Innenministerin will weiterhin auf Vorratsdatenspeicherung setzen

SPD-Chefin will endgültige Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung

Nancy Faeser (SPD)

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will auch nach dem EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung in bestimmten Situationen auf das Instrument zurückgreifen. „Ausdrücklich hat der Europäische Gerichtshof entschieden: IP-Adressen dürfen gespeichert werden, um schwere Kriminalität bekämpfen zu können“, sagte sie am Dienstag in Berlin. Zudem gestatte der EuGH gezielte Speicheranordnungen für Orte wie Flughäfen oder Bahnhöfe und für Gegenden mit einer hohen Kriminalitätsbelastung. „Für die Bekämpfung schwerer Straftaten und für den Schutz unserer inneren Sicherheit sind das sehr wichtige Aussagen des Europäischen Gerichtshofs“, so Faeser.

Die damit eröffneten rechtlichen Möglichkeiten müsse man nutzen, um bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität, von extremistischen und terroristischen Bedrohungen und anderen schweren Straftaten „konsequent“ handeln zu können. „Das ist für mich keine ideologische Frage“, so die SPD-Politikerin. „Ich will keine alten Debatten führen, sondern pragmatisch handeln. Der Koalitionsvertrag knüpft an die heutige EuGH-Entscheidung an – und gibt uns daher den Raum, das, was zulässig und dringend notwendig ist, auch umzusetzen.“ Dabei sei ihr die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder „besonders wichtig“. Kinder zu schützen habe für die Ermittlungsbehörden „höchste Priorität“. Kein Täter dürfe sich sicher fühlen vor Strafverfolgung. „Die Speicherung der Daten, mit denen wir Täter identifizieren können, ist unbedingt erforderlich – und nach dem heutigen Urteil zulässig“, so Faeser. Sie kündigte an, mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) „konstruktive Lösungen“ in der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung finden zu wollen. Damit dürfte Streit vorprogrammiert sein – die FDP und auch die Grünen lehnen das Instrument Vorratsdatenspeicherung ab. Der EuGH hatte die bereits seit 2017 ausgesetzte deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung am Dienstagmorgen gekippt. Im Kern hatte er dabei seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. EU-Staaten dürfen Kommunikationsdienstleister demnach nicht zu einer flächendeckenden und pauschalen Speicherung von Internet- und Telefon-Verbindungsdaten verpflichten. Gewisse Ausnahmen sind aber möglich, wie zum Beispiel die Beschränkung auf bestimmte Personengruppen oder Orte. Auch ein vorübergehendes Speichern kann laut EuGH rechtens sein, wenn es um eine Bedrohung der nationalen Sicherheit geht. Zudem wäre eine Speicherung der IP-Adressen von Internetnutzern unter Umständen möglich.

SPD-Chefin will endgültige Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung

Nach dem EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland fordert die SPD-Vorsitzende Saskia Esken die endgültige Abschaffung des Instruments. „Eine präventive, allgemeine und anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ist mit dem Europarecht unvereinbar“, sagte Esken am Dienstag der „taz“. Grundsätzlich teile sie das Ziel und unterstütze die Strafverfolgungsbehörden, schwere Straftaten im Internet aufzudecken. „Dazu gilt es jetzt die Vorgaben des Koalitionsvertrages umzusetzen. Ich erwarte, dass die Bundesregierung zeitnah ein Quick-Freeze-Gesetz vorlegen wird.“ Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland seit Jahren umstritten und war zuletzt wegen offener Rechtsverfahren ausgesetzt. Der EuGH erklärte am Dienstag nun die deutsche Variante für rechtswidrig, sie verstoße gegen europäisches Recht. Allerdings sei eine „gezielte“ und zeitlich begrenzte Vorratsdatenspeicherung möglich, wenn eine „ernste Bedrohung für die nationale Sicherheit“ vorliege, so das Gericht. Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag keine definitive Absage an die Vorratsdatenspeicherung vereinbart. Festgehalten aber wurde, dass diese „rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss“ ausgestattet werden soll. Esken plädierte am Dienstag als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung neben dem „Quick Freeze“-Verfahren auch für die Einführung einer sogenannten Login-Falle. Damit würde man ein „grundrechtsschonendes Instrument“ schaffen, um Täter schwerer Straftaten besser identifizieren zu können, sagte Esken der „taz“. „Darüber hinaus benötigen die Strafverfolgungsbehörden dringend bessere personelle und technische Ausstattung, um effektiv gegen Rechtsverletzungen vorgehen zu können.“ +++