werden beschleunigt expandieren, die hohe Auslastung der Produktionskapazitäten macht Ersatzbeschaffungen und Erweiterungsinvestitionen erforderlich. Auch die Bauinvestitionen werden weiter merklich steigen, hier wirken das Misstrauen gegenüber Auslandsanlagen und das niedrige Zinsniveau als Turbo. Der private Konsum dürfte im Tempo der steigenden Realeinkommen zunehmen. Die Exporte legen beschleunigt zu, da sich die Weltkonjunktur verbessert. Noch stärker aber werden die Importe aufgrund der hohen binnenwirtschaftlichen Dynamik steigen.

Lage der Weltwirtschaft

Die weltwirtschaftliche Expansion hat seit dem Sommer 2013 etwas an Dynamik gewonnen. Maßgeblich hierfür war die Entwicklung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. So gewann die Erholung in den USA, in Großbritannien und Japan an Fahrt, während der Euroraum die fast zwei Jahre anhaltende Rezession verließ. Die Schwellenländer verzeichneten zwar weiterhin höhere Zuwachsraten als die fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Jedoch blieb hier die konjunkturelle Dynamik im historischen Vergleich verhältnismäßig gering und schwächte sich mancherorts seit dem Sommer 2013 sogar ab. Die Geldpolitik in den großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist weiterhin sehr expansiv ausgerichtet. In Japan und im Euroraum dürften die Zentralbanken ihren hohen Expansionsgrad aufrechterhalten, während in den USA und Großbritannien angesichts der anziehenden Konjunktur allerdings bereits erste Leitzinsanhebungen im Prognosezeitraum zu erwarten sind. In wichtigen Schwellenländern ist die Geldpolitik seit dem Sommer 2013 restriktiver geworden. So reagierten mehrere Zentralbanken mit Zinsanhebungen auf die starke Abwertung ihrer Währung, die unter anderem durch die geldpolitische Wende in den USA ausgelöst wurde. Der Restriktionsgrad der Finanzpolitik wird sich in den großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften im laufenden und im kommenden Jahr sehr unterschiedlich entwickeln. Im Euroraum werden sich die finanzpolitischen Eingriffe nahezu neutral auf die aggregierte Wirtschaftsleistung auswirken. In den USA und in Japan dürfte die Fiskalpolitik restriktiv ausgerichtet bleiben. In der Mehrzahl der aufstrebenden Volkswirtschaften dürfte die Finanzpolitik zumeist neutral wirken. Lediglich in Indien und China werden öffentliche Investitionsprogramme die Konjunktur im laufenden Jahr leicht stützen.

Ausblick für die Weltwirtschaft

Im Prognosezeitraum dürfte sich das globale Expansionstempo moderat beschleunigen. Die Impulse dafür werden wohl vor allem aus den fortgeschrittenen Volkswirtschaften kommen. In den USA wird sich die konjunkturelle Dynamik erhöhen, die von einer verbesserten Vermögenssituation der Haushalte und Unternehmen, einer zunehmenden Aufhellung auf dem Arbeits- und Immobilienmarkt und einer expansiven Geldpolitik getragen wird. Die wirtschaftliche Entwicklung im Euroraum wird zwar weiterhin unter der Last der nur langsam und mühselig zu lösenden Strukturprobleme leiden, die in mehreren Mitgliedsländern noch immer präsent sind. Dennoch wird sich die Erholung der gesamtwirtschaftlichen Aktivität temporär festigen, auch wenn erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern fortbestehen. Insbesondere Deutschland dürfte im Prognosezeitraum erneut deutlich stärker zulegen als der Durchschnitt des Euroraums, während Frankreich und Italien wohl eine vergleichsweise geringe wirtschaftliche Dynamik entfalten werden. Etwas positiver als zuvor stellt sich die Situation in den Krisenländern Irland, Portugal und Spanien dar, obgleich die wirtschaftliche Lage anhaltend fragil ist. In Griechenland lässt die Erholung noch etwas länger auf sich warten. Die mehrjährige Rezession könnte im kommenden Jahr überwunden werden. Das Expansionstempo in den aufstrebenden Volkswirtschaften wird sich im Prognosezeitraum kaum verstärken. Zwar werden diese von der zunehmenden konjunkturellen Dynamik in wichtigen Industrieländern profitieren. Zugleich jedoch dürften die vor allem in den USA langsam anziehenden Langfristzinsen eine zunehmende Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen für die Schwellenländer nach sich ziehen. Die gesamtwirtschaftliche Produktion wird in den Schwellenländern auch im Prognosezeitraum mehr als doppelt so schnell zulegen wie jene in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Lediglich Russland dürfte im laufenden Jahr eine konjunkturelle Flaute durchlaufen. Alles in allem dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion in der Welt in diesem Jahr mit 2,9 Prozent und im nächsten Jahr mit 3,3 Prozent zunehmen.

