Kassenärzte für Ende der Corona-Restriktionen

Auch wenn die Ansteckungszahlen derzeit leicht anstiegen

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, unterstützt Pläne für ein Ende der Corona-Beschränkungen. „Grundsätzlich“ sei der Punkt erreicht, an dem man nach einer gewissen Vorlaufzeit dazu übergehen könne, „die notwendigen Schutz- und Abwehrmaßnahmen in die Hände des Bürgers zu legen“, sagte er dem Focus. Auch wenn die Ansteckungszahlen derzeit leicht anstiegen, erlaube die hohe Impfquote – 80 Prozent der Erwachsenen seien vollständig geimpft, „in etwa drei Wochen wohl 85 Prozent“ – diesen Schritt.

Außerdem sagten nahezu alle Experten, „dass die Pandemie zumindest für die westlichen Industriestaaten im Frühjahr vorbei sein“ werde, weil „wir alle bald geimpft sein werden oder uns infiziert haben“. Der Düsseldorfer Orthopäde und Vertreter von etwa 170.000 Kassenarztpraxen war zuvor für seinen Vorschlag eines „Freedom Day“ ab dem 30. Oktober teils heftig kritisiert worden. Mittlerweile glaubt er, dass die Politik die Beschränkungen „regional und portionsweise“ auslaufen lassen werde. Derzeit kämen „im Wesentlichen“ noch zwei Arten von Patienten auf die Intensivstationen, „sehr alte und gesundheitlich vorbelastete Patienten, die trotz Impfung erkranken“ sowie „nicht geimpfte Personen, von denen viele ebenfalls zuvor nicht mehr gesund“ gewesen seien. „Natürlich“ will Gassen Impfangebote weiterführen, doch sei es zu „akzeptieren, dass Menschen sich unvernünftig verhalten und sich nicht impfen lassen“.

Alte und besonders gefährdete Menschen müssten außerdem ein Risikobewusstsein haben „und danach handeln“. Gassen erscheint es „nicht medizinisch seriös, so zu tun, als könnte man jedes Leben retten“. Auf die Frage nach den Lehren aus der deutschen Pandemie-Politik stellt Gassen eine Reihe von Forderungen auf. So sollte sich die Politik künftig „nicht ausschließlich auf den Rat von wenigen Mathematikern und Physikern verlassen, die irgendwelche Szenarien modellieren, sondern Ärzte mit täglichem Patientenkontakt einbeziehen“. Gleichzeitig müsse sich die Datenlage verbessern, „selbst das Robert-Koch-Institut zeigt in diesem Punkt Schwächen“. Außerdem wäre es „gut, die Abhängigkeit von fernen Ländern bei der Herstellung von Medikamenten und Schutzmaterialien zu verringern“, so der Kassenärzte-Chef. +++