Die finanzielle Situation der hessischen Kommunen bleibt angespannt. Zwar stagnieren die Einnahmen auf hohem Niveau, doch gelten sie trotz jüngster positiver Steuerschätzungen mittelfristig als unsicher. Gleichzeitig steigen die Ausgaben erheblich. Zusätzlich belasten vielerorts marode Infrastrukturen, insbesondere Schulen und Bauwerke, die Haushalte. Die bereitgestellten 4,7 Milliarden Euro von Bund und Land können die Lage in den kommenden Jahren zwar abmildern, lösen die strukturellen Probleme jedoch nicht.
Im Gegenteil: Die Folgekosten neuer Investitionen schränken den künftigen Handlungsspielraum weiter ein. Experten mahnen deshalb zu langfristig tragfähigen Lösungen. Kommunen müssten kritisch prüfen, welche Aufgaben unverzichtbar sind, was zur eigenen Identität gehört und welche Erwartungen Bürgerinnen und Bürger an ihre Verwaltung haben. Parallel gelte es zu klären, was dauerhaft finanzierbar ist und welche Veränderungen nötig sind, um kommunale Leistungsfähigkeit zu sichern. Auch Bund und Land seien gefordert, sich an den eigenen Vorgaben finanziell zu beteiligen. Schon heute können viele Kommunen Herausforderungen nicht allein bewältigen und kooperieren über Gemeindegrenzen hinweg. Diese interkommunale Zusammenarbeit dürfte angesichts knapper Kassen und Personalmangel weiter zunehmen. Mittelfristig seien auch freiwillige Gemeindefusionen kaum vermeidbar. Der Rechnungshof und die Überörtliche Prüfung bieten dabei Unterstützung an.
Der Kommunalbericht 2025 umfasst drei Haushaltsstrukturprüfungen und zwei Fachprüfungen. Insgesamt wurden 71 kommunale Körperschaften einbezogen, darunter die bereits überregional bekannt gewordene Gemeinde Löhnberg. Das Prüfvolumen lag bei rund sechs Milliarden Euro. Insgesamt wurden Ergebnisverbesserungspotenziale in Höhe von rund 35,1 Millionen Euro identifiziert. Neben Haushaltsanalysen befasst sich der Bericht mit IT-Sicherheit, der Unterbringung geflüchteter Menschen und der Resilienz ausgewählter Kommunen. Ziel ist es, die kommunale Vorbereitung auf gegenwärtige und künftige Herausforderungen zu bewerten.
Defizite steigen rasant
Das Finanzierungsdefizit der kommunalen Kernhaushalte stieg 2024 auf -2,6 Milliarden Euro, nach -597 Millionen Euro im Jahr zuvor. Mehr als 80 Prozent der Kommunen verzeichneten ein Defizit. Besonders deutlich verschlechterte sich die Lage der Landkreise: Kein einziger Landkreis erzielte 2024 einen Finanzierungsüberschuss. Bundesweit wird für dieses Jahr ein kommunales Rekorddefizit von über 30 Milliarden Euro erwartet. In Hessen sind die Landkreise besonders betroffen, deren Einnahmen maßgeblich auf Kreis- und Schulumlagen beruhen. Steigen diese Umlagen weiter, dürfte dies die Finanzlage der kreisangehörigen Kommunen zusätzlich belasten.
Schulden steigen – Liquiditätskredite nehmen wieder zu
Die Investitionskredite der Kommunen erhöhten sich in den vergangenen fünf Jahren kontinuierlich und wuchsen 2024 um 1,1 Milliarden Euro auf 16,3 Milliarden Euro. Die Liquiditätskredite waren bis 2023 stark reduziert worden – nicht zuletzt durch die Landesprogramme Schutzschirm und Hessenkasse – stiegen jedoch 2024 sprunghaft auf 401 Millionen Euro. Der Gesamtschuldenstand der Kernhaushalte lag damit bei 16,7 Milliarden Euro. Außerhalb der Kernhaushalte bestanden weitere Schulden in Beteiligungen und ausgelagerten Bereichen in Höhe von 43,5 Milliarden Euro. Insgesamt summieren sich die kommunalen Schulden auf rund 60,2 Milliarden Euro. Hinzu kommen Eventualverbindlichkeiten von 4,1 Milliarden Euro.
Einnahmen steigen leicht, bleiben aber unsicher
Die bereinigten Einnahmen der kommunalen Kernhaushalte stiegen 2024 um 600 Millionen Euro auf 28,3 Milliarden Euro. Die Gewerbesteuer bleibt die bedeutendste kommunale Steuerquelle, ist jedoch regional stark unterschiedlich ausgeprägt. In 325 von 421 Kommunen übertraf der kommunale Anteil an der Einkommensteuer das Gewerbesteueraufkommen. Trotz hoher Steuereinnahmen warnt der Rechnungshof vor Risiken: Gewerbesteuern seien konjunkturabhängig und volatil. Der Einkommensteueranteil wiederum könne durch den demografischen Wandel sinken, wenn viele Erwerbstätige in den Ruhestand treten.
