Hessen strebt Vorreiter-Rolle beim klimafreundlichen Verkehr an

Schäfer-Gümbel: Bezahlbare Mobilität für alle

Tarek Al-Wazir
Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir

Wiesbaden. Hessen strebt die führende Rolle beim Übergang in eine zukunftsfähige Mobilität an. „Der Schlüssel dazu ist die intelligente Verknüpfung der Verkehrsträger mit Hilfe digitaler Technologie“, sagte Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir in einer Regierungserklärung im Hessischen Landtag. Es gehe um den „Aufbruch in ein anderes Verkehrssystem, das mehr Mobilität mit mehr Komfort und mehr Produktivität verbindet, aber weniger Belastungen verursacht“.

Al-Wazir begründete dies mit dem hohen Anteil des Verkehrs am Schadstoff- und Treibhausgasausstoß: „In Hessen beträgt der Anteil ein Drittel. Die Luftqualität in den Innenstädten ist ein Problem, Verkehrslärm verursacht Gesundheitsschäden, die fossilen Reserven sind endlich. Kurz gesagt: Das bisherige Verkehrssystem erweist sich zunehmend als Sackgasse.“ Die Mobilität von Menschen und Gütern sei eine der Grundvoraussetzungen wirtschaftlicher Dynamik und individueller Freiheit: „Wir wollen diese Mobilität sichern – schnell und klimafreundlich, für alle und auf Dauer.“ Die Ansätze eines solchen Systems seien bereits erkennbar, sagte der Minister. Fachleute erwarteten, dass autonom fahrende Fahrzeuge im Jahr 2035 völlig selbstverständlich seien und etwa bei Verkehrsverbünden gebucht werden könnten, dass E-LKWs und Lasten-Pedelecs für einen weitgehend schadstofffreien Lieferverkehr in den Innenstädten sorgen und Berufspendlern in den Ballungsräumen ein Netz von Fahrraddirektwegen zur Verfügung steht. Al-Wazir appellierte auch an die deutsche Autoindustrie, sich zu verändern: „Der Weltmarkt ändert sich gerade grundlegend. Wer die Produkte der Zukunft, vor allem umwelt- und klimafreundliche Elektrofahrzeuge, nicht liefern kann, der kann seine Position schnell verlieren.“

Schäfer-Gümbel: Bezahlbare Mobilität für alle

In der anschließenden Plenardebatte kritisierte Thorsten Schäfer-Gümbel, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, dass die Landesregierung wieder einmal große Worte für kleine Fortschritte gefunden habe. Was Schwarzgrün in der Verkehrs- und Mobilitätspolitik tatsächlich zustande bringe, stelle die Geduld der Bürgerinnen und Bürger Tag für Tag auf eine harte Probe. „Das Stauland Hessen hat schon heute nicht die Infrastruktur, die die Menschen und die Unternehmen hier brauchen. Die Straßen sind verstopft, in den Zügen stapeln sich die Pendler. Und daran werden auch die angeblich historischen Summen nichts ändern, mit denen die Landesregierung Verkehrspolitik simuliert. Das sind nur Tropfen auf heiße Steine, vor allem, wenn wir uns die nähere Zukunft anschauen: Allein für die Stadt Frankfurt sagen die Bevölkerungsprognosen in den nächsten 20 Jahren etwa 100.000 Einwohner mehr voraus. Der Ballungsraum Rhein-Main insgesamt, also das Gebiet von Bensheim bis Gießen und von Aschaffenburg bis Wiesbaden, muss sich auf 230.000 zusätzliche Einwohner einstellen. Die bestehende Straßen- und Schieneninfrastruktur wird unter einem solchen Bevölkerungswachstum schlichtweg kollabieren. Und von der Landesregierung kommt dazu nichts – kein Plan, keine Idee, nicht einmal an einen Problemaufriss traut Schwarzgrün sich heran. Da reicht es nicht, dass man eine schöne Welt im Jahr 2030 beschreibt.“

Schäfer-Gümbel forderte einen zügigen Ausbau insbesondere der Schienenverbindungen im Land. Dazu müssten die gesetzlichen Grundlagen für Planung und Bau von wichtigen Infrastrukturen so geändert werden, dass die entsprechenden Verfahren beschleunigt und rechtssicher umgesetzt werden könnten. Mehr Engagement verlangte der Oppositionsführer auch bei der Dekarbonisierung des Straßenverkehrs, also der Abkehr von fossilen Treibstoffen. Die fünf Millionen Euro im Jahr, mit denen die Landesregierung den Umstieg von Dieselbussen auf solche mit Elektroantrieb fördern wolle, reichten gerade einmal aus, um 25 Busse pro Jahr zu bezuschussen. „Bei über 3000 Bussen in Hessen würde es also 120 Jahre dauern, bis die gesamte Flotte auf E-Motoren umgestellt ist. Soviel zum Thema ‚Schwarzgrün fördert alternative Antriebe‘“, kritisierte Schäfer-Gümbel. Der SPD-Fraktionsvorsitzende warnte zugleich davor, sich bei der Suche nach emissionsfreien Antrieben allein auf den Elektroantrieb zu fokussieren: „Elektroautos, Elektrolastwagen und Elektrobusse sind nicht die Lösung aller Umweltprobleme – sie können angesichts der Ressourcen, die zum Beispiel für die Herstellung der benötigten Batterien eingesetzt werden müssen, ganz schnell zu einem neuen Problem werden. Deswegen muss hier technikoffen geforscht und getestet werden“, so Schäfer-Gümbel.

FDP: Innovations- und Technologieoffenheit statt Verbotswahn

Jürgen Lenders, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag: „Minister Al-Wazir und die schwarz-grüne Landesregierung müssen endlich damit aufhören, die Autofahrer zu verunsichern und den Diesel kaputt zu reden. Mit uns wird es hingegen sicher keine Fahrverbote für Innenstädte geben. Denn wir brauchen keine Schwarz-Weiß-Malerei und keine hysterischen Angstdebatten: Weder sind Dieselautos plötzlich Giftschleudern, noch sind Elektroautos die Inkarnation der klimapolitischen Reinheit. Fakt ist, dass die Stickoxidemissionen im Verkehrssektor seit 1990 um 70 Prozent gesunken sind. Fakt ist auch, dass der Diesel CO2-freundlicher ist, als der Benziner. Auch Elektroautos erzeugen Feinstaub und sind erst ab einer Laufleistung von 80.000 Kilometern beim CO2 gegenüber Verbrennungsmotoren im Vorteil. Nur finden sie aktuell keinen Hersteller, der eine so lange Laufleistung garantieren kann. Verbote einer Technologie sind jedenfalls genauso falsch wie staatliche Quoten für Elektroautos. Wir hingegen wollen Verbrennungsmotoren ökologisch verbessern und gleichzeitig die Elektromobilität mit marktwirtschaftlichen Instrumenten vorantreiben. Wir stehen für Innovationen und Technologieoffenheit, weil nicht der Staat entscheiden soll, wann und wie wir uns in Zukunft fortbewegen.“ +++