Gudrun Pausewang wird 90

„Unzufriedenheit ist kein guter Ratgeber“

Schlitz. Die sicherlich bekannteste (Ehren-)Bürgerin der Stadt Schlitz, Dr. Gudrun Pausewang, die mit bürgerlichem Namen Gudrun Wilcke heißt, wird am kommenden Samstag 90 Jahre alt. Mitunter ausschlaggebend für den großen Bekanntheitsgrad der Schriftstellerin, sind sicher ihre literarischen Werke „Die letzten Kinder von Schewenborn“ (1983) und „Die Wolke“ (1987) – für letzteren Roman, der bis heute oft in der Sekundarstufe I des Schulunterrichts gelesen- und diskutiert wird und sogar mit Franz Dinda und Paula Kalenberg in der Hauptrolle verfilmt wurde, sie 1988 mit dem „Deutschen Jugendliteraturpreis“ ausgezeichnet wurde – in denen Pausewang ihren langjährigen Wohnort „Schlitz“ im Vogelsbergkreis Handlungsort sein lässt.

2017 wurde Gudrun Pausewang, die 1998 mit ihrer Dissertation „Vergessene Jugendschriftsteller der Erich-Kästner-Generation“ an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. promovierte, mit dem „Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreis“ für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Ihr vorletztes Buch, „Heldengedenken?“, (gesprochen Heldengedenken – Fragezeichen) wurde am 07. Oktober 2015 im Fuldaer AltstadtCafé „MandelRose“ vorgestellt, wo es auch erworben werden kann. In diesem Buch setzt sich Gudrun Pausewang, Zeitzeugin des „3. Reichs“, mit der Bewusstseinsmachung auseinander. Es ist die Auseinandersetzung des Rezipienten mit dem Heldenbegriff, des Heldentodes, dieser in der Zeit der Hitlerdiktatur auf viele Soldaten prägend wirkte. Auch gibt die Autoren in Heldengedenken? Antwort darauf, wie es den Nazis gelungen war, Menschen in dieser Zeit rigoros zu manipulieren. „Wie wir als Kinder Hitler und das, was Hitler gemacht hat, für gut befanden, das haben die Nazis überzeugend hingekriegt“, so die damals 87-Jährige bei der Vorstellung von Heldengedenken?.

Gudrun Pausewang hat viele ihrer Werke gesellschaftlich und politisch kommentiert, wurde dabei aber nie von einer lähmenden Resignation erfasst: „Ich traue den Menschen sehr viel zu – im Guten, wie im Bösen –  und ich hoffe, dass das Gute überwiegt. So habe ich die Hoffnung, dass es der Mensch doch noch eines Tages schafft, auf den Krieg zu verzichten.“

Gudrun Pausewang: „Für mich ist es das Wichtigste, dass meine Botschaft gehört wird!“

Verleger Karl-Heinz Balon, Gudrun Pausewang und Joseph Dehler auf der Frankfurter Buchmesse 2016 (v.l.)Gudrun Pausewang trug mit vielen ihrer verlegten Romane, in denen sie klare, politische Botschaften sendete, dazu bei, dass bei den Menschen, die sich mit der Quintessenz ihrer Werke auseinandersetzten, wieder eine Haltung, ein Bewusstsein über bestimmte Ist-Zustände entsteht. Die Leidenschaft für das Schreiben kam dabei bei der preisgekrönten Autorin nicht von ungefähr. Schon als Vorschülerin habe sie sich vorstellen können, ihre vielseitigen, musischen Interessen sowie ihr Gegebenes, nämlich phantasievolle Geschichten zu erfinden und zum Ausdruck zu bringen, zum Beruf zu machen. „Immer, wenn ich von einem Erwachsenen gefragt wurde, was ich denn später einmal werden möchte, antwortete ich ‚Geschichtenerfinderin’“, so Gudrun Pausewang im Interview mit fuldainfo in 2014. Spürbar damals bei unserem Gespräch, war auch die Sorge der damals 86-Jährigen, dass heutzutage viele, zum Begreifen unserer Geschichte wichtige, politische Bewegungen offenbar schon vergessen sind. „Heute spricht kaum mehr jemand von der Friedensbewegung oder der Anti-Atomkraftbewegung. Es ist traurig, dass so wichtige Themen gänzlich in Vergessenheit geraten“, so Pausewang in unserem, damals geführten Interview weiter.

Dr. Gudrun Pausewang und der Bürgermeister der Stadt Schlitz, Hans-Jürgen Schäfer

Bei einer literarischen Schaffensperiode über Jahrzehnte, war der heute 90-Jährigen vor allem eines ganz wichtig: „Für mich ist in meinen Büchern wichtig, dass meine Botschaft-, was ich sagen möchte oder auch woran ich Kritik übe, bei den Menschen Gehör findet. Für mich ist entscheidend, kommt die Botschaft rüber. Das ist das Wichtigste für mich.“

Bürgermeister Schäfer: „Pausewangs Bücher sind ein gewichtiger Teil in einem ganzen Spektrum.“

