Hanau-Attentat: Kein Abschlussbericht vor der Landtagswahl

Ruhl: Vorwurf der Verschleppung ist schlichtweg absurd

Den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses „Hanau“ wird es mehr vor der Landtagswahl geben. Das teilte der Ausschussvorsitzende Marius Weiß (SPD) mit. Eine Plenardebatte über die Ergebnisse der Ausschussarbeit und deren Interpretation soll voraussichtlich erst in der Sitzung des Hessischen Landtags im Dezember erfolgen. Kritiker vermuten hier ein taktisches Manöver.  Die Regierungskoalition habe den Beschluss zur Verschiebung mit ihrer Mehrheit durchgesetzt, um die Sache zu verschleppen, heißt es von den Linken. Ziel sei es, „die Kette des Versagens der schwarzgrünen Innenpolitik vor dem Wahlkampf aus der Öffentlichkeit heraus zu halten“, so Saadet Sönmez, Obfrau der Linken im Ausschuss.

Hofmann (SPD): Regierungsfraktionen haben Angst vor der Erkenntnis

Heike Hofmann, Obfrau der oppositionellen SPD, kritisiert die spätere Vorlage.  „Der Untersuchungsausschuss hat sehr detaillierte Erkenntnisse über den genauen Ablauf des rassistischen Terroranschlags von Hanau, über Fehler der Sicherheitsbehörden vor und in der Tatnacht, über technisches Versagen und über den teilweise beschämenden Umgang mit den Opfern und ihren Angehörigen gewonnen. Die Gesamtschau dieser Erkenntnisse muss öffentlich gemacht und im Plenum des Hessischen Landtags diskutiert werden – und zwar vor der Landtagswahl am 8. Oktober. Der Mehrheitsbeschluss, die Plenardebatte über die Ergebnisse unserer Arbeit im Untersuchungsausschuss bis Dezember zu verschieben, ist skandalös. CDU und Grüne zeigen mit dieser Entscheidung erneut, dass ihnen parteipolitische Interessen wichtiger sind als Aufklärung und Transparenz. Die Regierungsfraktionen befürchten offensichtlich, dass die Einblicke in die Ereignisse vom 19. Februar 2020 ihnen im Wahlkampf schaden, deswegen spielen sie jetzt auf Zeit. Rückhaltlos aufzuklären, was in der Tatnacht von Hanau, aber auch davor und danach geschehen ist, ist für den Landtag der einzige Weg, Respekt vor den Opfern und deren Familien zu beweisen. Mit ihrem Beschluss, die Plenardebatte über Arbeit des Untersuchungsausschusses in die Zeit nach der Landtagswahl zu verschleppen, verweigern CDU und Grüne diesen Respekt. Gerade die Grünen müssen sich selbstkritisch fragen, wieviel politische Restwürde ihnen die Zusammenarbeit mit der CDU noch lässt.“

Müller (CDU): Es sollte nichts übers Knie gebrochen werden

Umfangreiche Nachbereitung des Polizeieinsatzes erfolgte zeitnah so Jörg-Michael Müller, Obmann der CDU-Fraktion im Untersuchungsausschuss. Er machte deutlich, dass die Kritik der Angehörigen insbesondere an der polizeilichen Kommunikation bei der Nachbereitung des Einsatzes von Hanau berücksichtigt worden sei. Müller fasst zusammen: „Die Arbeit der Stabsstelle Fehler- und Führungskultur zeigt, dass die hessische Polizei bereit und in der Lage ist, aus vergangenen Einsätzen zu lernen und Optimierungspotentiale zu nutzen. Der Einsatz in Hanau hat uns gezeigt, dass – auch wenn noch keine gesicherten Informationen vorliegen, die an Angehörige weitergeben werden könnten – zumindest Abläufe und Prozesse erläutert und verständlich gemacht werden müssen. Dies ist in der hochkomplexen Einsatzlage möglicherweise nicht ausreichend geschehen.“ Zu dem wichtigen Thema der Bewertung der Abläufe und polizeilichen Strukturen in der Tatnacht kam der Leiter einer der Arbeitsgruppen zu Wort, die seinerzeit den polizeilichen Einsatz nachbereiteten. „Festzuhalten ist, dass die Polizei bereits wenige Tage nach der Tat diese Arbeitsgruppe einrichtete, um die Abläufe zu analysieren und Verbesserungspotential zu erkennen.“ so Müller. „Wichtig ist, dass wir aus solchen Einsatzlagen lernen und in der Nachschau auch Probleme in der Einsatzbewältigung offen benannt werden. Genau dies ist im Rahmen der internen Einsatznachbereitung geschehen. Probleme in der Kommunikation und ähnliches müssen angegangen werden, ändern aber nichts daran, dass der Einsatz ordnungsgemäß und mit großem persönlichen Einsatz der Kräfte bewältigt wurde.“ Müller weiter: „Um den Abschlussbericht ordnungsgemäß abfassen und die Fragestellungen in der gebotenen Tiefe behandeln zu können, bedarf es Zeit. Diese Zeit muss sich der Ausschuss nehmen und sollte nicht übers Knie gebrochen aus wahltaktischen Gründen die inhaltliche Befassung abkürzen.“

