Ifo-Chef übt massive Kritik am Verfahren der Bundesregierung

Umfrage: Deutsche im Umgang mit Energiekrise gespalten

Ifo-Chef Clemens Fuest hat das Verfahren der Bundesregierung beim geplanten 200-Milliarden-Euro-Gaspreisdeckel scharf kritisiert. „Dass die Regierung der Krise entgegentreten will, ist lobenswert, aber sie zäumt das Pferd von hinten auf“, sagte Fuest der „Rheinischen Post“. „200 Milliarden Euro zusätzliche kreditfinanzierte Ausgaben anzukündigen, ohne die Maßnahmen durchdacht und konzipiert zu haben, ist nicht sachgerecht“, sagte der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung.

„Der Begriff Wumms erweckt den irreführenden Eindruck, die Krise könnte überwunden werden, wenn der Staat nur genug Geld bereitstellt. Tatsächlich kann viel Geld auch viel Schaden anrichten“, warnte Fuest. „Die größte Gefahr besteht darin, dass die Hilfen die Nachfrage nach Energie in die Höhe schrauben. Wenn mehr Geld auf eine beschränkte Menge an Gas losgelassen wird, treibt das nur den Gasverbrauch und die Preise in die Höhe“, sagte Fuest. „Es erhöht zudem die Wahrscheinlichkeit, dass es im Januar 2023 zu Gasrationierungen kommt, weil vorher zu viel Gas verbraucht worden ist. Wenn andere Länder in Europa das auch so machen, verschärft sich dieses Problem“, sagte der Ifo-Chef. Er forderte die Bundesregierung auf, mehr Energiesparanreize zu setzen und pauschale Hilfen stärker auf Niedrigverdiener und stark betroffene Unternehmen auszurichten. „Es muss zudem alles getan werden, um möglichst schnell mehr Strom zu produzieren, also mehr Kraftwerke ans Netz bringen, und mehr Gas nach Europa zu bringen, vor allem durch Beschleunigung des Baus von LNG-Terminals, aber auch durch Vorbereitung von Gasförderung durch Fracking in Deutschland. Wir brauchen einen Wumms bei der Steigerung des Energieangebots, nicht bei der Nachfrage“, sagte Fuest.

Umfrage: Deutsche im Umgang mit Energiekrise gespalten

In der aktuellen Energiekrise entzweit die Deutschen die Grundsatzfrage, ob im Zweifelsfall das uneingeschränkte Heizen oder die Bekämpfung des Klimawandels für die Politik wichtiger sein soll. Das zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für die „Welt am Sonntag“. Darin plädieren 43 Prozent der Bürger für klimapolitische Prioritäten, „auch wenn das bedeutet, dass im Winter weniger Energie für das Heizen verwendet werden kann und die Raumtemperatur am Arbeitsplatz, in öffentlichen Gebäuden oder Haushalten gesenkt werden muss“. Eine ebenso großer Anteil der Befragten spricht sich im Kontrast dazu für uneingeschränktes Heizen aus, „auch wenn das die Bekämpfung des Klimawandels erschwert“. 14 Prozent können sich nicht für eine der Antwortalternativen entscheiden. Die „Welt am Sonntag“ fragte die Bürger auch, wie sie persönlich Energie einsparen wollen, was von der Bundesregierung zurzeit nachdrücklich propagiert wird, vorgegeben wurde von YouGov eine Auswahl naheliegender Maßnahmen. Am häufigsten nannten die 2.089 Befragten die Reduzierung der Heiztemperatur in den eigenen vier Wänden (61 Prozent). Darüber hinaus will eine Mehrheit nur noch Sparbirnen und LED-Leuchten einsetzen (54 Prozent). Seltener oder kälter zu duschen beziehungsweise zu baden, hält ein gutes Drittel der Deutschen (38 Prozent) für ein probates Mittel, die Energiekosten im Griff zu behalten. Fast jeder vierte Befragte nutzt jetzt alternative Heizquellen zu Gas und Strom wie Holz und Kaminöfen. Acht Prozent sind sogar bereit, ihren Eisschrank zu leeren und abzutauen. Jeder zehnte Befragte zieht derweil keine der genannten Maßnahmen für sich in Betracht. Die Befragung wurde vom 23. bis 25. September durchgeführt. +++