„Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass über das Thema Suizid gesprochen wird“

Tonnenschwer mit subtilem Humor

Christine Färber, Markus Färber, hr2-Moderatorin Doris Renck, Verlegerin Rita Fürstenau

Vor zwei Jahren nahm sich ihr Vater das Leben. Im Ulenspiegel präsentierten gestern die Geschwister Christine und Markus Färber aus Leipzig mit ihrem Comicband „Fürchtetal“ eine besondere Form der Trauerarbeit. Über den Suizid des Vaters und die anschließenden Trauerphase sollte zunächst kein Buch entstehen. Das ist irgendwie passiert. Für den Zeichner Markus Färber war es zunächst eine tägliche Fingerübung, wie er sie aus seinem abgeschlossenen Studium der visuellen Kommunikation mit dem Schwerpunkt Illustration zuletzt an der Universität Kassel kannte. Seine als Journalistin arbeitende Schwester schickte ihm kurze Texte, was für sie hieß, eine halbe Stunde inne zuhalten, in sich hineinzuspüren und innere Prozesse aufzuschreiben. Jeweils abends lieferte der Bruder das fertige Bild. Schnell war klar, dass sich inhaltlich alles um die Erlebnisse mit ihren Vater dreht.

Tonnenschwer mit subtilem Humor

„Die Sätze sind mit gemeinsamen Erinnerungen verbunden, die Bilder sind mitgeschwungen“, sagte Markus Färber. Jeden Tag zu liefern und sich mit dem emotional herausfordernden Thema zu beschäftigen sei nicht einfach gewesen. Am Ende entstand der Comicband – auch Graphic Novel genannt – „Fürchtetal“, der diesen Freitag im Kasseler Verlag Rotopol erscheint. Erzählstil: Zwei Geschwister korrespondieren in Form von Text und Zeichnungen über den Suizid des Vaters, verarbeiten die gemeinsame Trauer und mehr. Die ersten drei Vorabexemplare wechselten am gestrigen Abend in der Fuldaer Buchhandlung Ulenspiegel die Besitzer. Im Rahmen der hr2-Sendung Literaturland Hessen hatten Radiosender und Buchhandlung zu einer Talkrunde eingeladen, die später auch als Podcast beim Hessischen Rundfunk zu hören sein wird. „Es ist eine Momentaufnahme unserer Trauerarbeit, kein abgeschlossenes Buch zum Thema“, machte Markus Färber deutlich. Man könne das Werk unendlich fortsetzen, ein weiterer Band sei allerdings nicht geplant, wie seine Schwester ergänzte. Sie nahm dem Publikum auch die Angst vor dem „düsteren“ Thema. „Das Buch zieht einen nicht sofort auf den Meeresgrund. Wenn meine Texte auch tonnenschwer waren, hat mein Bruder ganz andere Bilder gefunden.“ Ja, es schwinge subtil ein gewisser Humor mit, bestätigte er.

Mauern einreißen

Mit ihrem ersten gemeinsamen Projekt möchten die Geschwister auch ein Stück weit ein Tabu aufbrechen. „Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass über das Thema auch abseits von bestimmten Jahrestagen gesprochen wird – es betrifft so viele Menschen“, sagte die Journalistin. Auch in der Trauerarbeit gäbe es Unterschiede: Wäre der Vater beispielsweise an einer Krankheit gestorben, gäbe es von Außenstehenden mehr Fragen zu den Hintergründen. Doch sobald offenbar wird, dass es sich um ein Suizid handelte, versiegen die Gespräche – auch aus Unsicherheit. So kann man die Verlegerin Rita Fürstenau durchaus als mutig bezeichnen, sich auf das Projekt eingelassen zu haben. Zunächst bekam sie nur einzelne Bilder und Texte zu Gesicht, ob daraus ein Buch werden würde, war zu dem frühen Zeitpunkt noch gar nicht entschieden. „Das Material war schon sehr dicht, es hat sich eine eigene Atmosphäre und Welt aufgebaut“, erinnerte sie sich. Die Hemmschwellen, sich als Erwachsener auf ein Buch mit Bildern einzulassen, seien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Manfred Borg, Inhaber des Ulenspiegels, machte deutlich, weiterhin Verlage zu unterstützen, die das Format der Graphic Novel bekannt machen. Bei einem Glas Wein klang der Abend gemütlich aus. Die Botschaft des ernsten Themas war durchaus angekommen, doch die offenen Gespräche darüber schienen heilsam gewesen zu sein. +++ Text und Fotos Jens Brehl

Infokasten

Wenn Ihre Gedanken darum kreisen, sich das Leben zu nehmen, sprechen Sie mit Freunden und Familie darüber. Hilfe bietet auch die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar – unter 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Auch eine Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.