FDP: Gemeinsames Handeln gerade im UNA Hanau wichtig

„Die Wähler haben ein Anrecht darauf, bereits vor der Wahl die jeweiligen Bewertungen der Fraktionen zu kennen. Dafür ist aber kein Abschlussbericht nötig. Die Fraktionen können ihre Einschätzungen auch anderweitig in den kommenden Plenardebatten präsentieren“, sagte der Obmann der FDP im Untersuchungsausschuss, Jörg-Uwe Hahn FDP. Hahn erwarte vom Berichterstatter der CDU, dass er eine faire, überparteiliche Berichtvorlage präsentiere. „Wir Freie Demokraten appellieren an alle Fraktionen, dass trotz der Differenzen im Verfahren eine Einigung beim Abschlussbericht erzielt werden muss. Insbesondere die Überlebenden und Angehörigen der Opfer haben ein Recht darauf, dass der Untersuchungsausschuss in einem objektiven Bericht seine Erkenntnisse notiert und Fehler beleuchtet. Es muss darüber hinaus aber auch festgehalten werden, wo bereits Verbesserungen erzielt werden konnten. Der Präsident des Polizeipräsidiums Westhessen, Felix Paschek, hat in der heutigen Sitzung des UNA Hanau dargelegt, wie viel sich in den vergangenen Jahren bereits in Sachen Kommunikation, Opferschutz sowie Fehler- und Führungskultur bei der Polizei getan hat“, betont Hahn.

Grüne: Fehlerkultur bedeutet auch, Fehler öffentlich zu benennen

Vanessa Gronemann, Obfrau der GRÜNEN im Ausschuss: „In der heutigen Sitzung hat sich der Untersuchungsausschuss mit der Thematik Bewertung der Abläufe, Strukturen und Versäumnissen und dem Veränderungsbedarf befasst und hierzu den Leiter der Stabstelle Fehler- und Führungskultur im hessischen Innenministerium, Polizeipräsident Westhessen Felix Paschek und den Verfasser des Berichts zur Nachbereitung des Anschlags Hanau aus dem Polizeipräsidium Südosthessen befragt. Viele der bereits öffentlich kritisierten Fehler sind ausweislich des Berichts zur Nachbereitung auch intern bereits kritisiert worden. Der Einsatz wurde seitens der eingesetzten Beamten zunächst als sehr chaotisch und mit einem anfänglichen Kräftedefizit beschrieben. Schwierigkeiten bereiteten vor allem die Kommunikationsprobleme und der Informationsfluss, dies führte dazu, dass wichtige Fahndungshinweise, auch zum Täterfahrzeug, nicht bei allen Kräften ankamen, insgesamt Informationen verloren gingen oder verzögert ankamen. Weiter war die Befehlsstelle in den ersten Stunden personell nicht vollständig besetzt und auch nicht vollständig ausgerüstet. Der Bericht empfiehlt insbesondere auch das Durchführen von Übungen und Erarbeiten von Ablaufplänen, weitergehende Rufbereitschaften, Optimierung der Funkkommunikation und Verbesserung der Ausstattung. Im Kontext eines rechtsterroristischen Anschlags halten wir es für sinnvoll, die Öffentlichkeit über diese interne Aufarbeitung zu informieren, was bislang aus unserer Sicht nicht ausreichend stattgefunden hat. Denn eine angemessene Fehlerkultur innerhalb der Polizei setzt Transparenz voraus und auch die Einnahme der Perspektive der Öffentlichkeit. Hier besteht aus unserer Sicht noch erheblicher Nachbesserungsbedarf. Weiter müssen erkannte Fehler nicht nur eingestanden werden, sondern es muss eine öffentliche Entschuldigung erfolgen. Schlussendlich muss auch Abhilfe geschaffen werden, damit diese Fehler in Zukunft vermieden werden.“

Ruhl: Vorwurf der Verschleppung ist schlichtweg absurd

„Unser ambitioniertes Ziel, noch vor der Sommerpause den Bericht im Plenum zu diskutieren, war leider nicht zu halten.“ erläutert Ruhl. „Hintergrund sind neben der langen Dauer bis zur Vorlage der Protokolle der Sitzungen vor allem die Vielzahl der erst mit Verzögerungen eingebrachten Beweisanträge einzelner Teile der Opposition, die oftmals unsinnige Doppelungen bei den Beweiserhebungen verursachten. Ein Zeuge ist zudem erst im Juli verfügbar, so dass erst nach seiner Vernehmung die Beweisaufnahme mit der Vernehmung von Staatsminister Beuth beendet werden kann.“ Ruhl weiter: „Die Abfassung des Berichtsentwurfs ist äußerst zeitintensiv. Der Umfang der bisherigen Beweisaufnahme spiegelt sich natürlich auch im Umfang der auszuwertenden Protokolle und wird sich letztlich auch im Umfang des Abschlussberichts widerspiegeln. Erst wenn die letzten Protokolle der Beweisaufnahmen vorliegen, kann auch der Berichtsentwurf fertiggestellt werden. Zudem stellt sich vor dem Hintergrund der stetigen Einbringung teils wenig zielführender weiterer Beweisanträge der Opposition die Frage, ob die Fertigstellung des Berichtsentwurfs von Einzelnen absichtlich boykottiert werden sollte. Nun den Vorwurf zu erheben, CDU und Grüne verschleppten die Ausschussarbeit, ist schlichtweg absurd“ stellte der Michael Ruhl, Berichterstatter des Untersuchungsausschusses fest.

Am 19. Februar 2020 hatte ein Mann in Hanau neun Menschen aus rassistischer Motivation getötet und anschließend auch seine Mutter erschossen. +++