Gynäkologische Versorgung im Landkreis Fulda: Korell wendet sich mit Offenen Brief an die KV

Korell widerstrebt Plänen der KV Hessen, halber gynäkologischer Arztsitz nach Neuhof zu verlagern

Bürgermeister Steffen Korell

Gersfeld (Rhön). In Korrelation des Sachverhaltes in der hessischen Gemeinde Neuhof im Landkreis Fulda einen gynäkologischen Arztsitz zu errichten, sei auch, wie es von Seiten des Bürgermeisters der Stadt Gersfeld (Rhön), Dr. Steffen Korell, in einer aktuellen Mitteilung an die Medien heißt, die Gesundheitsstadt Gersfeld beziehungsweise der Ostkreis betroffen. Im Zuge dieser Angelegenheit diskutiert man, den derzeit in Gersfeld eingerichteten, halben gynäkologischen Arztsitz dort abzuziehen und nach Neuhof zu verlagern. In dem, mit Unterschriften der Bürgermeister benachbarter Kommunen unterzeichneten Offenen Brief an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen heißt es:

Gynäkologische Versorgung im Landkreis Fulda;

Einrichtung eines gynäkologischen Arztsitz in der Gemeinde Neuhof

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Vorstandsvorsitzender Dastych,

mit Interesse und Besorgnis verfolge ich die Debatte um und die Initiativen der, bzw. in den, Kommunen Neuhof, Flieden, Hosenfeld und Kalbach und einiger lokaler Abgeordneter mit dem Ziel der Einrichtung eines gynäkologischen Arztsitzes in der Gemeinde Neuhof, im dortigen Gesundheitszentrum in der Bahnhofstraße 7.

Meine Besorgnis rührt daher, dass ich befürchten muss, dass im Zuge dieser Debatten auch der, derzeit in der Stadt Gersfeld (Rhön) eingerichtete, halbe gynäkologische Arztsitz in den Blick oder gar in den Fokus dieser Debatte geraten könnte und man fordern, oder in ihrem Hause entsprechende Überlegungen anstellen könnte, diesen, halben gynäkologischen Arztsitz aus der Stadt Gersfeld (Rhön) abzuziehen und in die Gemeinde Neuhof zu verlagern. Dem Vernehmen nach sei genau dies, nämlich die Verlagerung des halben gynäkologischen Arztsitzes aus Gersfeld nach Neuhof, sogar bereits beantragt.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Dastych, lassen Sie mich schon an dieser Stelle unmissverständlich klarstellen, dass ich solchen Überlegungen mit großer Vehemenz und aller Deutlichkeit widersprechen und nötigenfalls großen Widerstand gegen eine solche Entscheidung und ihre Umsetzung organisieren würde!

Ich kenne weder die Details der Debatten im Süden des Landkreises Fulda und auch nicht alle ihre, der Verortung von Arztsitzen zugrundeliegenden Gedanken, Möglichkeiten und Entscheidungskriterien. Nach §§ 73, 75 SGB V ist es jedoch auch und insbesondere ihre Aufgabe, eine flächendeckende haus- und fachärztliche Versorgung der Bevölkerung im Lande Hessen sicherzustellen. § 75 Abs. 1a S. 1 SGB V regelt, dass Ihr Sicherstellungsauftrag insbesondere eine angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung einer fachärztlichen Versorgung umfasst.
Ich spreche mich – und dies möchte ich deutlich betonen – keineswegs gegen die Einrichtung eines gynäkologischen Arztsitzes in Neuhof aus, sondern würde eine solche begrüßen. Ich halte die Einrichtung eines gynäkologischen Arztsitzes in Neuhof – wie generell der Einrichtung von (Fach-) Arztsitzen im ländlichen, sog. strukturschwachen Raum – für notwendig, sinnvoll und geboten.
Eine solche Entscheidung dürfte aber in keinem Falle zu Lasten einer ebenso ländlich geprägten Kommune, wie in diesem Falle der Stadt Gersfeld (Rhön), getroffen werden!

Die Stadt Gersfeld (Rhön) mit ihren ca. 5.600 Einwohnern ist heilklimatischer Kurort, Gesundheitsstandort der GWO und ein gewichtiges Gesundheitszentrum im Osten des Landkreises Fulda. Mein großes Bestreben ist es, die Stadt Gersfeld (Rhön) als Gesundheitsstandort weiter zu stärken und das medizinische Angebot hier vor Ort noch auszubauen; dies insbesondere im Hinblick auf die großen Herausforderungen, die uns die Sicherstellung einer adäquaten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum in Zukunft noch gemeinsam bereiten könnte und voraussichtlich bereiten wird. Nur beispielhaft möchte ich Ihnen hierzu Stichworte wie „Landärztemangel“, „alternde Bevölkerung“, und „Mobilität“ nennen.