Risiken

Ein Hauptrisiko für die Weltkonjunktur stellt nach wie vor die fragile Lage im Euroraum dar. Trotz der Reformmaßnahmen, die mehrere Mitgliedsländer in der jüngsten Vergangenheit eingeleitet haben, ist der Anpassungsprozess noch lange nicht abgeschlossen. Vielmehr sind viele dieser Länder noch immer viel zu teuer, um wettbewerbsfähig sein zu können. Jederzeit können wieder, ähnlich wie in den vergangenen drei Jahren, krisenhafte Verwerfungen auftreten. Die rückläufigen Inflationsraten im Euroraum, die mittlerweile in allen Mitgliedsländern zu beobachten sind, bergen Risiken und Chancen. Zwar ist der Inflationsrückgang zu einem erheblichen Teil auf die Aufwertung des Euro sowie die Entwicklung bei den Preisen für Energierohstoffe und Nahrungsmittel zurückzuführen. Zudem ist eine Disinflation oder gar Deflation auf mittlere Sicht für die Krisenländer durchaus wünschenswert, da erst sie die dringend notwendige reale Abwertung gegenüber wichtigen Handelspartnern und damit die lange ersehnte Verbesserung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit ermöglicht. Doch könnte irgendwann eine lange Phase niedrigen Preisauftriebs, die auch die gesunden Teile der Währungsunion sowie die Mehrzahl der Gütergruppen erfasst, zu einer Abwärtsrevision der langfristigen Inflationserwartungen von Investoren, Konsumenten und Produzenten führen. Im Extremfall könnte es zu einer Spirale aus Inflationsrückgängen und sukzessiven Herabsenkungen der Inflationserwartungen kommen, die in eine dauerhafte Deflationsphase mündet. Noch überwiegen aber nach Einschätzung des ifo Instituts die positiven Effekte eine Korrektur der relativen Güterpreise. Schließlich gehen geopolitische Risiken vom andauernden russisch-ukrainischen Konflikt und dem jüngst im Irak ausgebrochenen Konflikt aus. So könnte eine Eskalation des Konflikts mit der Ukraine zu einer Spirale gegenseitiger Sanktionen zwischen Russland und dem Westen führen. Der Bürgerkrieg im Irak könnte weite Teile des Nahen Ostens politisch destabilisieren. Da diese Region zu den wichtigsten Erdölproduzenten gehört, könnten Verwerfungen dort zu einem scharfen Anstieg der Ölpreise führen und somit die globale Konjunkturdynamik verlangsamen.

Lage der deutschen Wirtschaft

Im ersten Quartal 2014 hat die gesamtwirtschaftliche Produktion in Deutschland saisonbereinigt mit einer Rate von 0,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal sehr dynamisch zugelegt. Der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts im ersten Quartal 2014 geht allein auf die Binnennachfrage zurück: Die Investitionen in Ausrüstungen stiegen bei hoher Kapazitätsauslastung und günstigen Ertrags- und Finanzierungsbedingungen um 3,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Hier ist die konjunkturelle Wende endgültig geschafft. Noch etwas dynamischer legten die Bauinvestitionen mit 3,6 Prozent zu, wozu allerdings auch das außergewöhnliche milde und trockene Winterwetter beigetragen hat. Der private Konsum expandierte real um 0,7 Prozent, befördert von der Zunahme der Beschäftigung und auch von einem leichten Rückgang der Sparquote. Der Außenhandel hat nach der Jahreswende für sich genommen einen negativen Beitrag zur Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts geliefert. Während die Exporte nur um 0,2 Prozent gestiegen sind, wurde vor dem Hintergrund der lebhaften Binnennachfrage sogar um 2,2 Prozent mehr importiert. Man darf aber nicht übersehen, dass dieser Effekt nur das Spiegelbild einer leichten Verminderung des Nettokapitalexports und eines Mehr an Investitionen in Deutschland ist, die für sich genommen günstige Nachfrage- und Angebotseffekte auf das deutsche Wachstum haben. Zwar konnten die wichtigsten Konjunkturindikatoren ihr hohes Niveau in den vergangenen Monaten halten; allerdings blieb ein weiterer Anstieg, wie er noch zu Jahresbeginn beobachtet werden konnte, aus. Die jüngsten Rückgänge beim ifo Geschäftsklimaindex dürften vor allem auf eine erhöhte Unsicherheit deutscher Industrieunternehmen im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Konflikt zurückzuführen sein. Da zudem die Frühjahrsbelebung dieses Jahr aufgrund des milden Winters besonders schwach ausfiel, hat die gesamtwirtschaftliche Produktion im zweiten Quartal mit lediglich 0,3 Prozent wohl deutlich weniger schwungvoll expandiert als im Vorquartal.