Ausgaben wachsen viermal so stark wie die Einnahmen
Die bereinigten Ausgaben stiegen 2024 um 2,5 Milliarden Euro auf rund 31,2 Milliarden Euro. Größte Ausgabeposten waren Sozialleistungen (7,8 Milliarden Euro) und Personalkosten (7,4 Milliarden Euro. Die Vielzahl kommunaler Aufgaben und teilweise selbst gesetzte Standards – etwa in der Kinderbetreuung – trieben die Kosten zusätzlich. Kommunen sowie Bund, Land und EU sollen deshalb die Anforderungen und Standards überprüfen, um finanzielle Belastungen realistisch zu gestalten.
Belastungen durch Geflüchtete bleiben hoch
Die Unterbringung geflüchteter Menschen beschäftigt Kommunen und Land seit über einem Jahrzehnt. 2023 unterstützte das Land die Kommunen mit zusätzlichen 50 Millionen Euro. Seit Februar 2024 werden Personen ohne geklärte Bleibeperspektive nicht mehr zugewiesen. Zudem erhöhte das Land die Pro-Kopf-Pauschalen um zehn Prozent und führte eine jährliche Steigerung von 1,5 Prozent ein. Der Rechnungshof empfiehlt flexible Unterbringungsverträge, um stärker auf schwankende Flüchtlingszahlen reagieren zu können. Bei den Erstattungen der Landkreise zeigten sich deutliche Unterschiede: Die Pauschalen lagen zwischen neun und zwölf Euro pro Person und Tag, teils sogar innerhalb eines Landkreises.
IT-Sicherheit mit Nachholbedarf
Die Untersuchung der IT-Sicherheit auf Basis eines BSI-Reifegradmodells zeigte, dass keine der geprüften Kommunen die Zielwerte erreichte. Zwar gab es positive Beispiele, etwa Maintal bei der Vorbereitung auf Cyberangriffe, doch insgesamt besteht großer Nachholbedarf. Mit zunehmender Digitalisierung steigen die Risiken. Der Rechnungshof empfiehlt insbesondere kleineren Kommunen, IT-Sicherheit gemeinsam im Rahmen interkommunaler Kooperationen auszubauen.
Resilienz und Zivilschutz an Schulen
Eine gemeinsame Prüfung mit dem Ukrainischen Rechnungshof ergab Defizite bei Schutzräumen, Notstromversorgung und Alarmierungssystemen in hessischen Schulen. Der Brandschutz hingegen war flächendeckend umgesetzt. Die Prüfenden verweisen auf den Abbau von Schutzstrukturen nach dem Ende des Kalten Kriegs, sehen jedoch nun dringenden Investitionsbedarf. Die Erfahrungen der Ukraine könnten dabei wertvolle Hinweise liefern.
Eklatante Probleme in Löhnberg und Kirchheim
Bereits seit 2019 ist die Gemeinde Löhnberg wegen schwerer Mängel in den Fokus geraten. Trotz Entschuldungshilfen hatte die Kommune den höchsten Schuldenstand im Vergleich. Fehlende Jahresabschlüsse, unzureichende Buchführung und Auslagerungen von Vermögenswerten erschwerten die Kontrolle der tatsächlichen Finanzlage. Im September 2023 drohte die Zahlungsunfähigkeit, der Bürgermeister trat zurück, ein Staatsbeauftragter übernahm die Leitung. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an. In Kirchheim bestätigten sich ebenfalls gravierende Missstände im Eigenbetrieb „Gemeindewerke Kirchheim“. Seit 2016 fehlen geprüfte Jahresabschlüsse, Belege und Dokumentationen. Die Abschlussprüfung musste abgebrochen werden. Die Gemeindevertretung beschloss die Auflösung des Eigenbetriebs zum Jahresende 2025.
Ausblick: Zukunftspakt 2025 soll Handlungsfähigkeit sichern
Trotz positiver Steuerschätzungen bleibt das Krisenumfeld bestehen und reduziert die kommunalen Spielräume. Ein weiterer Aufbau von Liquiditätskrediten müsse vermieden werden, da Zinsbelastungen künftige Haushalte stark belasten könnten. Für 2025 haben Land und Kommunen einen Zukunftspakt beschlossen. Ziele sind eine nachhaltige Verbesserung der Finanzen, eine effiziente Umsetzung des Bundes-Investitionsprogramms, Bürokratieabbau und die Stärkung kommunaler Selbstverwaltung. Die zusätzlichen Investitionsmittel müssten tatsächlich zusätzlich wirken und nicht bereits geplante Ausgaben ersetzen, heißt es.
Gesunde Kommunalfinanzen seien keine Selbstverständlichkeit, sondern Grundlage demokratischer Stabilität, betont der Rechnungshof. +++

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