Anlässlich des 90. Geburtstages von Gudrun Pausewang sind wir mit dem Bürgermeister der Stadt Schlitz, Hans-Jürgen Schäfer, in Kontakt getreten und haben ihm ein paar wenige Fragen zu der Bedeutung von Gudrun Pausewangs literarischem Schaffen in Bezug auf die Stadt Schlitz zugesendet. In dem Antwortschreiben an unserer Redaktion heißt es von Seiten des Bürgermeisters: „Die beiden, von Ihnen genannten Bücher („Die letzten Kinder von Schewenborn“, 1983 und „Die Wolke“, 1987) und insbesondere auch die Verfilmung von ‚Die Wolke‘, 2006, haben in der Tat einen besonderen Bezug zu der Stadt Schlitz. Frau Dr. Wilcke hat mit diesen Büchern eine breite Öffentlichkeit über die Gefahren der Atomkraft sensibilisiert und sicherlich darüber auch einen Diskussionsprozess in Gang gesetzt. In ihren, vielen Lesungen und Vorträgen hat Frau Dr. Wilcke auch ein jüngeres Publikum erreicht, das sich anschließend kritisch mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Wir haben mittlerweile die Energiewende als politisches Postulat und wollen in Deutschland weg von der Atomkraft. In wie weit die Bücher von Frau Pausewang dazu beigetragen haben, lässt sich schwer beurteilen. Ich bin sicher, sie sind ein gewichtiger Teil in einem ganzen Spektrum. In unserer städtischen Bibliothek gibt es eine große Sammlung ihrer Werke – ich bin mir nicht sicher, ob sie angesichts ihrer Schaffenskraft vollzählig ist. Meines Wissens, hat die bibliothekarische Gesellschaft in Fulda eine entsprechende Sammlung. Schlitz wirbt bereits mit dem Zusatz ‚Burgenstadt‘. Wir versäumen aber keine Gelegenheit, um auf Frau Dr. Wilcke, unserer Ehrenbürgerin, hinzuweisen, die ich auch regelmäßig besuche. So werde ich ihr auch an ihrem 90. Geburtstag die Ehre erweisen und ihr die Glückwünsche der Stadt Schlitz überbringen.“

Normalerweise sieht Frau Pausewang in ihrem hohen Alter von der Beantwortung von Interviewfragen ab. Für uns hat sie anlässlich ihres 90. Geburtstages eine Ausnahme gemacht.

Gudrun Pausewang: „Wenn wir es nicht schaffen, begründeten oder unbegründeten Ängsten entgegenzuwirken, wird es keinen dauerhaften sozialen und militärischen Frieden geben!“

In einem kleinen Fragekatalog konfrontierten wir die 89-Jährige mit der Frage, worin sie glaube, die Gründe dafür liegen, dass sie ihr beachtliches Alter von am Samstag 90 Jahren bei bester Gesundheit erleben kann.

Gudrun Pausewang: Vielleicht sind es die Gene […] Aber sicher hat es auch nicht geschadet, dass unsere Generation nicht im Überfluss aufgewachsen ist.

fuldainfo: Welche Zeit in Ihrem Leben hat Sie am Allermeisten geprägt?

Gudrun Pausewang: Am Meisten hat mich meine Kindheit und Jugend im Sudetenland geprägt; Ebenso – mein knapp dreizehnjähriger Aufenthalt in Südamerika.

fuldainfo: Was würden Sie gerne Ihren Enkelkindern mit auf ihren Lebensweg geben und wünschen?

Gudrun Pausewang: Ich wünsche ihnen, dass ihr Aufenthalt auf unserer Erde und der ihrer Kinder und Enkel noch lebenswert ist.

fuldainfo: Sie verfolgen, wie wir wissen, sehr genau die bundesdeutsche Politik. Wie schätzen sie diese – gemessen an einer lebenswerten Zukunft künftiger Generationen ein und was würden Sie besser machen?

Gudrun Pausewang: Ein Problem, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, ist nicht der bundesdeutschen Politik geschuldet, sondern entsteht durch die zunehmende Unzufriedenheit vieler Mitmenschen in unserer übersättigten und ungerechten Gesellschaft. Wenn wir es nicht schaffen, begründeten oder unbegründeten Ängsten entgegenzuwirken, wird es keinen dauerhaften sozialen und militärischen Frieden geben.

Vortrag in der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda

Am Dienstag, den 13. März 2018, referiert in der Zeit von 19:30- bis 20:30 Uhr Dr. Uwe Jahnke auf Einladung der Freunde und Förderer der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda e.V. anlässlich des 90. Geburtstages von Gudrun Pausewang im Lesesaal der Hochschul- und Landesbibliothek Fulda (Heinrich-von-Bibra-Platz 12, 36037 Fulda) in einem Vortrag unter dem Titel „Lateinamerika im Leben und in der Literatur Gudrun Pausewangs“ über die früheren Südamerika-Romane der Autorin. +++ jessica auth

Im Video: Am 6. August 2013 ließ die damals 85-Jährige, mehrfach preisgekrönte Schriftstellerin, Gudrun Pausewang, auf der blauen Couch im AlstadtCafé "Mandelrose" in Fulda im Gespräch mit der Germanistin, Dr. Elisabeth Ott, ihr Leben und ihre schriftstellerische Arbeit Revue passieren.