Klinik-Expertenrunde in Fulda: „Der Klinikmarkt von morgen“

Krankenhausmarkt der Zukunft wird geprägt sein Krankenhausverbünden

Fulda. Unter dem Titel ‚Der Klinikmarkt von morgen: Gemeinsam oder einsam? Lösungswege im Dialog‘ fand heute im Fuldaer Stadtschloss eine Diskussionsrunde mit dem Hessischen Gesundheitsminister Stefan Grüttner statt. Die Veranstaltung erfolgte auf Initiative von Dr. Thomas Menzel, dem Vorstandssprecher der Klinikum Fulda AG, und auf Einladung des Klinikverbunds Hessen e.V.. Beteiligt waren neben Geschäftsführern der Häuser des Klinikverbunds und Experten auch ausgewählten Entscheidungsträger aus der Politik.

Stefan Grüttner, Hessischer Gesundheitsminister: „Durch die Krankenhausreform im Bund, die eine hessische Handschrift trägt und zum 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist, wurde mehr Qualität und mehr Transparenz für die Patientinnen und Patienten sichergestellt. Zweitens war uns wichtig, die Bezahlung so zu gestalten, dass Fehlanreize vermieden werden und die Übernahme besonderer Aufgaben und besonderer Qualität belohnt wird“, so der Hessische Gesundheitsminister. „Insbesondere die Qualitätsoffensive ist so umfangreich wie noch nie. Wir erhalten erstmalig auch für die Krankenhausplanung auf der Landesebene bundesweit gültige einheitliche Qualitätsvorgaben und es wird dazu einheitliche Anforderungen an die Notfallversorgung geben.“ Der Hessische Gesundheitsminister ergänzte: „Ich werbe unermüdlich dafür, dass sich die Kliniken in regionale Verbünden organisieren und ich bin dankbar, dass es nun doch eine Reihe von konkreten Schritten dazu gibt. Das bestärkt mich in meiner Vision, dass der Krankenhausmarkt der Zukunft der Zukunft geprägt sein wird von regional und überregional tätigen professionellen Krankenhausverbünden, die sich einen transparenten Wettbewerb liefern, wer die Bedürfnisse der Patienten am besten erfüllt.“

Nach den Worten des Initiators des Expertengesprächs, PD Dr. Thomas Menzel, haben private und freigemeinnützige Träger haben Vernetzung als Erfolgsfaktor erkannt: „Die Konzerne und Verbünde schreiben schwarze Zahlen und expandieren. In den Rankings belegen dagegen die kommunalen Häuser meist die hinteren Plätze.“ Das habe unterschiedliche Gründe, sagte Dr. Menzel. Einer davon sei sicher die Einzelkämpferrolle, in der viele kommunale Häuser verhaftet sind. „Können wir es uns eigentlich noch leisten, alleine zu bleiben?“ fragte Dr. Menzel und lieferte die Antwort gleich mit: „Auch die kommunalen Krankenhäuser in Hessen haben verstanden, dass es alleine auf Dauer nicht reichen wird, nur in der Umsetzung dieser Erkenntnis tun wir uns schwer“ Die Ursachen dafür liegen nach Auffassung Dr. Menzels auch in den kommunalen Besonderheiten: „Wer schluckt wen? Wird unser Krankenhaus zukünftig aus dem Nachbarkreis gesteuert? Was wird aus den Arbeitsplätzen?“ Dr. Menzel lobte den Entwurf zum Erhalt der Träger-Pluralität aus dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, der einen wichtigen Impuls gegeben habe, und forderte eine politische Antwort auf die Frage, wie die Kommunalen Krankenhäuser in Hessen auch in Zukunft gemeinsam erfolgreich sein können.

„Verbünde schneiden besser ab“, sagte Professor Dr. Boris Augurzky als einer der besten Kenner des Klinikmarktes. Er ist Kompetenzbereichsleiter Gesundheit am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen und bekannt als Autor des Krankenhaus Rating Reports sowie des Pflegeheim Rating Reports. Augurzky sagte den deutschen Kliniken „enorme Finanzierungsengpässe im Laufe der 2020er Jahren und einen stark steigenden Druck auf die Leistungserbringer“ voraus. Darum laute sein Fazit: „Gemeinsam oder einsam!“ Wirtschaftliche Schwierigkeiten erwartet der Wissenschaftler vor allem bei kleinen Krankenhäusern, ländlichen Grundversorgern
und einigen kommunalen Krankenhäusern. Von allen Kliniken in Deutschland seien nur 4 Prozent der Häuser in privater Trägerschaft „nicht investitionsfähig“, 38 Prozent der freigemeinnützigen Häuser und 59 Prozent der öffentlich-rechtlichen Häuser.

Vor allem in den wirtschaftsstarken Ländern stehen die Krankenhäuser schlecht da. Nach dem Krankenhaus Rating Report von 2014 machten 30,7 Prozent der hessischen Häuser Verlust, 32,4 Prozent der bayerischen und 43 Prozent der Häuser in Baden-Württemberg. Augurzky begründete das nicht mit dem staatlichen Handeln, denn in Hessen sei von allen westdeutschen Ländern die „Investitionslücke“ am geringsten. Nur 19 Prozent des Investitionsbedarfs in Krankenhäusern werden nicht durch das Land Hessen oder eigenfinanziert gedeckt. In Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Sachsen-Anhalt und Thüringen seien es 42 Prozent. Insgesamt betrage die Investitionslücke in deutschen Kliniken 30 Prozent. Zur Erklärung der häufig schwachen Lage der Kliniken in wirtschaftsstarken Regionen führte Augurzky an, dass es für die Verantwortlichen in Städten und Kreisen oft das kleinere Übel sei, defizitäre Strukturen in der Gesundheitsversorgung zu finanzieren, anstatt eine politisch umstrittene Veränderung gegen den Willen der Bürger und der betroffenen Kliniken durchzusetzen. Das „Grüttner-Konzept“, mit dem Hessens Gesundheitsminister für eine engere Zusammenarbeit unter kommunalen Häusern geworben habe, sei „genau der richtige Weg“. Es gehe um die Verbundbildung und die Verlagerung der Verantwortung auf eine Holdingebene. Hessen sei mit diesem Konzept Vorreiter. Das Konzept sei jedoch „komplex“, und es sei nicht leicht, es umzusetzen. Um Praktikabilität zu erreichen, gelte es, „mit dem Klinikverbund Hessen gemeinsam voranzuschreiten.“

