Graf Otto von Botenlauben schreibt mit Gräfin Beatrix Geschichte

Ein Traumpaar des Mittelalters

Texttafeln auf dem Burgareal lassen etwas von der Persönlichkeit des Ritters und Minnesängers Otto von Botenlauben erahnen.

Als Ritter, Kreuzfahrer, Minnesänger, „Herzensbrecher“ und Klostergründer macht er sich zu seiner Zeit einen Namen: Otto von Botenlauben (*wahrscheinlich 1175 oder 1177 auf Burg Henneberg – +1244 bei Bad Kissingen). Längst ist die Erinnerung an diesen außergewöhnlichen Mann verblasst. Zu Unrecht. Denn die Geschichte des Sohns des Würzburger Burggrafen Boppo VI. und seiner Frau Gräfin Sophia von Andechs-Meranien, übrigens einer Verwandten der heiligen Elisabeth von Thüringen und der heiligen Hedwig von Schlesien, ist alles andere als farblos. Für Hollywood hätte das bunte, bewegte Leben dieses Henneberger Grafen – und das seiner für damalige Verhältnisse geradezu emanzipiert wirkenden Frau aus französischem Hochadel – wahrscheinlich den Stoff für ein packendes Kino-Epos geboten.

Gold und Silber

Der junge Otto, dem die Welt seiner Kissinger Heimat viel zu eng wird. Der kampfeslustige Haudegen, der auszieht, im „Morgenland“ Ruhm und Ehre zu suchen. Und schließlich der erfolgreiche Adlige, der mit der ebenso reizenden wie reichen Beatrix, Tochter des Schatzmeisters des Königs von Jerusalem, sowie den beiden Söhnen Heinrich und Otto wieder auf die Burg in seiner rauen fränkischen Heimat zurückkehrt. Vermutlich mit „Wagenladungen voll Gold und Silber“ und ganzem Tross für den „fürstlichen Hausstand“, wie Werner Vogel, Vorsitzender des Heimatvereines Botenlauben Reiterswiesen e.V. im gleichnamigen Kissinger Stadtteil, das außergewöhnliche Ereignis beschreibt. Eine perfekte, ja geradezu märchenhafte Geschichte. Erst recht in unseren Tagen.

Ein anderer Otto

Bad Kissingen heute, da denken die meisten allerdings unweigerlich zu allererst an die herausragende über 200jährige Bädertradition des Kurorts. An gekrönte Häupter. Oder an herausragende Politiker wie Reichskanzler Otto von Bismarck. Mit den erhaltenen Wohnräumen des Kanzlers im Museum in der Oberen Saline, dem Bismarck-Turm sowie seinem überlebensgroßen Denkmal im Kurpark ist der große Preuße im Stadtbild Kissingens bis heute allgegenwärtig. Und Otto? Lediglich die Ruine seiner Burg mit den Resten zweier mächtiger Türme ist geblieben. Wer er wohl war, dieser Ritter und Minnesänger? Was Text-Tafeln auf dem Burgareal nur ansatzweise verraten, bringt seine Grabplastik (und die seiner Gattin) in Frauenroth dem aufmerksamen Betrachter spürbar näher: den Menschen Otto. Stolz wirkt der von einem mittelalterlichen Künstler meisterhaft „Portraitierte“. Verhalten hingegen die schöne Beatrix, deren zartes Gesicht noch im Tod ein sanftes Lächeln zu umschmeicheln scheint. Der anderen, der romantischen Seite des Grafen können Otto-Begeisterte in seinen Liedtexten begegnen. Nur 13, leider ohne Melodien, haben sich in mittelalterlichen Liedsammlungen wie der Carmina Burana, dem Codex Manesse oder der Weingartner Liederhandschrift erhalten. Ottos Gefühlswelt lässt Autor Christian Kirchen in einem Beitrag des Goethe-Instituts mit folgenden Worten erahnen: Waere Kristes lôn niht also süze / sô enlieze ich niht der lieben frouwen mîn, / Die ich in mînem herzen dicke grüeze: / si mac vil wol mîn himelrîche sîn, / Swâ diu guote wone al um den Rîn. / Wäre Christi Lohn nicht so süß/ so verließe ich nicht meine liebe Frau/die ich in meinem Herze grüß:/ sie kann mein Himmelreich sein/ Wo immer die Gute auch wohne am Rhein. (Kreuzlied Otto von Botenlaubens, zitiert und übersetzt nach Hucker).

