Journalistin Birgit Emnet gab Einblicke in den hessischen AWO-Skandal

Es gibt im Lokalen viele Bereiche, die man kritisch hinterfragen kann

Jens Brehl und Birgit Emnet. Foto: Karsten Socher Fotografie

Überhöhte Gehälter, teure Dienstwagen, Scheinanstellungen, Betrugssummen in Millionenhöhe bei einer gemeinnützigen Organisation – das klingt nach einem guten Stoff für eine spannende Tatort-Folge, ist aber hessische Realität. Als Birgit Emnet im Wiesbadener Kurier erstmals über Unregelmäßigkeiten bei den AWO-Ortsverbänden Wiesbaden und Frankfurt berichtete, konnte Sie die gesamten Ausmaße noch gar nicht abschätzen. Auch Politiker wie der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) sind in die Affäre verstrickt. Ermittlungen dauern bis heute an.

„Über viele Jahre hatte sich systematischer Betrug und Misswirtschaft etabliert“, berichtete Emnet in einem gestrigen Werkstattgespräch, zu dem der Deutsche Journalistenverband Hessen (DJV Hessen) nach Fulda eingeladen hatte. „Birgit Emnet liefert das perfekte Beispiel, was Lokaljournalismus leisten und welch hohen gesellschaftlichen Mehrwert er bieten kann“, sagte Jens Brehl, Vorsitzender des Bezirksverbands Osthessen im DJV Hessen. Kein Wunder, dass Emnet gemeinsam mit Olaf Streubig und André Domes im vergangenen Jahr mit dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse ausgezeichnet wurde. Die Redakteurin, die auch im Ruhestand weiterhin zum AWO-Fall publiziert, gab Einblicke in die Vorgehensweise und die Stolpersteine der komplexen Recherche, was für die Zuhörenden spannend wie bildend war.

„Es gibt im Lokalen viele Bereiche, die man kritisch hinterfragen kann. Hartnäckig zu bleiben lohnt sich“, motivierte sie die anwesenden Journalistinnen und Journalisten. Dabei gehe es auf keinen Fall darum, alles und jeden unter Generalverdacht zu stellen, wie sie ausdrücklich betonte. Im Nachhinein scheint das Betrugssystem offensichtlich und man kann sich durchaus fragen, wie das viele Jahre auch unter den Augen von Wirtschaftsprüfern und der Presse als vierte Gewalt funktioniert haben kann. Tatsächlich lagen vereinzelten Redaktionen schon recht früh ernstzunehmende Hinweise auf Unregelmäßigkeiten vor.

„Man kann nicht oft genug betonen, wie wichtig es ist Lokalredaktionen personell gut auszustatten, um neben dem hektischen Arbeitsalltag Zeit für hintergründige Recherchen zu finden. Dazu braucht es auch Nutzer, die herausragende journalistische Leistungen mit dem Kauf von Medienprodukten unterstützen oder anderweitig wertschätzen“, macht Brehl deutlich und führt weiter aus „Viele nehmen den DJV Hessen als reine Gewerkschaft wahr, dabei fungieren wir auch als Berufsverband. Daher gehören Weiterbildungen wie das Werkstattgespräch mit Birgit Emnet zum regelmäßigen Angebot. Eine starke Presse ist ein wichtiger Grundstein für eine funktionierende Demokratie.“ +++ pm