Großenlüder: Scheidender Bürgermeister gewährleistet geregelte Amtsübergabe

Fritzsch: Ich nehme das Wahlergebnis mit einer großen Demut entgegen

Werner Dietrich (parteilos)

In der Gemeinde Großenlüder im Landkreis Fulda wurde am gestrigen Sonntag ein neues Gemeindeoberhaupt gewählt. Der fast 60-jährige Amtsinhaber, Werner Dietrich (parteilos), war nach über 30-jähriger Tätigkeit kommunalpolitischen Engagements – darunter 12 Jahre als hauptamtlicher Bürgermeister der Kommune – nicht mehr zur Wahl angetreten. Zur Wahl stellten sich mit dem 41-jährigen Marco Herbert (CDU-Fraktionsvorsitzender der Gemeindevertretung Großenlüder) und dem 38-jährigen Florian Fritzsch (SPD-Fraktionsvorsitzender der Gemeindevertretung Großenlüder), der bei der Wahl aber als parteiloser Kandidat angetreten war, nach Bürgermeister Dietrich „zwei ausgewiesene Verwaltungsexperten“. Am Ende lag Florian Fritzsch mit 55,24 Prozent der Wählerstimmen knapp vor seinem Kontrahenten (44,76 Prozent) und konnte den Sieg auf sich vereinen. Die Wahlbeteiligung von rund 63 Prozent deutete der scheidende Bürgermeister als klarer Sieg für die Demokratie, die auch in Zeiten von Corona nicht zum Erliegen gekommen sei.

„Bürgermeisterwahlen in der Gemeinde Großenlüder waren stets spannende Wahlen“, stellte der scheidende Bürgermeister der Gemeinde Großenlüder, Werner Dietrich (parteilos), am Sonntagabend im Kultursaal des Stiftskapitularischen Amtshauses in Großenlüder heraus. Nebenstehend dankte er Herrn Möller und Frau Schneider von der Gemeinde stellvertretend für alle Wahlhelferinnen und Wahlhelfer im Rathaus. Dietrich weiter: „Wir haben eine Wahl, die dank vieler Wahlhelferinnen und Wahlhelfer transparent – und vor allem auch gut durchführbar zu einem Ergebnis geführt hat.“ Im Vorfeld des Wahlabends hatte sich Bürgermeister Dietrich mit einem persönlichen Schreiben an die beiden Kandidaten auf das Amt des Bürgermeisteramtes, Florian Fritzsch und Marco Herbert, gewendet. Der scheidende Bürgermeister dankte darin den beiden Fraktionsvorsitzenden dafür, dass sie den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde Großenlüder „eine fachkundige Auswahl“ geboten zu haben.

Dietrich: „Demokratie verteilt keine Karten über gut oder besser!“

„Heute gibt es zwei Sieger“, sagte er. „Einen Sieger, der die Mehrheit der Wählerstimmen auf sich vereinigt und einen zweiten Sieger, der die zweithöchste Stimmenzahl auf sich vereinigt.“ Für Dietrich steht fest: „Bei Wahlen gibt es keinen Verlierer!“ Dietrich weiter: „Zuallererst gewinnt die Bürgerschaft, die Demokratie, weil sie in einer freien Wahl über die Menschen bestimmen kann, die sie an ihrer Spitze sehen möchte.“ Dies sei nach Bürgermeister Dietrich aber keine Wertung: „Ich als Bürgermeister bleibe bei meiner Haltung, dass ich beide – sowohl Herrn Fritzsch als auch Herrn Herbert – für ausgezeichnete Verwaltungsexperten halte, die diese Gemeinde gut übernehmen können. Am Ende jedoch – und das bringen Wahlen so mit sich – muss eben eine kleine Stimmenanzahl darüber entscheiden, wer die Geschicke einer Kommune leiten darf. Das ist Demokratie, aber sie verteilt damit keine Karten über gut oder besser.“ Weiter sagte er: „Mit der heutigen Wahl haben Sie beide einen Vertrauensvorschuss erhalten, jedoch keinen Freibrief. Ab jetzt beginnt die Arbeit, das Vertrauen, das man in Sie gesetzt hat, zu rechtfertigen. So sagte mir damals bei meiner Wahl zum Bürgermeister dieser Gemeinde meine Ehefrau: ‚Du hast noch gar nichts erreicht; Du hast nur ein paar Prozente mehr! Ab jetzt musst Du unter Beweis stellen, dass Du es kannst.‘“