Neben alternativmedizinischen Angeboten, einigen niedergelassenen Ärzten, Hebammen, einer Apotheke und einer orthopädischen Rehabilitationsklinik, betreibt das Klinikum Fulda in Gersfeld eine moderne und wirtschaftlich wie medizinisch gut florierende Zweigstelle. Baulich an diese angeschlossen, befindet sich ein Ärztehaus. Nach einer Zeit, in der es leider kein gynäkologisches Angebot in Gersfeld gab, werden in diesem, zu unserer großen Freude, nun wieder gynäkologische Leistungen angeboten; der oben beschriebene, halbe gynäkologische Arztsitz.
Ich weiß, dass die Stadt- und der Landkreis Fulda nach ihren Berechnungen und Statistiken frauenärztlich nicht unterversorgt sind. Zu dieser Betrachtung gehört aber auch die Tatsache, dass alle, in die Region vergebenen, frauenärztlichen Versorgungsaufträge – mit Ausnahme eines Sitzes in Künzell und eines halben Sitzes in Gersfeld – in der Stadt Fulda angesiedelt sind und, dass der Sitz in Künzell nach meiner Kenntnis bereits durch ein in Fulda ansässiges MVZ angekauft wurde.

Käme es zu einem Abzug dieses, halben Sitzes aus Gersfeld, würde der schon jetzt unterversorgte Gesundheitsstandort Gersfeld, der Ostkreis Fulda und auch der angrenzende bayrische Raum, in dieser Hinsicht massiv geschwächt. Patientinnen würden in ihrer medizinischen Versorgung und ihrer Lebensqualität sehr beeinträchtigt werden und müssten für eine frauenärztliche Behandlung wohl eine Reise nach Fulda in Kauf nehmen.

Nun ist es so, dass eine Zugreise von Gersfeld nach Fulda nach der Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn im Internet 43 Minuten beansprucht, wohingegen eine Zugfahrt von Neuhof nach Fulda in zehn Minuten zu erledigen ist. Der Online-Routenplaner „Google Maps“ errechnet für eine Fahrt mit dem Pkw von Neuhof nach Fulda eine Entfernung von 18,5 km und eine Fahrzeit von 20 Minuten, wohingegen für die Strecke von Gersfeld nach Fulda 26,7 km und 31 Minuten Fahrzeit angegeben werden. Mithin ist die Stadt Fulda aus der Gemeinde Neuhof sowohl durch Individualverkehr als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln wesentlich günstiger angebunden, als es die Stadt Gersfeld (Rhön) ist.

Nicht nur aus diesen Gründen appelliere ich an Sie einer Verlegung des halben gynäkologischen Sitzes aus Gersfeld nach Neuhof – oder an einen anderen Ort – in keinem Fall zuzustimmen!
Im Gegenteil. Mit „nur“ einem halben frauenärztlichen Sitz ist die Stadt Gersfeld (Rhön) und der angrenzende ostfuldische Raum wohl kaum ausreichend versorgt, weshalb die Zuweisung weiterer Versorgungsaufträge nach Gersfeld nötig wäre. Ich rege an dies wohlwollend zu prüfen und entsprechend zu handeln.

Auch bitte ich Sie dringend und fordere Sie auf, sich nach ihren Möglichkeiten dafür einzusetzen, die allgemein- und fachmedizinische Versorgung im ländlichen Raum weiterhin sicherzustellen, diese zu verbessern und einer Konzentrationswirkung – wie der oben beschriebenen – entgegenzuwirken. Von anderer Stelle wurde bereits angeregt, im Landkreis Fulda einen zweiten Planungsbereich zu schaffen. Bitte prüfen Sie auch dieses mit entsprechendem Weitblick und Wohlwollen.

Mit einer Vergabe von Versorgungsaufträgen in den ländlichen Raum und einer damit möglichen Ansiedlung von Ärzten in diesem, werden die medizinische Versorgung der dortigen Bevölkerung und damit deren Lebensqualität aufrechterhalten. Der ländliche Raum bleibt als Wohn- und Arbeitsort attraktiv – es wird unmittelbar und mittelbar Wirtschafts- und Strukturförderung betrieben und auch die Umwelt und Ressourcen werden geschont – indem Verkehre in die ohnehin schon stark verkehrsbelastenden Zentren vermieden werden.

Für Fragen oder Anmerkungen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und sende

freundliche Grüße aus Gersfeld (Rhön),

Dr. Steffen Korell Bürgermeister

Dieses Schreiben ergeht im Interesse der Patientinnen und Familien in der Stadt Gersfeld (Rhön), im Osten des Landkreises Fulda und auch im Sinne und mit Unterstützung meiner Bürgermeisterkollegen/-in Brigitte Kram (Gemeinde Ebersburg), Thomas Schreiner (Gemeinde Ehrenberg) und Manfred Helfrich (Gemeinde Poppenhausen (Wasserkuppe)). +++ pm/ja