HDE: Sonderurlaubstage mit Lebensmittelhandel nicht vereinbar

Führende Ökonomen kritisieren Corona-Beschlüsse

Die geplanten Regelungen für zusätzlichen Urlaub für vom anstehenden Lockdown betroffene Eltern sorgen im deutschen Handel für Sorge. Man brauche eine Not-Betreuung für die Kinder der Mitarbeiter in den Supermärkten, die zur kritischen Infrastruktur für die Versorgung der Bevölkerung gehörten, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes (HDE), der „Welt“. „Sonderurlaubstage lassen sich im Lebensmittelhandel nicht mit der Personalsituation vereinbaren.“

Zuvor hatten Bund und Länder vereinbart, Kitas und Schulen ab Mittwoch bis zum 10. Januar weitgehend zu schließen. Für betroffene Eltern sollen außerhalb der Weihnachtsferien „zusätzliche Möglichkeiten geschaffen“ werden, „bezahlten Urlaub zu nehmen“, heißt es in einem gemeinsamen Beschlusspapier. Aus dem Bundesarbeitsministerium hieß es, man arbeite derzeit mit Hochdruck an der Ausgestaltung. Die genauen Inhalte blieben abzuwarten. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mahnte eine umsichtige Ausgestaltung der Sonderregelungen an. Vorstandsmitglied Anja Piel begrüßte die im Beschluss angedeuteten Möglichkeiten zwar, forderte aber, dass diese jedoch keinesfalls auf Kosten bestehenden Urlaubsanspruchs gehen dürften. Es sei Zeit „für einen eigenständigen Freistellungsanspruch ohne Einkommenseinbußen, mit dem Beschäftigte rechtssicher auf pandemiebedingte Schließungen reagieren können“, sagte Piel der Zeitung. „Die Akzeptanz für Lockdownmaßnahmen hängt an solcher Unterstützung.“ Beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht man Auswirkungen auf die Unternehmen und damit auch auf die Wirtschaftsleistung vor allem bei einem längeren Lockdown. Bis zum 10. Januar werde das Thema Kinderbetreuung nicht so stark ins Gewicht fallen, da viele Familien ohnehin für die Zeit der Feiertage und Ferien damit geplant haben, sagte Claus Michelsen, Leiter der Konjunkturabteilung, der „Welt“. Aber wenn es länger gehe, werde es ins Gewicht fallen und auf die Wirtschaftskraft drücken. Beim DIW rechnet man derzeit – auch aus den Erfahrungen der Dynamik im Frühjahr – damit, dass der harte Lockdown bis Ende Januar gehen wird.

Führende Ökonomen kritisieren Corona-Beschlüsse

Führende Ökonomen des Landes haben scharfe Kritik an den jüngsten Beschlüssen im Kampf gegen die Corona-Pandemie geübt. Ihnen fehlt eine Idee der Politik, die über die kurzfristige Schließung von Geschäften und Schulen hinausgeht, berichtet die „Welt“ (Montagsausgabe). „Die Beschlüsse sollen die Überforderung des Gesundheitssystems verhindern. Kurzfristig mag dies wirken, für eine nachhaltige Eindämmung der Neuinfektionszahlen sind angesichts der Erfahrungen anderer Länder eher Zweifel angebracht“, sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), der Zeitung. Es fehle weiterhin an einer längerfristigen Strategie. Diese müsste von Befunden über die Wirksamkeit von Maßnahmen getragen sein und sich auf den Schutz vulnerabler Gruppen konzentrieren. Auch dem Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, fehlt ein Gesamtkonzept. „Wir können den harten Lockdown wirtschaftlich und gesellschaftlich nicht monatelang aushalten“, sagte er der „Welt“. Das Infektionsgeschehen werde wohl bis März mindestens problematisch bleiben. Es müsse deshalb endlich gelingen, vulnerable Personen, etwa in Altersheimen, wo sehr viele Infektionen erfolgen, wirksam zu schützen. „Das Schließen der Einkaufsstraßen hilft diesen Personen überhaupt nicht“, so Felbermayr weiter. Hier setzte auch ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann an: „Ich kritisiere die bisher viel zu geringe Energie bei der Testung von Alten- und Pflegeheimen. Da müsste Deutschland schon viel weiter sein“, sagte er der Zeitung. +++