„Dabei geht es aber nicht darum, ob es die einzelne Person kann, sondern darum, was der Einzelne im Stande ist, für die Gemeinschaft zu erreichen?!“ An Herbert und Fritzsch adressiert sagte Dietrich: „Wenn dieses Bestreben in Ihrer beider Haltung ist – Sie sind beide Kommunalpolitiker mit Leib und Seele; So habe ich Sie als Fraktionsvorsitzende kennengelernt – und Sie dieses Ziel zum Wohle der Gemeinde beibehalten, dann wird auch der heutige Wahlabend nichts an der Situation von Großenlüder beeinflussen können.“ Weiter führte Dietrich aus: „Es gibt bei einer Bürgermeisterwahl eine Personenentscheidung. Das ist so! Ich bleibe dabei: Auch ich habe bei meiner Wahl erfahren dürfen, dass es eine Zuspitzung gibt.“ Herbert und Fritzsch gab Dietrich deshalb mit auf den Weg: „Sie müssen all das, was im Wahlkampf wahr, zur Seite legen. Es führt zu nichts. Auseinandersetzungen bedeuten, dass wir darüber streiten, wer der Bessere sein könnte. Am Ende jedoch streiten wir um das Beste für Großenlüder. Und das – und darum bitte ich Sie beide – muss das Ziel für Sie beide bleiben.“

Am 4. April 2021 endet Dietrichs Amtszeit als Bürgermeister der Gemeinde Großenlüder. Der Wechsel im Rathaus werde sich nach dem scheidenden Bürgermeister „um Ostern“ ereignen. Dann werde sich der scheidende Bürgermeister „an die Seite seiner Frau“ begeben, die ihn, so Bürgermeister Werner Dietrich gestern Abend, sein „halbes Leben“ nicht zu Gesicht bekommen hat“ und demnach oft auf ihn verzichten musste. Abschließend ging Dietrich in seiner Rede noch einmal auf das Wahlergebnis der Bürgermeisterwahl ein, dieses „sicherlich eine Momentaufnahme“ sei. An den designierten Bürgermeister Fritzsch gerichtet, sagte er: „Ab jetzt müssen Sie dieses Ergebnis rechtfertigen. Der Wahlabend ist nun vorbei. Sie werden wahrscheinlich erst Morgen realisieren, was überhaupt passiert ist. Das braucht Zeit.“ Nach Bürgermeister Dietrich sei aber gar nicht mal so viel passiert. Bis auf die Tatsache, dass nach seiner Wahrnehmung das Wahlergebnis die Demokratie gestärkt habe. Die Wahlbeteiligung von fast 63 Prozent zeige demnach, „dass trotz Corona die Menschen ein enormes Interesse an dieser Bürgermeisterwahl gezeigt haben – sie wollten Mitbestimmung, egal wie und unter welchen Auflagen.“

Lob für sehr fairen Umgang im Wahlkampf

Weiter ging Bürgermeister Werner Dietrich am Sonntagabend auf den „sehr fair gestalteten“ Wahlkampf ein. „Es war ein sehr fairer Wahlkampf“, sagte er. Und weiter: „Ein Wahlkampf, der im Zeichen von Beschränkungen stattgefunden hat. Sie haben unter schwersten Bedingungen Wahlkampf führen müssen. Die überaus große Fairness, mit der Sie in den Wahlkampf gegangen sind und mit der Sie diesen beschritten haben, spricht für Sie beide.“ Zu den Haushaltsberatungen, die demnächst anstehen, sagte Dietrich: „Wir werden ja jetzt demnächst im Dezember den Haushalt der Gemeinde beraten – und es sieht ganz danach aus, dass wir einen recht ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Ich wünsche mir, dass wir mit dem morgigen Tag den Blick wieder auf das richten, was uns als Einwohnerinnen und Einwohner dieser Gemeinde, vor allem als Politiker, so auszeichnet: den Blick auf Großenlüder, die Menschen dieser Gemeinde, die Unternehmen, die Landwirte, die Vereine und Verbände, zu richten. Auf die haben wir unseren Blick zu richten und auf sonst nichts.“

Am Ende seines fast 20-minütigen Redebeitrages blieben Bürgermeister Werner Dietrich nur noch Glückwünsche: „Ich gratuliere Ihnen beiden für das Ergebnis, das Sie erzielt haben. Ich gratuliere Ihnen beiden für die Zeit des Vorwahlkampfes, die ich als fair, prägend und höchst anständig einordnen kann. Ihnen, Herr Fritzsch, gratuliere ich dafür, dass Sie heute die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnten; Ihnen, Frau Fritzsch, gratuliere ich ebenfalls, auch wenn Sie Ihren Mann jetzt weniger sehen werden, aber ich verspreche Ihnen, Sie werden ihn sehen. Sie werden ihn ein Stück weit entbehren müssen – und Sie werden ihn auffangen müssen, denn Großenlüder ist in der Tat eine lebendige Gemeinde, und das meine ich im Positiven wie auch im manchmal Anstrengenden. Aber das ist es doch, was eine Gemeinde auszeichnet. Der Gemeinde danke ich dafür, dass sie der Demokratie in einer so hohen Zahl einen Vorschub gegeben hat. Corona zwingt uns nicht dazu, Demokratie zu reduzieren, Corona hat uns alle aufgefordert, Demokratie zu wahren, vor allem diese wahrzunehmen.“