Ausblick für die deutsche Wirtschaft

Im weiteren Prognosezeitraum wird die konjunkturelle Grundtendenz deutlich nach oben gerichtet bleiben und sich der Aufschwung fortsetzen. Wenn sich die derzeitigen geopolitischen Risiken – wie in dieser Prognose unterstellt – nicht materialisieren, sind die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft weiter günstig. Die Geldpolitik wirkt weiter expansiv, das Zinsniveau bleibt historisch niedrig und der Bauboom ist ungebrochen. Auch die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen sind extrem vorteilhaft. Von der Finanz- und Sozialpolitik gehen expansive prozyklische Impulse aus. Die binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte sind demnach intakt. Die Investitionen in neue Ausrüstungen werden beschleunigt expandieren, die hohe Auslastung der Produktionskapazitäten macht Ersatzbeschaffungen und Erweiterungsinvestitionen erforderlich. Zudem werden die Bauinvestitionen weiter merklich steigen. Der private Konsum dürfte im Tempo der steigenden Realeinkommen zunehmen. Somit dürften wie schon im Vorjahr die nachfrageseitigen Impulse von der Binnenwirtschaft kommen und nicht vom Außenbeitrag. Zwar legen die Exporte beschleunigt zu, da sich die Weltkonjunktur verbessert, noch stärker aber werden die Importe aufgrund der hohen binnenwirtschaftlichen Dynamik steigen. Insgesamt dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 2,0 Prozent und im kommenden Jahr um 2,2 Prozent expandieren. Die Situation am Arbeitsmarkt wird sich im Verlauf dieses Jahres konjunkturell bedingt weiter verbessern. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich weniger stark als der Anstieg der Erwerbstätigkeit ausfallen, da immer mehr Inländer am Erwerbsleben partizipieren und die Zuwanderung aus den EU-Mitgliedsstaaten voraussichtlich hoch bleiben wird. In diesem Jahr dürfte die Arbeitslosenquote auf 6,7 Prozent fallen. Im kommenden Jahr wird die Arbeitsmarktlage durch die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro je Stunde bestimmt. Dieser bringt eine spürbare Steigerung der Arbeitskosten und damit den Abbau der Beschäftigung insbesondere im Bereich der nicht sozialversicherungspflichtigen Minijobs mit sich. Aufgrund der guten konjunkturellen Grundtendenz bleibt die Arbeitsmarktlage jedoch trotz der dämpfenden Effekte des Mindestlohns stabil, und die Arbeitslosenquote dürfte nochmals auf 6,6 Prozent sinken. Die negativen Wirkungen des Mindestlohns werden sich über mehrere Jahre aufbauen, so wie sich auch die positiven Wirkungen der Senkung der Lohnansprüche durch die Schröderschen Reformen erst nach einigen Jahren mit voller Kraft gezeigt hatten. Die Verbraucherpreise dürften im laufenden Jahr um 1,1 Prozent steigen. Im kommenden Jahr wird sich die Inflationsrate auf 1,7 Prozent beschleunigen. Hierbei spiegelt sich vor allem die Entwicklung der Arbeitskosten wider, die infolge der zunehmenden Auslastung der Produktionskapazitäten und der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns deutlich steigen dürften. Der Budgetüberschuss des Staates wird sich im Prognosezeitraum wohl weiter ausweiten, auch weil aufgrund der deutlich verbesserten konjunkturellen Lage und einer günstigen Entwicklung der Löhne und Gehälter mit deutlichen Steuer- und Beitragsmehreinnahmen gerechnet werden kann. Im Jahr 2014 wird mit einem Überschuss in Höhe von 0,5 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, und im Jahr 2015 mit etwa 0,7 Prozent gerechnet. Die staatliche Bruttoschuldenquote würde sich dann deutlich auf rund 70 Prozent zum Ende des Jahres 2015 verringern. +++ fuldainfo