Gutachten: Pflicht zum Gendern für alle Bürger verfassungswidrig

Die wesentliche Grenze ist demnach die Lesbarkeit

Laut Hans-Jürgen Papier, dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, wäre eine staatliche Normierung zur verbindlichen Verwendung von Gendersprache durch alle Bürger im privaten und gesellschaftlichen Bereich ein unverhältnismäßiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Sie wäre „damit verfassungsrechtlich unzulässig“, schreibt er in einem Gutachten im Auftrag der Theo-Münch-Stiftung für die Deutsche Sprache, über das die „Welt am Sonntag“ berichtet. Gleiches gelte für die Schulen.

Eine Verpflichtung zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache im schulischen Bereich sei „ebenfalls als nicht angemessen im Hinblick auf die verfolgten Ziele zu werten“ und somit „als verfassungsrechtlich unzulässig zu erachten“, heißt es im Gutachten. Das gelte „zumindest solange die Verwendung geschlechtergerechter Sprache sich nicht im allgemeinen Sprachgebrauch widerspiegelt“. Dies könne, trotz des Genderns im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und an Universitäten, „zum heutigen Zeitpunkt noch nicht angenommen werden“. Anders sieht es in der Rechts- und Amtssprache aus. Zwar ergebe sich aus dem Verfassungsrecht keine generelle Verpflichtung des Staates zur Verwendung von Gendersprache. Auch lasse „eine Nicht-Verwendung geschlechtergerechter Sprache die Verfassungskonformität staatlichen Handelns unberührt“.

Doch das Gutachten kommt zu dem Schluss, „dass die Verwendung geschlechtergerechter Amts- und Rechtssprache innerhalb der aufgezeigten Grenzen auch keinen Verstoß gegen das Grundgesetz darstellt“. Die wesentliche Grenze ist demnach die Lesbarkeit und Verständlichkeit der Rechtssprache. Bleibe die gewahrt, sei es „den rechtsetzenden Stellen“ selbst überlassen, „ob und wie sie eine geschlechtergerechte Sprache verwenden möchten“. Das gelte für den Bundesgesetzgeber, die Länder, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften erlassende Stellen oder die Hochschulen. In der Amtssprache staatlicher Einrichtungen, die sich zum  Beispiel per Verwaltungsakt „explizit an die individuellen Bürger“ richteten, sei „stets die korrekte geschlechterspezifische Anrede zu verwenden“. Das ergebe sich „aus dem persönlichen Achtungsanspruch und dem Selbstverständnis dieser Personen bezüglich ihrer selbst empfundenen Geschlechtszugehörigkeit“, die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt seien. +++