Kulturschock

Vor über acht Jahrhunderten ist es aber ein „anderer Otto“, um beim Bild zu bleiben, der von sich reden macht: nämlich der Herr von Botenlauben. Weil ihm „die heimatliche Burg zu klein geworden war“, wie Lothar Metz, zweiter Vereinsvorsitzender, erläutert, sei Otto im Zuge des Kreuzzugs Kaiser Heinrichs VI. 1197 auf die gefährliche Reise ins „heilige Land“ aufgebrochen. Eine Region im östlichen Mittelmeerraum, die seiner fränkischen Heimat in vielerlei Hinsicht um Längen voraus war. Für den jungen Mann müsse das ein „Kulturschock“ gewesen sein. Ein Wechselbad der Gefühle wie heute vielleicht ein „Flug zu den Wolkenkratzern von Dubai“, vermutet Metz. Als Ritter habe sich der Graf im Morgenland verdingt, wo er sich im Laufe der Zeit wohl auch den Ruf eines „Haudegens“ erworben hat. Gemeinsam mit den Heimatfreunden setzen sich Vogel und Metz dafür ein, „Otto wieder mehr ins öffentliche Rampenlicht“ zu rücken. Verdient hätte er es, der einstige Burggraf. Und selbstverständlich auch Gattin Beatrix, die Tochter Joscelins III. von Courtenay. Denn statt durch angemessene Heirat in der Adelshierarchie noch weiter aufzusteigen, lässt die selbstbewusste junge Frau lieber ihr Herz sprechen. Nicht Wilhelm von Lusignan (Bruder des damaligen Königs von Jerusalem Guido von Lusignan, der übrigens die Stadt an Sultan Saladin verlieren soll), dem sie bereits als Kind versprochen worden ist, gibt sie das Ja-Wort. Sondern Otto im Jahr 1205. Mit Beatrix, die der wortgewandte Ritter und Minnesänger liebevoll sein „Gold aus Syrien“ nennt, verwaltet er einen beachtlichen Besitz. 46 Orte „inklusive Rechte, Einkünfte und Geldlehen“ umfassen laut Vogel die „Seigneurie de Josecelin“ genannten Erbgüter der Gräfin im heutigen Libanon. Zu diesen gehört auch die berühmte Hafenstadt Akkon in Galiläa mit ihrer Königsburg, wo das Paar viele Jahre verbringt.

Deutschen Orden unterstützt

Fast zwei Jahrzehnte hält sich Otto im heiligen Land auf, bevor beide 1220 dem Ort ihres frühen Glücks den Rücken kehren. Über die Gründe „kann trefflich spekuliert werden“, meint Vereinsvorsitzender Vogel. Haben Otto und Beatrix vielleicht rechtzeitig erkannt, wie problematisch inzwischen die Lage der Christen in den Kreuzfahrerstaaten, „umgeben von muslimischem Feindesland“, geworden war? Oder „unterstütze das adlige Paar mit Geld und Ländereien den Aufbau eines bewaffneten Ritterordens innerhalb des ursprünglich nur geistlichen Deutschen Ordens“?

Papst und Kaiserin bezeugen

Fest steht: Für „7.000 Silbermark und 2.000 sarazenische Byzantiner“ aus Gold
wird der morgenländische Besitz des Grafenpaares an das „Deutsche Haus zu Jerusalem“ (Deutscher Orden) verkauft. Nach heutigen Maßstäben ein Millionenbetrag. Als Zeugen des Vertragsabschlusses sind laut Vogel neben etlichen Baronen unter anderem Johann von Brienne, der König von Jerusalem sowie der Großmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, anwesend. Selbst Papst Honorius III. und 1226 sogar Kaiserin Isabella, die Frau des legendären Stauferkaisers Friedrich II. werden im Zusammenhang mit der Bestätigung des Verkaufs genannt.

