Wie widerstandsfähig ist die Demokratie gegenüber wachsenden inneren und äußeren Gefahren? Und wie können Politik, Medien und Zivilgesellschaft extremistischen und ausländischen Einflussversuchen wirksam begegnen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des 26. Herbstgesprächs des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Hessen unter dem Titel „Demokratie unter Druck – Polarisierung, Populismus und Propaganda“. Mehr als 200 Gäste folgten der Einladung des LfV ins Museum Wiesbaden, wo sie mit Experten über Auswirkungen aktueller Entwicklungen auf Gesellschaft, Sicherheitsbehörden und Medien diskutierten. Unter der Moderation des Journalisten und Autors Thomas Kreutzmann nahmen Martina Rosenberg, Präsidentin des Bundesamts für den militärischen Abschirmdienst, Terrorismusexperte Michael Götschenberg und der Rechtswissenschaftler Prof. Markus Ogorek an dem Podium teil.
Hessens Innenminister Roman Poseck verwies auf die Belastungen durch internationale Konflikte wie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den Nahostkonflikt. Sie wirkten sich unmittelbar auf die Sicherheitslage in Deutschland aus. Cyberattacken, Spionage, Sabotage und Desinformation nähmen spürbar zu. Ziel sei es, die Gesellschaft zu spalten und das Vertrauen in staatliche Institutionen zu erschüttern. Poseck betonte, dass Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aus unterschiedlichen politischen und ideologischen Richtungen komme – von links, von rechts und aus islamistischen Milieus. Ausländische staatliche und staatsnahe Stellen sowie extremistische Gruppen verstärkten sich gegenseitig. Bots ermöglichten es zudem, automatisiert Inhalte zu verbreiten und Debatten zu manipulieren. Poseck appellierte an Politik und Bevölkerung, sich nicht spalten zu lassen: Der Staat sei wehrhaft, jedoch brauche es auch eine aktive Zivilgesellschaft, die sich täglich für die Demokratie einsetze.
LfV-Präsident Bernd Neumann erklärte, die Demokratie sei im Jahr 2025 so umfassend bedroht wie selten zuvor. Ausländische Nachrichtendienste versuchten intensiver denn je, Einfluss zu nehmen – über menschliche Quellen ebenso wie über hybride Methoden. Ausländische Akteure instrumentalisierten zunehmend Extremisten im Inland, was die Dynamik extremistischer Entwicklungen weiter beschleunige. Der komplexen Bedrohungslage müsse mit konsequenter Sicherheitsarbeit, wachem Blick und Entschlossenheit begegnet werden. Abstumpfung angesichts zahlreicher bedrohlicher Nachrichten dürfe es nicht geben.
Das LfV Hessen habe seine Arbeit in den vergangenen Jahren in verschiedenen Bereichen deutlich ausgeweitet. Die Behörde verweist darauf, dass seit Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 die Gefahren durch Spionage, Sabotage und Desinformation erheblich gestiegen seien. Vor allem von Russland gesteuerte Akteure hätten im vergangenen Jahr Cyberangriffe und -kampagnen genutzt, um prorussische Propaganda zu verbreiten und das Vertrauen in demokratische Institutionen zu schwächen. Als Beispiel nannte das LfV die Desinformationskampagne „Doppelgänger“, bei der gefälschte Internetseiten etablierter Onlinemedien erstellt und manipulierte Inhalte über soziale Netzwerke verbreitet worden seien. Solche Vorfälle zeigten, dass hybride Angriffe deutlich zugenommen hätten.
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel sei zudem die Zahl antisemitischer Vorfälle gestiegen. Auf hessischen Straßen und bei bundesweiten propalästinensischen Demonstrationen hätten deutsche und türkische Linksextremisten, säkulare palästinensische Extremisten und Islamisten den Angriff als angeblichen Akt des „Widerstandes“ gefeiert und Israel das Existenzrecht abgesprochen. Antisemitische Muster fänden sich daher inzwischen nicht nur im rechtsextremistischen Spektrum, sondern auch in Teilen der linksextremistischen Szene sowie in weiteren extremistischen Bereichen.
Als größte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung stuft das LfV weiterhin den Rechtsextremismus ein. In Hessen zählt die Behörde rund 1.800 Rechtsextremisten, davon 935 gewaltorientiert. Beide Zahlen seien im Jahr 2024 gestiegen, ebenso die Zahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten.
Zunehmend professionell trete Extremismus im digitalen Raum auf. Soziale Medien spielten eine zentrale Rolle bei der Verbreitung extremistischer Inhalte, insbesondere durch kurze, plakative Videos, die gerade jüngeren Nutzerinnen und Nutzern einen leichten Zugang ermöglichten. Radikalisierungsprozesse verlagerten sich immer stärker ins Netz. Um dem entgegenzuwirken, habe das LfV seine Öffentlichkeits- und Präventionsarbeit weiter ausgebaut: 2023 wurden 274 Präventionstermine verzeichnet, im vergangenen Jahr stieg die Zahl auf 348 – ein neuer Höchstwert. Die steigende Nachfrage präge die Arbeit des LfV als „Dienstleister der Demokratie“ zunehmend.
Weitere Informationen zu extremistischen Phänomenbereichen und sicherheitsrelevanten Entwicklungen enthält der aktuelle Verfassungsschutzbericht des Landes Hessen 2024. +++

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