Wertschätzende Worte für Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung

Seinem Nachfolger bot Bürgermeister Dietrich gestern die geregelte Amtsübergabe an, diese bedeute, dem designierten Bürgermeister Einblick zu gewährleisten und auf das, was jetzt kommt, vorzubereiten, auch wenn das scheidende Gemeindeoberhaupt „noch unglaublich viel Resturlaub“ habe. „Sie entscheiden, wann Sie auf mich zukommen; Und das ohne Ihnen damit sagen zu wollen, wo es jetzt langgeht oder was als erstes in Angriff genommen wird. Ich will Ihnen damit nur sagen, dass wir Ihnen im Vorfeld zur Verfügung stehen.“ Abschließend sagte er zu seinem Nachfolger: „Herr Fritzsch, Sie können auf die Mitarbeiter und Amtsleiter dieser Gemeinde in allen Bereichen zurückgreifen, die alle eine hohen Kompetenz auszeichnet –  manchmal im Fachlichen sogar eine höhere Kompetenz als der Bürgermeister selbst.“

Der Bürgermeisterkandidat und CDU-Fraktionsvorsitzende in der Gemeindevertretung, Marco Herbert, zum Wahlausgang: „Ich freue mich für Florian und ich freue mich, dass der Wahlkampf jetzt ein Ende hat und dass es einen Gewinner gibt! Ich bin davon überzeugt, dass Florian diese Aufgabe sehr gut machen wird und ich wünsche ihm für seine Arbeit alles erdenklich Gute. Persönlich bin ich schon etwas enttäuscht; Ich hätte mit ein paar Prozenten mehr gerechnet, aber es ist in Ordnung. Ich freue mich aber auch für Florian und gönne es ihm. Am Ende – so ist das bei Wahlen – kann es nur einen Sieger geben. Wir sind als Kollegen auf freundschaftlicher Basis in den Wahlkampf gegangen und für uns war von vornherein klar, dass wir diesen auch fair gestalten möchten. Ich freue mich auf die Zukunft. Ich bleibe natürlich in der Gemeindevertretung und werde mich in der nächsten Periode auch wieder zur Wahl stellen. Und dann holen wir gemeinsam das Beste für Großenlüder, zum Wohle ihrer Bürgerinnen und Bürger raus.

Der designierte Bürgermeister der Gemeinde Großenlüder, Florian Fritzsch, zum Wahlausgang: „Ich freue mich sehr über das Wahlergebnis und über das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ich nehme das Wahlergebnis aber auch mit einer großen Demut entgegen, weil ich natürlich weiß, in einer Gemeinde mit über achteinhalb tausend Einwohnern sind das vielfältige Aufgaben, die auf mich zukommen werden. Ich bin froh und dankbar, dass Herr Dietrich heute Abend auch noch mal erwähnte, dass er eine geregelte und gute Amtsübergabe gewährleistet; Davon bin ich überzeugt. 2020 war für mich persönlich ein sehr herausforderndes Jahr, aber genauso auch ein sehr bereicherndes Jahr. Der Wahlkampf, der ja in der Pandemie stattgefunden hat, hat einen so manches Mal an seine psychischen – aber auch physischen Grenzen – gebracht. Ich bin froh, dass mit dem heutigen Wahlergebnis eine gewisse Last von den Schultern fällt. Jetzt gibt es ein paar Tage des Durchatmens, des Durchschnaufens, dann will ich mich natürlich mit allen Themen so eng und tief wie möglich vertraut machen. Ich habe keine Bedenken, dass ich nicht die nötige Unterstützung von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der jeweiligen Abteilungen der Gemeinde bekommen werde. Das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten hoffentlich gut einpendeln, damit es im April 2021 dann so richtig zur Sache gehen kann. Für Marco Herbert und mich war schon im Vorfeld des Wahlkampfes klar, dass wir einen ehrlichen und fairen Wahlkampf führen wollen und auch unser freundschaftliches Verhältnis beibehalten werden. Das können wir, das haben auch die vergangenen Wochen gezeigt.“ +++ jessica auth