Nachdem Finanzminister Christian Lindner (FDP) wegen verfassungsrechtlicher Bedenken über Teile des Bundeshaushalts noch einmal neu verhandeln will und Kürzungen im Sozialbereich vorschlägt, sieht die SPD-Bundestagsfraktion eine schwere Belastungsprobe für die Ampelkoalition. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wehrt sich insbesondere dagegen, dass das Parlament nun die Probleme lösen soll.
„Es ist unverantwortlich und im Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative bei der Haushaltsaufstellung einmalig, wenn dabei ein Teil der Bundesregierung die alleinige Verantwortung an das Parlament delegiert“, sagte Mützenich der „Süddeutschen Zeitung“. „Bereits in der Vergangenheit hat sich bei einigen Ressortchefs eine Haltung herausgebildet, Probleme und Ungereimtheiten dem Bundestag zu überantworten, ohne selbst Verantwortung tragen zu wollen“, sagte er in Richtung von Lindner, der wiederum Mützenich zum Risiko für das Fortbestehen der Koalition erklärt hat. Man könne Gesetzentwürfe nicht regelmäßig mit einem Sondervotum auf den Weg bringen oder vor den Beratungen Zweifel säen, so Mützenich. „Ich erwarte daher, dass die Regierung beim neuen Haushalt zu einer kompetenten und einvernehmlichen Entscheidung kommt.“ Dies wird in der SPD auch als Aufforderung an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verstanden, der sich trotz der Forderung aus Partei und Fraktion nicht gegen Lindner durchsetzen konnte, dass die Kosten durch den Krieg in der Ukraine von der Schuldenbremse ausgenommen werden, um so mehr Spielraum im Haushalt zu bekommen. Stattdessen schlug Scholz unter anderem Darlehensmodelle für Bahn und die Autobahn GmbH vor, sowie das Nutzen von Geldern aus der früheren Gaspreisbremse.
Lindner gab hierzu eine verfassungsrechtliche Prüfung in Auftrag, allerdings interpretiert die SPD-Fraktion das Hauptgutachten hierzu ganz anders als das Finanzministerium. „Obwohl das juristische Hauptgutachten die finanziellen Transaktionen im Kern für möglich hält, kommt das Ministerium zu der Auffassung, dass die verfassungsrechtlichen Zweifel überwiegen“, sagte Mützenich der SZ. „Wenn es rein fachliche Gründe für diese Auffassung gibt, dann müssen diese Fragen innerhalb der Bundesregierung ohne öffentliches Aufheben geklärt werden. Alles andere führt zur Verunsicherung und erweckt den Eindruck, dass hier Spielchen gespielt werden, die dem Ernst der Lage nicht gerecht werden.“ Es habe im Zusammenhang mit der abschließenden Vorlage des Haushaltsgesetzes „eine ungewöhnliche Kommunikation durch das Bundesfinanzministerium und den Finanzminister gegeben“.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht in den beiden Gutachten zum Bundeshaushalt 2025 ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen mehrere außergewöhnliche Maßnahmen der Ampelkoalition bekräftigt. „Unsere verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Haushaltsentwurf haben sich bestätigt. Bis zum 16. August muss die Regierung zeigen, wie sie das 17-Milliarden-Loch stopfen will“, sagte der Chefhaushälter der Unionsfraktion, Christian Haase, der „Rheinischen Post“. „Andernfalls müssen die Haushaltsberatungen verschoben werden“, sagte Haase. Mehrere Gutachter haben Teile der von der Ampel vereinbarten Manöver zum Stopfen des Haushaltslochs für rechtlich und wirtschaftlich nicht haltbar eingestuft.
Grüne mahnen Lindner in neuem Haushaltsstreit
Angesichts des neuen Gesprächsbedarfs zum Haushalt warnen die Grünen den Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor einem Sparkurs. „Ein Finanzminister kann nicht nur Vorschläge verwerfen, er muss Lösungen entwickeln“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch dem Nachrichtenportal T-Online. „Rechtlich und finanzpolitisch ist dafür ausreichend Spielraum vorhanden. Das zeigt auch das Rechtsgutachten, das von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde.“ Die Ampelkoalition muss die mühsam erzielte Einigung zum Bundeshaushalt 2025 aus Sicht des Finanzministeriums nachverhandeln. Das gehe aus einem ökonomischen und einem juristischen Gutachten zu Vorhaben hervor, mit denen die Bundesregierung eine verbliebene Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro halbieren wollte. Nach Meinung des Finanzministeriums muss es deshalb jetzt weitere Sparmaßnahmen geben, auch „zur Stärkung der Treffsicherheit der Sozialausgaben“. Grünen-Fraktionsvize Audretsch mahnte Lindner: „Wir können uns ein Kaputtsparen nicht leisten. Das wird es mit uns nicht geben.“ Klar sei, „eine Lösung darf weder auf Kosten des sozialen Zusammenhalts noch auf Kosten des Klimaschutzes gehen“, sagte Audretsch. „Kopf-in-den-Sand-Politik ist jetzt zu wenig.“
Haushaltsstreit: VdK-Präsidentin will Schuldenbremse lösen
Im Zuge möglicher neuer Haushaltsverhandlungen der Ampel-Koalition hat die Präsidentin des Sozialverbandes VdK vor Einschnitten gewarnt. „Kürzungen bei den Sozialausgaben sind absolut tabu“, sagte Verena Bentele den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Schon der jüngste Kompromiss habe Kürzungen im Bürgergeld und einen Griff in die Rentenkasse bedeutet. „Beim Gesundheitssystem und dem Pflegesektor gibt es ohnehin nichts zu holen. Sie sind schon jetzt unterfinanziert und unzureichend auf die demographischen Herausforderungen vorbereitet“, kritisierte Bentele. Die VdK-Präsidentin forderte mit Verweis auf Deutschlands niedrige Schuldenquote stattdessen, „endlich die Schuldenbremse zu lösen“. So könnten die kurzfristig erhöhten Ausgaben, die unter anderem durch die weltpolitischen Krisen entstanden seien, gedeckt werden. Zudem solle die Politik die Vermögenden in den Blick nehmen, forderte Bentele. +++