Große Ausstellung 2015: „Die Rhön. Geschichte einer Landschaft“

Fulda. Die Rhön als Natur- und Kulturlandschaft stand im Mittelpunkt einer öffentlichen Tagung in Fulda. Zahlreiche Fachleute aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen gingen in Vorträgen und Diskussionen der Frage nach, was die Rhön zu einer unverwechselbaren Landschaft unter den deutschen Mittelgebirgen macht. Die Zusammenkunft, an der auch zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger aus der Region teilnahmen, diente der Vorbereitung einer großen Rhön-Ausstellung im Jahre 2015.

Seit der Fuldaer Mediziner Dr. Joseph Schneider im Jahre 1816 die „Beschreibung des hohen Rhöngebirges“ als schmales Werk im Druck vorlegte, auf das 1826 der erste Band der Zeitschrift „Buchonia“ folgte, ist die wissenschaftliche-literarische Beschäftigung mit der Rhön in vollem Gange. Inzwischen gibt es eine Fülle von Versuchen, die Rhön geologisch, topographisch, statistisch, wirtschaftlich, volkskundlich oder einfach nur populär touristisch zu beschreiben. Für den Einzelnen ist die inzwischen fast schon inflationär angewachsene Rhönliteratur nicht mehr zu überblicken. Diese Feststellung gilt für die interessierten Laien wie für die Fachgelehrten gleichermaßen. Der Blick auf die gesamte Rhön wird nicht nur durch die Vielzahl der inzwischen angesammelten Erkenntnisse und die Aufsplitterung auf zahlreiche Wissensgebiete erschwert, sondern vor allem dadurch, dass die politische Dreiteilung des „Landes der offenen Fernen“ einem grenzübergreifenden Forschungsansatz und Erfahrungsaustausch allzu oft im Wege steht.

Mit diesem Problem sahen sich auch die die Kuratoren einer umfassend angelegten Ausstellung konfrontiert, die unter dem Namen „Die Rhön. Geschichte einer Landschaft“ vom 1. Juli bis 1. November 2015 im Vonderau Museum in Fulda zu sehen sein wird. Die Gruppe der Ausstellungsmacher um Museumsleiter Dr. Gregor Stasch, Kulturamtsleiter Dr. Thomas Heiler, den Stadt- und Kreisarchäologen Dr. Frank Verse und den Fachbereichsleiter an der städtischen Volkshochschule Dr. Udo Lange kam zu dem Schluss, dass nur durch die Einbeziehung der aktuellen Forschungsergebnisse aus Bayern, Hessen und Thüringen die Erstellung einer sinnvollen Ausstellungskonzeption möglich ist.

Dies war der Anlass für die Stadt Fulda in Kooperation mit dem Landkreis und dem Fuldaer Geschichtsverein zu einem dreitägigen Symposium in das „Forum Kanzlerpalais“ einzuladen. Oberbürgermeister Gerhard Möller konnte zur Eröffnung der Veranstaltung nicht nur zahlreiche Referentinnen und Referenten aus drei Bundesländern begrüßen, sondern freute sich auch über eine große Anzahl interessierter Bürgerinnen und Bürger, die der Einladung gefolgt waren. Inhaltliche Klammer der insgesamt 17 Vorträge war die Beschreibung der Natur- und der Kulturlandschaft der Rhön in ihrer wechselseitigen Durchdringung von der Vor- und Frühgeschichte bis zur unmittelbaren Gegenwart. Der Bogen der Referate spannte sich von neuen geologischen Erkenntnissen über die Entstehung der Rhön (Prof. Dr. Heiner Flick), deren Stellenwert innerhalb der mitteleuropäischen Kulturlandschaft (Dr. Thomas Gunzelmann), die Siedlungsgeschichte der Rhön aus namenkundlicher Sicht (Diana Ascher M.A.), das Neustädter Becken als frühmittelalterlicher Zentralraum (Petra Wolters M.A.) bis hin zu historischen Überblicksdarstellungen zu den Herrschaftsträgern und Territorien in der Rhön während des Mittelalters (Dr. Heinrich Wagner) und der Frühen Neuzeit (Dr. Berthold Jäger). Aus der beruflichen Praxis berichteten Dr. Thomas Büttner über die Erfassung der historischen Kulturlandschaft in der Bayerischen Rhön, Dipl. Ing. Eva Kohlmann über den Rhöner Fachwerkbau sowie Dr. Sabine Fechter, die Leiterin des Fränkischen Freilandmuseums in Fladungen, über eine derzeit dort laufende Sonderausstellung über den Fotografen Hermann Eckert und die Anfänge des Tourismus in der Rhön.

Auf großes Interesse stießen auch die Vorträge aus dem Bereich der Vor- und Frühgeschichte. Dr. Irina Görner referierte über die Hügelgräberbronzezeit im Fuldaer Becken und der Rhön, während Landeskonservator Dr. Andreas Thiedmann über archäologische Untersuchungen an der Ferngasleitung „Midal-Süd Loop“ in der vorderen Rhön berichtete. Der öffentliche Abendvortrag von Dr. Thomas Grasselt (Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie) über „Kelten in der Rhön?“ rief im Hinblick auf eine keltische Besiedlung der Rhön zu einem vorsichtigeren Umgang bei der Interpretation von Einzelfunden auf.

Unter dem Motto „Gegenwart und Perspektiven“ war die letzte Sektion der Tagung zusammengefasst. Hierbei beleuchtete der Militärhistoriker Dr. Helmut Hammerich die Entwicklung des Fulda Gap vom Brennpunkt zum Erinnerungsort des Kalten Krieges. Torsten Raab, Leiter der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats, betonte die Bedeutung der Reservate für eine nachhaltige Entwicklung von gewachsenen Kulturlandschaften in einer von Überproduktion und Urbanisierung gekennzeichneten Industrie- und Freizeitgesellschaft. Auch an kritischen und nachdenklichen Tönen im Hinblick auf die künftige Entwicklung der Rhön fehlte es nicht. Professor Eckhard Jedicke zeigte in seinem Vortrag über „Die Rhön als Hotspot der Biodiversität“ an zahlreichen Stellen auf, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit beim Schutz der Natur- und Kulturlandschaft immer wieder auseinanderklaffen, eine Feststellung, die auch Ewald Sauer bei seinem Rückblick auf 30 Jahre Artenschutz in der Rhön trotz der unbestreitbaren Erfolge treffen musste. Auf die teils dramatischen Veränderungen durch den Bevölkerungsschwund in zahlreichen Gegenden der Rhön wies schließlich Bruno Günkel, Leiter des Fachdienstes Wirtschaftsförderung bei der Kreisverwaltung Fulda, in einem sehr eindringlichen Beitrag über „Demographische Perspektiven der Rhön“ hin.

Einig waren sich am Ende der drei Tage alle Beteiligten in der Erkenntnis, dass allein schon die fächer- und länderübergreifende Diskussion unter all jenen, die sich der Rhön fachlich, heimatlich oder touristisch verbunden fühlen, ein erster Schritt zu einer verstärkten Zusammenarbeit bei der Erforschung und Erhaltung der Rhön als bedeutender Kulturlandschaft war. Es bleibt nun an den „Machern“ der geplanten Ausstellung die zahlreichen Anregungen in eine Gesamtschau umzusetzen, die von der Bevölkerung der Region wie auch von den zahlreichen Besuchern der Rhön mit Freude und Gewinn besucht wird. Die auf der Tagung gehaltenen Vorträge werden in einem Mitte des kommenden Jahres erscheinenden Begleitband zur Ausstellung nachzulesen sein. +++ fuldainfo