Kaum Fortschritt bei der Digitalisierung der Verwaltung

Nur 20 Dienste wurden in einem Jahr komplett neu digitalisiert

Seit 2017 bemüht sich Deutschland um die Digitalisierung seiner Verwaltung. Die Resultate sind enttäuschend: Nur 36 Prozent der Behördendienste stehen digital bereit. Der Fortschritt zum Vorjahr beträgt magere sechs Prozentpunkte. Aktuell bleiben 373 von insgesamt 579 Verwaltungsleistungen offline. Das zeigt eine Analyse des Vergleichsportals Verivox zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG).

Nur 20 Dienste wurden in einem Jahr komplett neu digitalisiert

Derzeit können 101 OZG-Leistungen vollständig online genutzt werden. Im Dezember 2023 lag diese Zahl bei 81. Somit sind innerhalb eines Jahres lediglich 20 Dienste neu digitalisiert worden. Teilweise online abrufbar sind aktuell 105 Behördendienste, im Vorjahr waren es 96. Damit sind insgesamt 36 Prozent der Leistungen zumindest teilweise digital verfügbar. 373 Leistungen, also zwei Drittel, sind nicht digital nutzbar. Für 195 dieser Dienste gibt es online Informationen, für 172 nicht. Sechs Leistungen sind bisher nicht kategorisiert. Keine einzige OZG-Leistung hat es in die höchste Stufe geschafft. Vernetzte Register zwischen Behörden wären dafür nötig, damit Bürgerinnen und Bürger ihre Daten nur einmalig angeben müssen (Once-Only-Prinzip).

„Ein wesentliches Problem liegt im Fehlen einheitlicher IT-Lösungen auf Basis standardisierter Software", sagt Jörg Schamberg, Telekommunikationsexperte bei Verivox. "Die deutsche Bürokratie verlangt komplexe und anfällige Individuallösungen. Zudem gibt es eklatante Lücken bei der digitalen Ausbildung des Personals im öffentlichen Dienst.“

BMI: Verwaltungsdigitalisierung als „Daueraufgabe“

Insgesamt bündelt das OZG über 6.000 einzelne Services und Verwaltungsleistungen. Eine OZG-Leistung gilt als online, wenn mindestens eine der zugehörigen Verwaltungsleistungen online beantragt werden kann und in mindestens einer Kommune verfügbar ist. Einzelne Verwaltungsleistungen können unterschiedlich weit fortgeschritten sein und zu verschiedenen Zeitpunkten live gehen. „Es grenzt an eine Kapitulationserklärung, dass das Bundesministerium des Inneren die Digitalisierung der Verwaltung als Daueraufgabe bezeichnet“, sagt Schamberg. „Das Digitalisierungsvorhaben geht ins achte Jahr und der Berg an offenen Aufgaben bleibt riesig.“

Wie komplex das Verfahren ist, zeigt die Digitalisierung des Personalausweises: Die OZG-Leistung „Personalausweis“ ist nicht digitalisiert. Insgesamt sind ihr 36 Einzelleistungen zugeordnet. Den Antrag auf einen neuen Ausweis können Bürger inzwischen online stellen. Vier weitere Einzelleistungen zum Personalausweis sind ebenfalls digitalisiert. Für die Ausstellung und 30 weitere Einzelleistungen ist ein Gang zum Amt notwendig. Nach OZG-Gesetz gilt die Leistung „Personalausweis“ dennoch als live.

Antrag auf Führerschein online möglich, Grundbucheintrag nur offline

Zu den online nutzbaren Einzelleistungen gehören Anträge auf Arbeitslosengeld, Pflegegeld oder Führerscheine. Auch die Steuererklärung und Anzeigen von Hass und Hetze im Netz sind bundesweit vollständig online möglich. Komplett offline sind hingegen der Prozess bei einem Insolvenzverfahren oder ein Eintrag ins Grundbuch. Selbst vermeintlich einfache Vorgänge erfordern den Gang zum Bürgerdienst oder Anträge in Papierform. Das betrifft etwa Umweltplaketten fürs Autofahren in vielen deutschen Innenstädten oder Vereinbarungen zum Bundesfreiwilligendienst. Oft trifft die fehlende Digitalisierung die Schwachen der Gesellschaft. Hilfen für psychisch Kranke und Opfer von Extremismus oder Terrorismus sowie Leistungen für Behinderte lassen sich nicht online organisieren.

Von den priorisierten Fokusleistungen sind inzwischen 14 von 16 Diensten digital nutzbar. Doch nur zwei der 16 Dienste sind im Rollout abgeschlossen und deutschlandweit digital verfügbar: Das Bürgergeld und die Energiepauschale für Studierende und Fachschüler – eine Leistung, die bereits vor dem Änderungsgesetz erfüllt war.

Zum Hintergrund: Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes

Das Onlinezugangsgesetz wird auf bundesweiter Ebene und regional durch Länder und Kommunen umgesetzt. Die meisten der 579 OZG-Leistungen verteilen sich auf 14 Themenfelder, wie Arbeit und Ruhestand oder Gesundheit, welche Länderebene betreut. Bei insgesamt 115 Leistungen übernimmt der Bund die Führung.

Das Vergleichsportal Verivox hat den Stand der OZG-Leistungen am 12. Dezember 2024 ausgewertet. Die Angaben stammen von der OZG-Informationsplattform. Zum Auswertungszeitpunkt fanden sich dort 579 Leistungen; im Dezember 2023 waren es 581. Laut Bundesinnenministerium ändern sich die Zahlen im OZG-Katalog, weil im agilen Prozess neue OZG-Leistungen entstehen oder vorhandene zusammengelegt werden.

Ursprünglich sollten bereits Ende 2022 sämtliche Verwaltungsleistungen online bereitstehen. Im Änderungsgesetz sind jedoch keine Erfüllungsfristen mehr vorgesehen. +++


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