Infoveranstaltung Wiederkehrende Straßenbeiträge fand in Bad Salzschlirf statt

Interessierte Kommunen informieren sich

Bad-Salzschlirfs Bürgermeister Matthias Kübel

Bad Salzschlirf. Die Bürgermeister Matthias Kübel und Alexander Wirth aus Bad Salzschlirf und Wildeck beantworten Fragen zur Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge. Über 50 Vertreter von Kommunen informieren sich in Bad Salzschlirf. Die Gemeinden Wildeck und Bad Salzschlirf haben erfolgreich wiederkehrende Straßenbeiträge eingeführt. Das Interesse benachbarter Kommunen zu diesem Thema ist groß. Über 50 Vertreter von Kommunen informierten sich in Bad Salzschlirf im Haus des Gastes. Mit der Neufassung des kommunalen Abgabengesetzes (KAG) zum 1.1.2013 wird den hessischen Städten und Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, für den Um- und Ausbau der öffentlichen Verkehrsanlagen zwischen einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen zu wählen. Aus der Praxis heraus hat sich die Frage entwickelt, wie die Beitragserhebung sozial ausgewogener und weniger finanziell belastend, verbunden mit einer höheren Akzeptanz bei Bürgern und der Kommune, gestaltet werden kann. Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge werden in der Praxis als sinnvolle Alternative zum klassischen Einmalbeitrag gesehen.

Warum müssen Grundstückseigentümer Straßenbeiträge zahlen? Durch die Herstellung einer innerörtlichen Erschließungsstraße hat der Grundstückseigentümer einen Vorteil erlangt. Er kann sein Grundstück anfahren und begehen und somit zu Wohn- und ggf. Gewerbezwecken nutzen. Die Vergütung dieses Vorteils z.B. gegenüber einem unerschlossenen Grundstück erfolgt über den Straßenbeitrag. Es wird unterschieden zwischen dem Erschließungsbeitrag, der für die erstmalige Herstellung der Erschließungsstraße erhoben wird und dem Ausbaubeitrag, der für die grundhafte Erneuerung der Erschließungsstraße nach Vollverschleiß zu erheben ist. Den Beitrag zahlen immer die Bevorteilten. Die Bevorteilten sind die Grundstückseigentümer zum einen und die Allgemeinheit zum anderen. Das Verhältnis des Vorteils der Grundstückseigentümer und der Allgemeinheit ist der Gemeindeanteil. Dieser ist für jede beitragsfähige Straßenbaumaßnahme in Abhängigkeit des Abrechnungsgebietes zu berechnen. Beim Einmalbeitrag bilden die Grundstücke der direkten Anlieger an die Baumaßnahme das Abrechnungsgebiet, wohingegen beim wiederkehrenden Straßenbeitrag z.B. ein Ortsteil das Abrechnungsgebiet sein kann.

Doch was genau steckt hinter dem Begriff der wiederkehrenden Straßenbeiträge? Entschließt sich eine Kommune dazu, wiederkehrende Straßenbeiträge zu erlassen, müssen zunächst Abrechnungsgebiete festgelegt werden. Alle beitragspflichtigen Maßnahmen im Abrechnungsgebiet werden dann anteilig auf alle Grundstücke in diesem Gebiet umgelegt. Somit werden die Kosten auf viele Schultern verteilt. Das Abrechnungsgebiet kann ein Ortsteil oder ein definiertes Gebiet sein, in dem die Grundstückseigentümer einen Vorteil von der beitragspflichtigen Maßnahme haben. Wie dies in den Kommunen Wildeck und Bad Salzschlirf gelöst wurde, erläuterten die Bürgermeister Kübel und Wirth gemeinsam mit dem Fachbüro Kommunal-Consult Becker AG aus Pohlheim, das die Kommunen bei der Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge fachkundig unterstützt hat. Die Gemeinde Wildeck definiert jeden einzelnen Ortsteil als eigenes Abrechnungsgebiet. Die Gemeinde Bad Salzschlirf hingegen hat das südliche Gewerbegebiet abgegrenzt und der verbleibende Ortsteil bildet das Abrechnungsgebiet für wiederkehrende Straßenbeiträge.

