Innenminister Roman Poseck und der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen (LfV), Bernd Neumann, haben den Verfassungsschutzbericht 2024 vorgestellt. Der Bericht zeigt: Auch wenn die Zahl der Extremisten in Hessen leicht zurückgegangen ist, nimmt die Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu. Besonders deutlich wird dies an der Zunahme extremistischer Straftaten und Gewalttaten, die im Vergleich zum Vorjahr um 34 Prozent gestiegen sind und mit 2.527 Fällen einen Höchststand der vergangenen vier Jahre markieren.
Poseck betonte, dass Rechtsextremismus weiterhin die größte Gefahr für die Demokratie darstellt. Das extremistische Personenpotenzial stieg leicht auf 1.790 Personen, mehr als die Hälfte davon gilt als gewaltorientiert. Straftaten und Gewaltdelikte nahmen in diesem Bereich um 38 Prozent zu. Rechtsextreme Kräfte nutzen aktuelle Krisen und gesellschaftliche Spannungen, um Hass zu schüren und die Demokratie zu schwächen. Immer häufiger geraten auch Minderheiten wie die LGBTQ-Community in den Fokus rechtsextremer Angriffe, zuletzt bei einer CSD-Veranstaltung in Wetzlar.
Zugenommen hat auch die Bedeutung der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene. Deren Personenpotenzial liegt bei rund 1.250 und ist seit der Corona-Pandemie deutlich gestiegen. Der Minister hob hervor, dass vor allem Waffenbesitz in dieser Szene eine besondere Gefahr darstellt. 2024 wurden in Hessen 35 Extremisten entwaffnet.
Im linksextremistischen Spektrum ist das Personenpotenzial mit 2.600 konstant geblieben, allerdings erreicht die Zahl gewaltorientierter Linksextremisten mit 730 Personen einen neuen Höchststand. 155 Straftaten und Gewalttaten wurden im vergangenen Jahr registriert, ein Anstieg um zwölf Prozent. Neben Anschlägen auf staatliche Einrichtungen und Parteizentralen beobachtet der Verfassungsschutz zunehmend Verbindungen zu extremen Teilen der pro-palästinensischen Szene, die antisemitische Positionen vertreten.
Das islamistische Personenpotenzial in Hessen liegt unverändert bei 3.890 Personen, darunter 1.400 Salafisten. Die Zahl islamistischer Straftaten ging 2024 deutlich zurück, von 146 auf 57 Fälle. Dennoch stuft der Verfassungsschutz die Gefahr durch islamistisch motivierte Einzeltäter weiter als hoch ein.
Im Bereich des auslandsbezogenen Extremismus ist die Zahl der Anhänger von 3.795 auf 3.375 gesunken. Gleichzeitig stieg die Zahl der Straftaten um 150 Prozent auf 263 Fälle. Hintergrund waren vor allem pro-palästinensische Aktivitäten sowie Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.
Eine zunehmende Rolle spielt laut LfV-Präsident Neumann die Radikalisierung über soziale Medien. Besonders junge Menschen geraten immer schneller in extremistische Netzwerke. Der Verfassungsschutz spricht von „Turboradikalisierung“, bei der sich Radikalisierungsprozesse innerhalb weniger Wochen vollziehen können. Um gegenzusteuern, hat das Landesamt seine Präventionsarbeit ausgebaut und erreichte 2024 mit knapp 350 Veranstaltungen eine Rekordzahl.
Darüber hinaus weist der Bericht auf hybride Bedrohungen durch ausländische Nachrichtendienste hin. Diese versuchten, durch Desinformation und Cyberoperationen das Vertrauen in demokratische Institutionen zu erschüttern.
Innenminister Poseck und LfV-Präsident Neumann riefen dazu auf, demokratische Werte konsequent zu verteidigen. Poseck betonte, die Sicherheitsbehörden könnten diese Aufgabe nicht allein bewältigen. Es brauche auch eine klare Haltung der Gesellschaft gegen jede Form von Extremismus. Demokratie sei, so Poseck, ein „kostbares Gut, das es unermüdlich zu verteidigen gilt“. +++

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