Richard Kreutzer, Vorsitzender des Vorstands des Klinikverbunds Hessen e.V. als Zusammenschluss der 23 öffentlich-rechtlichen Krankenhausunternehmen in Hessen, begrüßte die Verbundbildungen unter öffentlichen Häusern ausdrücklich. Das sei der richtige Weg zum Ausbau von Qualität, Patientensicherheit und wirtschaftlicher Betriebsführung. Kreutzer berichtete von aktuellen Zusammenschlüssen wie jener der Kliniken Frankfurt-Main-Taunus GmbH, dem trägerübergreifenden Zusammenschluss zwischen dem Klinikum Darmstadt und katholischen Häusern sowie der Übernahme des einst privaten Herz-Kreislaufzentrums Rotenburg durch das kommunale Klinikum Bad Hersfeld. „Verbünde sind wichtig für die Stärkung kommunaler Krankenhäuser, die nicht nur die stationäre Versorgung sicherstellen sondern schon heute im ambulanten Bereich eine maßgebliche Beitrag leisten.

André Eydt, Kaufmännischer Vorstand am Klinikum Fulda und viele Jahre für einen privaten Klinikverbund tätig, warb für Kooperationen und Fusionen nach dem Grundsatz „leben und leben lassen“. Die Kliniken brauchten unbedingt Partner auch unter den heutigen Wettbewerbern. Die kleineren Häuser, die häufig als Satelliten-Kliniken im Umfeld eines großen Klinikums arbeiten, „sollten keine Angst haben, dass ihnen durch eine Kooperation mit einem großen Haus die Patienten verloren gehen“, sagte Eydt. Das Gegenteil sei der Fall. Die kleineren Häuser profitierten von der Zusammenarbeit mit einem großen Haus, das in ihrer Nachbarschaft die Kompetenz einer Universitätsklinik bereithalte. Krebspatienten etwa würden im Klinikum der Maximalversorgung wie in Fulda von der Diagnose an – durch ein Tumorboard mit Ärzten aus zwei Dutzend Fachrichtungen – nach den Standards eines Onkologischen Zentrums nach den höchsten Standards behandelt. Sie würden dort zum Beispiel operiert oder radiologisch therapiert, während ihnen die lange Zeit begleitende Chemotherapie an ihrem Heimatort geboten werde. Die kleineren Häuser seien über die Telemedizin – wie die Teleradiologie und onkologische Konferenzen oder in der Notfallversorgung von Schlaganfallpatienten – in die Kompetenz des großen Hauses eng eingebunden. Das Klinikum Fulda stärke die medizinische Versorgung in der Region schon durch seine Kooperation mit acht Häusern und dem Klinikum Gersfeld als Außenstelle in der nahen Rhön. „Davon profitieren beide Seiten und vor allem die Patienten“, sagte Eydt: „Darum ist das der richtige Weg in die Zukunft einer sicheren Versorgung auch im ländlichen Raum.“

Vor den Vertretern der kommunalen Häuser aus Hessen stellte Eydt das Klinikum Fulda in seiner Funktion als Maximalversorger der Region Osthessen dar: „Wir haben die Versorgung unserer Patienten regional verankert und gleichzeitig durch vielfältige überregionale Vernetzungen die stationäre Versorgung optimiert. Gleichzeitig wird für das Klinikum Fulda die Sicherung der wirtschaftlichen Betriebsführung ohne Defizitausgleich und die Investitionsfähigkeit auch in Zukunft ein wesentliches Ziel der Vernetzung mit anderen Partnern sein.“

Für Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld ist „die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung die ureigene Aufgabe der Städte und Landkreise“. Diese Verantwortung reiche über den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag für die stationäre Versorgung weit hinaus, „denn wenn insbesondere im ländlichen Raum eines Tages immer mehr ältere, immobile Menschen leben, während sich der klassische niedergelassene Arzt vom Lande zurückzieht, dann stehen wir Kommunalpolitiker in der Pflicht, für unsere Bürger eine wohnortnahe Versorgung zu schaffen“. Darum ist Wingenfeld überzeugt, dass das große kommunale Klinikum in Zukunft als Zentrum einer umfassenden Versorgung der Region, in der sich die traditionellen Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung in wechselseitiger Partnerschaft auflösen werden, ein unverzichtbarer Ankerpunkt sein wird. „Die Geschichte der Gesundheitsversorgung in kommunaler Verantwortung ist nicht vorüber, sondern sie beginnt in dieser Zeit mit einem neuen Kapitel“, urteilt der Oberbürgermeister: „Insbesondere in den ländlichen Regionen sichert kommunale Trägerschaft die notwendige und gewollte Nähe und Stabilität in der Versorgung. Das Beispiel der Übernahme und Fortführung des Krankenhauses in Gersfeld durch das Klinikum Fulda gAG zeigt, das Vernetzung zum Wohle der Region funktionieren kann.“ +++