Hofreiter bezeichnet Bauern-Demo als „falschen Ansatz“

Habeck zeigt Verständnis für Bauernproteste

Als „falschen Ansatz“ hat Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter die Proteste der Landwirte in Berlin als Reaktion darauf bezeichnet, „dass es von Seiten der Bundesregierung nun ein ganz kleines bisschen mehr Insektenschutz“ gebe. „So etwas wie das Artensterben oder die Verschmutzung des Grundwassers gehen nicht weg, indem man es ignoriert“, sagte Hofreiter in der Sendung „Frühstart“ der RTL/n-tv-Redaktion. Wenn man noch weniger für den Naturschutz mache und noch mehr Dünger ausbringe, sei das „nicht die richtige Antwort“, so der Grünen-Politiker weiter.

Er signalisierte aber auch grundsätzlich Verständnis: „Man muss die Landwirte verstehen. Sie stehen nach Jahren falscher Agrarpolitik wirklich mit dem Rücken zur Wand“, sagte Hofreiter. Sowohl das Landwirtschaftsministerium als auch der Bauernverband hätten unter dem Motto „Wachse oder weiche“ Bauern „gelockt“, ihre Betriebe immer weiter zu vergrößern. Dies habe letztlich dazu geführt, dass es immer weniger Höfe gebe. Zusätzlich sei über Jahre dafür gesorgt worden, „dass die Einkommen der Landwirte immer schlechter geworden sind“, so der Grünen-Fraktionschef weiter. Seine Partei sieht er „auf der Seite der Bauern“. Der Grünen-Politiker forderte, den Flächenbezug bei Subventionen zu streichen und das Kartellrecht zu reformieren. Bei den bürokratischen Regeln müssten Größengrenzen für die Lebensmittelverarbeitung eingeführt werden. „Viele Landwirte können gar keine kleine Molkerei mehr finden oder sie, wenn sie Tiere haben, nur noch an einen Großschlachthof gehen können, weil der kleine Metzger aufgrund überbordender Regelungen aufgeben musste“, sagte Hofreiter in der Sendung „Frühstart“ der RTL/n-tv-Redaktion. Zudem forderte er neue Kennzeichnungsmethoden, um Qualitätsunterschiede auch in der konventionellen Tierhaltung für den Verbraucher besser erkennbar zu machen. Aus Ärger über die Agrarpolitik der Bundesregierung wollen am heutigen Dienstag mehrere Tausend Bauern aus ganz Deu tschland in Berlin demonstrieren. Zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor um 12:00 Uhr erwarten die Veranstalter 10.000 Teilnehmer und rund 5.000 Traktoren. Der Protest richtet sich unter anderem gegen geplante schärfere Vorgaben zum Insekten- und Umweltschutz und weitere Düngebeschränkungen zum Schutz des Grundwassers.

ABL-Geschäftsführer hält Agrarwende nur für gemeinschaftlich lösbar

Der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL), Georg Janßen, hat eine gemeinschaftliche Agrarwende gefordert. Man brauche „verbindliche Vereinbarungen, damit auch die Bäuerinnen und Bauern wirtschaftlich mitgenommen werden“, sagte Janßen am Dienstag dem Deutschlandfunk. „Es ist doch ein Skandal, wenn immer noch 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der EU-Milliarden bekommen“, so der ABL-Geschäftsführer weiter. Er wies darauf hin, dass es Versäumnisse auf beiden Seiten gegeben habe. So arbeite die Politik lediglich „mit der Agrarindustrie und mit der Führungsspitze des Bauernverbandes“ zusammen und von Seiten der Bauern habe man es versäumt, sich „rechtzeitig eine Unterstützung von der Gesellschaft zu holen“, sagte Janßen. Er hält die Veränderungen in der Agrarwirtschaft für „notwendig“, gab jedoch zu bedenken: „Wir brauchen doch Gelder für den klimaschonenden Ackerbau. Wir brauchen Gelder für die artgerechte Tierhaltung. Bäuerinnen und Bauern sind doch längst bereit, auch gerade junge Bäuerinnen und Bauern sind bereit, das zu tun“, so der ABL-Geschäftsführer weiter. Er habe einen „unheimlichen Respekt“ vor der Arbeit, die geleistet werde und bezeichnete die bäuerliche Arbeit als „unheimlich viel wert“. Man müsse daher Abschied nehmen „von einem Agrarmodell, was uns als Bauern und Bäuerinnen seit Jahrzehnten in eine internationale Kostenführerschaft gedrängt hat. Wir müssen zu billigsten Preisen gute Produkte liefern und dieses Modell, das stößt an Grenzen, an unsere wirtschaftlichen Grenzen als Bauern, aber auch an gesellschaftliche Grenzen. Deshalb hilft uns keine Pfeiferei gegenüber Ministern, sondern wir müssen alle in die Verantwortung und in die Pflicht genommen werden“, sagte Janßen dem Deutschlandfunk. In Berlin werden am heutigen Dienstag bis zu 5.000 Traktoren und 10.000 Bäuerinnen und Bauern erwartet, um gegen die neuen Beschlüsse der Bundesregierung zu protestieren.

Habeck zeigt Verständnis für Bauernproteste

Grünen-Chef Robert Habeck hat Verständnis für die Bauernproteste gezeigt – mahnte aber auch einen grundlegenden Kurswechsel in der Landwirtschaft an. „Der Protest zeigt das Versagen der deutschen Landwirtschaftspolitik auf. Alles, die Förderung, die Ausbildung, die Exportorientierung, die niedrigen, oft nicht auskömmlichen Preise, zwingt die Bauern, immer intensiver zu wirtschaften. Sie müssen wachsen oder weichen“, sagte Habeck den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Die gegenwärtige Art der Lebensmittelproduktion gefährde zunehmend sämtliche Lebensgrundlagen. „Deshalb sind ein schärferes Düngerecht, die drastische Reduktion von Pestiziden und mehr Tierwohl dringend nötig“, forderte der Grünen-Chef. Er rief die Bundesregierung zu einer in sich schlüssigeren Agrarpolitik auf. „Es ergibt wenig Sinn, die Bäuerinnen und Bauern einerseits zum Vollgasfahren zu animieren, sie andererseits aber zu zwingen, abzubremsen“, sagt e Habeck. Er forderte eine „systemische Umstellung“: Als Landwirt müsse man auch mit extensiven Bearbeitungsformen und einer anderen Tierhaltung auskömmlich wirtschaften können, so der Grünen-Politiker weiter. „Es braucht eine Neuausrichtung der europäischen Agrarförderung entlang von Nachhaltigkeit, ein Umbauprogramm für die Tierhaltung samt Reduktion der Tierzahlen und eine verbindliche Haltungskennzeichnung, damit Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, wofür sie bezahlen“, sagte Habeck den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. +++