Zur Berechnung des Gemeindeanteils bei einmaligen Straßenbeiträgen ist jede Straße hinsichtlich ihrer Funktion als Anliegerstraße, innerörtliche Sammelstraße oder als überörtliche Durchgangsstraße einzuordnen. Für die Berechnung des Gemeindeanteils für Abrechnungsgebiete bei wiederkehrender Beitragserhebung sind Besonderheiten zu beachten. So stellt sich die Frage, ob es bei wiederkehrenden Straßenbeiträge innerörtliche Sammelstraßen gibt oder ob alle kommunalen Straßen im Abrechnungsgebiet Anliegerstraßen sind. Diese Frage treibt gegenwärtig nicht nur die Juristen in Hessen um. In Rheinland-Pfalz werden wiederkehrende Straßenbeiträge bereits seit den 1980er Jahren erhoben. Diese Frage wurde dort juristisch von Verwaltungsgerichten unterschiedlich beurteilt. Herr Wirth und Herr Kübel erläuterten ihre Entscheidungsgründe für die entsprechenden Berechnungen ihrer Kommunen und die Herren Becker und Leistner vom Fachbüro Kommunal-Consult Becker AG erläuterten den interessierten Teilnehmern Unterschiede der Entscheidungsgründe der Verwaltungsgerichte.

Das Bauprogramm: Zur Ermittlung des Sanierungsbedarfes der kommunalen Straßen erläuterten die Herren Hilfenhaus und Müller von der Rhönenergie Effizienz + Service GmbH die Erstellung des Bauprogramms der Gemeinde Bad Salzschlirf. Eine Mehrspartenanalyse der Straßen, des Abwassersystems und der Trinkwasserleitungen im Abrechnungsgebiet liefert die Ergebnisse für die Aufstellung einer Prioritätenliste der sanierungsbedürftigen Straßen. Die politischen Gremien in Bad Salzschlirf definierten die umzusetzenden Baumaßnahmen, so dass die zu erwartenden beitragsfähigen Kosten ermittelt werden konnten. Diese Kosten werden über den Gemeindeanteil zwischen der Kommune, die den Vorteil der Allgemeinheit trägt, und den Grundstückseigentümern aufgeteilt. Interessiert fragten die Zuhörer Herrn Hilfenhaus und Herrn Bürgermeister Kübel nach Details der Mehrspartenanalyse.

Wie errechnet sich die Beitragshöhe eines Grundstücks?

Zur Verteilung der verbleibenden beitragsfähigen Kosten auf die Grundstücke im Abrechnungsgebiet ist die beitragsrelevante Fläche pro Grundstück zu ermitteln. Diese beitragspflichtige Fläche errechnet sich aus der amtlichen Grundstücksgröße und einem Faktor für die Anzahl der Vollgeschosse, z.B. bei Wohngebäuden. Die Ermittlung der Vollgeschosse ist für Grundstücke für die ein Bebauungsplan existiert aus diesem zu entnehmen. Eine Herausforderung stellt die Ermittlung der Vollgeschosse im unbeplanten Gemeindegebiet dar. Unter Beachtung der gesetzlichen Definitionen, die für ein Vollgeschoss erfüllt sein müssen, sind die Gebäude im unbeplanten Innenbereich auszuwerten. Diese Aufgabe wurde von den Teilnehmern der Informationsveranstaltung sehr sensibel hinterfragt, da sich hier ein nicht unerheblicher Aufwand vermuten lässt. Herr Becker stellt dazu ein von KC entwickeltes Verfahren vor, wie anhand vorliegender amtlicher Daten der hessischen Landesvermessung die Vollgeschosse rechnerisch pro Grundstück ermittelt werden können. Herr Bürgermeister Wirth aus Wildeck berichtete aus der Praxis, dass diese Methode verbunden mit allgemeinen Informationen zu wiederkehrenden Straßenbeiträgen an die Grundstückseigentümer und einer ergänzenden Selbstauskunft über die gewerbliche Nutzung des Grundstücks sehr positiv von den Grundstückseigentümern in Wildeck angenommen wurde und der Aufwand für die Ermittlung der Vollgeschosse im unbeplanten Innenbereich überschaubar war. Mit dieser Datenerhebung liegen alle Informationen zur Berechnung der beitragsrelevanten Flächen der Grundstückseigentümer im Abrechnungsgebiet vor. Unter Anwendung der Tiefenbegrenzung für Grundstücke, die vom unbeplanten Innenbereich in den Außenbereich hineinragen, und des Artzuschlages für die gewerbliche Nutzung von Grundstücken konnten die beitragsrelevanten Flächen für die jeweiligen Abrechnungsgebiete ermittelt werden.

