Hochwasser: SPD bringt Aussetzen der Schuldenbremse ins Spiel

SPD will mehr Geld für Katastrophenschutz

Angesichts der angespannten Hochwasserlage in Deutschland erwägt die SPD das Aussetzen der Schuldenbremse. „Noch ist das gesamte Ausmaß der Flutschäden nicht absehbar, aber für genau solche Fälle haben wir die Möglichkeit, die Schuldenbremse auszusetzen, im Grundgesetz stehen“, sagte Dennis Rohde, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dem „Stern“. Daran habe auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nichts geändert.

„Ob wir diese finanzielle Dimension erreichen, werden wir jetzt genau prüfen.“ SPD-Chefhaushälter Rohde, dessen Wahlkreis Oldenburg-Ammerland im Flutgebiet liegt, sieht eine besondere Verantwortung des Bundes. „Es galt vor wenigen Jahren für die Menschen im Ahrtal und gilt auch heute: Die Menschen in den betroffenen Regionen können sich da auf den Bund verlassen“, sagte Rohde. In den Hochwassergebieten in mehreren Bundesländern zeichnet sich vorerst keine Entspannung ab. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnte vor Dauerregen in Teilen Deutschlands, der bis Donnerstagnacht anhalten soll. Das könnte die Lage in den betroffenen Regionen verschärfen.

SPD will mehr Geld für Katastrophenschutz

In der SPD-Fraktion sind Forderungen nach Verbesserungen und mehr finanziellen Mitteln für den Katastrophenschutz laut geworden. „Jahrelange Corona-Pandemie, Flutkatastrophe im Ahrtal und NRW sowie der andauernde Krieg in der Ukraine zeigen uns, dass wir den Themen Katastrophenschutz und Zivilschutz deutlich mehr Bedeutung und finanzielle Mittel zukommen lassen müssen“, sagte SPD-Innenpolitiker Ingo Schäfer der „Rheinischen Post“. Die Ampel-Koalition habe „erste Maßnahmen“ ergriffen, zum Beispiel bei der Ausstattung der Bundespolizei-Hubschrauber mit Seilwinden zur Rettung von Menschen aus der Luft. Zugleich sagte der SPD-Politiker, der im Innenausschuss für die SPD für die Themen Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zuständig ist, bei der Beschaffung der ergänzenden Ausstattung des Bundes für die Länder müsse man schneller und effizienter werden. Bund und Länder sollten in Zukunft gemeinsam Fahrzeuge des Katastrophenschutzes beschaffen. „Das würde die Planungssicherheit für die Behörden und Organisationen sowie für die Industrie erhöhen“, so Schäfer. Das Gemeinsame Kompetenzzentrum Katastrophenschutz müsse ausgebaut werden. „Auch beim Hochwasserschutz, zum Beispiel dem Deichbau, braucht es größere gemeinsame Anstrengungen von Bund und Ländern. Klar ist: Beim Katastrophenschutz müssen wir mehr investieren, weil das Thema 16 Jahre lang viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat“, so der SPD-Politiker weiter.

Union wirft Ampel Rückschritte beim Bevölkerungsschutz vor

Die Union hat der Bundesregierung Rückschritte bei der Neuausrichtung des Bevölkerungsschutzes vorgeworfen. „Die Ampel hat die von der Vorgänger-Regierung angestoßene Neuausrichtung des Bevölkerungsschutzes faktisch gestoppt, und zwar schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt“, sagte die Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, der „Rheinischen Post“. „Das ist unverantwortlich.“ Die Ampel spare an der falschen Stelle, kritisierte die CSU-Politikerin. Der Bevölkerungsschutz sei Kernaufgabe des Staates. „Die Forderung der Innenminister, in den nächsten Jahren 10 Milliarden Euro in den Zivil- und Katastrophenschutz zu investieren, ist weiter berechtigt. Daneben muss strukturiert eine zivile Reserve von freiwilligen Helfern aufgebaut werden, um im Notfall Hilfe noch rascher organisieren zu können“, so Lindholz weiter. „Deutschland hat beim Zivil- und Katastrophenschutz einen riesigen Nachholbedarf. Die Ausstattung und die Strukturen sind noch nicht auf die Auswirkungen des Klimawandels hierzulande und auf die veränderte Sicherheitslage in Europa ausgerichtet.“

Ökonomin Weber für Reform der Schuldenbremse

Die an der University of Massachusetts Amherst forschende Ökonomin Isabella Weber hat den Sparkurs der Bundesregierung infolge des Verfassungsgerichtsurteils als „wirtschaftspolitischen Wahnsinn“ kritisiert. In der gegenwärtigen Lage zu sparen sei makroökomisch nicht zu rechtfertigen und führe unter internationalen Ökonomen zu Kopfschütteln, sagte Weber dem „Tagesspiegel“. Zudem sei der Kurs schädlich im Sinne einer wehrhaften Demokratie. „Wenn die Bundesregierung jetzt nicht investiert, wird Deutschland als Wirtschaftsstandort Wettbewerbsfähigkeit verlieren“, sagte Weber. Deutschland riskiere, durch seine Sparversessenheit die wirtschaftliche Substanz des Landes weiter verfallen zu lassen und Wachstum abzuwürgen. Es gebe außerdem einen sehr klaren Zusammenhang zwischen dem Aufstieg von radikalen und insbesondere rechtsradikalen Parteien und Phasen von Austerität. „Die demokratischen Parteien Deutschlands müssten jetzt zusammenarbeiten, um den fiskalischen Spielraum zu sichern, der notwendig ist, um den Abstiegsängsten etwas entgegenzusetzen und dem Aufstieg der AfD Einhalt zu gebieten“, sagte Weber. Die in den USA lehrende Wirtschaftswissenschaftlerin spricht sich daher für eine Reformation der Schuldenbremse aus. „Die Schuldenbremse ist seit 14 Jahren eine Zukunftsbremse gewesen“, sagte Weber. Es sei allerhöchste Zeit, das Ruder herumzureißen. „Aktuell ist die FDP die entscheidende Stimme, die gebetsmühlenartig das Spargebot predigt“, kritisiert Weber. Gleichzeitig gelinge es weder den Grünen noch der SPD, eine standhafte Alternative aufzustellen. Auch die Union sieht die Ökonomin in der Verantwortung, „indem sie sich jetzt kooperativ zeigt, einen Weg aus der Misere zu finden“. Zudem fordert Weber trotz gesunkener Energiepreise eine Verlängerung der Preisbremsen. „Das vorzeitige Abschaffen schafft neue Unsicherheit, die Investitionen und privaten Konsum bremsen dürfte“, sagte die Wirtschaftswissenschaftlerin. Eine Abschaffung pünktlich zu den kältesten Monaten des Jahres sei zudem für das Vertrauen in den Staat inmitten einer Vertrauenskrise nicht förderlich. +++


Popup-Fenster