Klimaforscher zieht optimistische Bilanz der Weltklimakonferenz

Luisa Neubauer sieht Gipfel von Glasgow als "Versagen"

Der Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber hat eine optimistische Bilanz der Weltklimakonferenz in Glasgow gezogen. „Noch in Paris war es undenkbar, die globale Dekarbonisierung bis 2050 zu beschließen. Das ist nun Konsens“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Doch die großen Durchbrüche passierten nicht auf den pompösen Konferenzen. „Die geschehen vorher, in bilateralen Verhandlungen und unzähligen gesellschaftlichen Veränderungen“, ergänzte der Wissenschaftler, der an fast allen Weltklimakonferenzen (COP) teilnahm. „Die COP ist wie eine große Theaterbühne, auf der ein Stück aufgeführt wird, das vorher an ganz anderen Orten geschrieben wurde. Insofern kommt es schon auf den Text an, er ist nicht nur Blablabla, wie Greta Thunberg sagt.“

Der Ton habe sich verändert in Glasgow, und das sei gut so. Am Freitagnachmittag war ein Treffen zwischen dem SPD-Politiker Olaf Scholz und den ehemaligen Klima-Hungerstreikenden angesetzt, das Schellnhuber mit vermittelt hatte. Für den wahrscheinlichen nächsten Bundeskanzler Scholz fand Schellnhuber ebenfalls vorsichtig optimistische Worte: „Olaf Scholz kann ein Klimakanzler werden, die neue Regierung kann eine Klimaregierung werden. Da habe ich Hoffnung“, sagte Schellnhuber dem RND, der auch Gründungsdirektor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung war. „Ich kenne Olaf Scholz schon lange, Ressourcensicherheit und Umweltschutz liegen ihm am Herzen. Er wird natürlich bis zum Letzten verhandeln, um auch seine Partei mitzunehmen. Die SPD beginnt ja erst jetzt zu begreifen, dass soziale Gerechtigkeit auch über Generationen hinweg gedacht werden muss.“

Luisa Neubauer sieht Gipfel von Glasgow als „Versagen“

Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat die bisher ausgehandelten Ergebnisse beim Weltklimagipfel in Glasgow scharf kritisiert. „Man kann das als Versagen betrachten“, sagte Neubauer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe über die Konferenz. „Es geht hier nicht darum, einen interessanten diplomatischen Prozess zu navigieren, sondern darum, eine reale Katastrophe, die jetzt gerade hier passiert, abzuschwächen und Menschen in Sicherheit zu bringen.“ Der Kampf gegen den Klimawandel sei kein spannendes Gedankenspiel, sondern eine Menschheitsaufgabe. „Aber so verhält sich hier kaum jemand, der verhandelt“, sagte die Vertreterin der Jugendbewegung Fridays for Future. Neubauer schließt sich damit einer Einschätzung von Greta Thunberg an, der Gründerin der Bewegung. Auch die hatte die hatte den Gipfelteilnehmern attestiert, zu versagen. Glasgow hätte ein „globaler Wendepunkt“ sein müssen, sagte Neubauer den Funke-Zeitungen. „Es hätte ein Moment sein müssen, in dem vor allem die reichsten Staaten der Welt anfangen, gemeinsam für die 1,5-Grad-Grenze zu kämpfen. Das ist nicht passiert.“ Das bedeute zwar nicht, dass eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad nicht mehr erreichbar sei. Aber die Regierungen hätten bei der Konferenz sehr viel verändern können und müssen. „Stattdessen haben sie kaum merklich am Status Quo gerüttelt und es nur in Ansätzen gewagt, das fossile System anzugehen“, sagte Neubauer. Konkret nannte sie einen schnellen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas als Bedingung für einen solchen Wendepunkt sowie „sehr, sehr schnelle Zahlungen“ der Industrieländer an Länder des globalen Südens. „Es waren schließlich die Emissionen der reichsten Länder, die in den betroffen Regionen nun unvorstellbare Katastrophen anrichten.“ +++