Verschonungsregelung für bereits geleistete Beitragszahlungen

Einer Satzung über wiederkehrende Straßenbeiträge ist eine Verschonungsregelung hinzuzufügen. Hier werden Eigentümer, die einen Erschließungs- oder Straßenausbaubeitrag gezahlt haben, für mindestens fünf und maximal 25 Jahre von Zahlungen aufgrund einer Straßenbeitragssatzung verschont. Die Satzung legt den Zeitraum fest. Hier wurden die Spielräume und die Auswirkungen angeregt diskutiert. Die Frage nach dem Abrechnungszeitraum der Beitragserhebung beantworteten beide Bürgermeister, dass dies in Abhängigkeit der jeweiligen Baumaßnahmen in den Abrechnungsgebieten erfolgt. In Bad Salzschlirf werden zwei Straßen in fünf Jahren grundhaft erneuert, so dass sich der fünfjährige Abrechnungszeitraum anbietet. In der Praxis bedeutet dies, dass der jährliche Beitrag auf dem Durchschnitt der zu erwartenden beitragsfähigen Kosten beider Maßnahmen im Fünfjahreszeitraum kalkuliert wird. Am Ende des Abrechnungszeitraums erfolgt die Endabrechnung nach realen Kosten. Falls es in einem Abrechnungsgebiet keine beitragsfähigen Baumaßnahmen gibt, werden in diesem Abrechnungsgebiet keine Beiträge erhoben, so z.B. in einigen Ortsteilen von Wildeck. Die Zuhörer stellten interessierte Fragen nach dem Aufwand, den die Verwaltungen in der Einführungsphase geleistet haben. Herr Bürgermeister Kübel antwortete, dass das Projekt der Gemeinde Bad Salzschlirf in 4 Monaten in enger Zusammenarbeit mit dem Fachbüro KC Becker umgesetzt wurde und dass Herr Kirchner aus dem Bauamt in diesem Zeitraum ca. 4-6- Wochen mit Zuarbeiten und Abstimmungen in das Projekt involviert war. Die Gemeinde Wildeck nutzte Synergien bei der Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge, da gleichzeitig die gesplitteten Abwassergebühren eingeführt wurden. Da es sich bei beiden kommunalen Abgaben um grundstücksbezogene Abgaben handelt, wurde in enger Zusammenarbeit mit KC Becker eine Grundstücksdatenbank aufgebaut, die als Grundlage für die Projektbearbeitung diente.

Die Fragen nach dem Aufwand für die jährliche Datenaktualisierung beantwortete Becker: Veränderungen an grundstücksbezogenen Daten zentral zu erfassen und den jeweiligen Abgabenarten wie Grundsteuer B, Niederschlagswassergebühren und den wiederkehrenden Straßenbeiträgen zentral zuzuordnen ist die Lösung für eine effiziente Abwicklung des grundstücksbezogenen Datenänderungsdienstes. Durch die Nutzung der KC Grundstücksdatenbank ist eine zentrale Organisation und Verwaltung der Adressdaten von Grundstücken sichergestellt. Bürgermeister Dirk Haas aus Buseck berichtet, dass grundstücksbezogene Änderungen einmal zentral bearbeitet werden und die Daten den jeweiligen Abgabenarten anschließend zur Verfügung stehen. Die Organisation der grundstücksbezogenen Daten in den Gemeindeverwaltungen Bad Salzschlirf, Wildeck und Buseck erfolgt über GeoMedia-Kommunal, die von KC entwickelte Fachsoftware zur Verwaltung, Organisation und Fortführung der Projektdaten der Niederschlagswassergebühren und der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge. Die Gemeinden erstellen die jährlichen Beitragsbescheide in dieser Fachsoftware. Die Datenübergabe zur Forderungsüberwachung und sachgerechten Verbuchung der Abgabenarten, erfolgt über die eingerichtete Anbindung externer Verfahren direkt in das Finanzwesen. Der fachliche Austausch über die Einführungskosten und die Mitwirkung der Verwaltung war ein Schwerpunkt. Im Fazit ist festzuhalten: Grundstückseigentümer sind zu Beitragszahlungen heranzuziehen. Ob dies maßnamenbezogen oder wiederkehrend erfolgt entscheidet jede Kommune einzeln. Der Tenor der Veranstaltung war, dass wiederkehrende Straßenbeiträge eine solidarisierte Form der Beitragserhebung sind, die bei den Bürgern positiv wahrgenommen wird, allerdings den verwaltungsinternen Aufwand um die jährliche Bescheiderstellung erhöht. +++ (pm)