Schleier auf Rosen

In Ritanswiesen (Reiterswiesen) oberhalb von „Kizziche“, so Kissingens ursprünglicher Name, sorgt das reiche Grafenpaar für den Ausbau der bis dahin bescheidenen Burg, nach der sich Otto 1206 benennt. „Staufische Quader“ bezeugen noch immer, wie aus „Botos Laube“ (einem einfachen Haus mit Laubenumgang) eine stattliche, repräsentative Anlage gewachsen ist.14 Jahre nach ihrer Rückkehr schlägt das adlige Paar jedoch noch einmal ein neues Kapitel in der bewegten Familiengeschichte auf. 1234 verkaufen Otto und Beatrix ihren inzwischen stattlichen Stammsitz, um im nicht weit entfernten Frauenroth ein Zisterzienserinnenkloster zu gründen. Ein fortgewehter Schleier der Gräfin, der auf einem Rosenstrauch landet, soll der Legende nach ausschlaggebend für die Wahl des Standorts gewesen sein. Faktisch wohl noch entscheidender ist, dass keiner der beiden Söhne das elterliche Erbe antritt. Heinrich wird Kanoniker in Würzburg. Otto lässt seine Ehe mit Adelheid von Hildenburg auflösen. Beide können so ihren weiteren Lebensweg in klösterlicher Abgeschiedenheit beginnen. 1231 wird mit dem Klosternbau in Frauenroth begonnen, für den sich das Grafenpaar Stück um Stück von Burg und Landbesitz trennt. Als Otto 70-jährig 1244 stirbt, wird er in der Klosterkirche beigesetzt. Im Folgejahr verstirbt auch die zehn Jahre jüngere Beatrix. Das Leben eines „Traumpaars“ des Mittelalters ist zu Ende. Vereint liegen Otto und Beatrix heute im Chorraum der erhaltenen Klosterkirche von Frauenroth. Zwei lebensgroße Plastiken eines unbekannten Künstlers schmücken ihr Grab. Sie sind in ihrer künstlerischen Perfektion so eindrucksvoll und ausdrucksstark, dass sie nach Vogels Worten „in einem Zug genannt werden können mit den Stifterfiguren im Naumburger Dom und dem Bamberger Reiter“.

Ideale verkörpert

Was macht aus Vogels Sicht das Besondere Ottos von Botenlauben aus? Als Minnesänger, Kreuzfahrer und Klostergründer verkörpere er die Ideale des Mittelalters. Seine große Glaubenstiefe spiegelt sich in der Gründungsurkunde des Klosters wider, in der es heißt: „Siehe, es kommt der ewige Herr und Gott, der die Grenzen des Erdreichs gründete. Er ruft uns mit des Erzengels Stimme und mit der letzten Posaune zu jener allgemeinen Versammlung, auf dass er allen den Lohn erteile, den sie verdienen. Glücklich daher und vielfach gesegnet die, welche sorgen Gutes zu säen in der Gegenwart, um in der Zukunft zu ernten.“ Gedanken aus ferner Zeit, die doch irgendwie so zeitlos nah sind.

Infos über den Verein und (Jubiläums-)Aktivitäten: Vor 800 Jahren kehrten Otto und Beatrix heim

1984 hat der Kissinger Stadtteil Reiterswiesen sein 750-jähriges Bestehen feiern können. Im Jubiläumsjahr gründet sich der Heimatverein, dessen Mitglieder die Geschichte des Dorfes, der Burg, vor allem aber auch des Burgherrn Otto von Botenlauben lebendig erhalten möchten. Neben der Heimatstube, dem „Ritanswieser“ Burgtheater oder dem Heimatblatt sind es die „Botenlauben-Festspiele“ in der Burgruine, die den Ritter und Minnesänger wieder mehr in den Fokus rücken sollen (www.botenlauben-festspiele.de). 2020 hätte der Verein gerne unter anderem mit einem Theaterstück die Rückkehr Ottos mit seiner Familie vor 800 Jahren aus dem Orient auf die Burg oberhalb von Reiterswiesen feiern wollen. Als Folge der Corona-Pandemie musste das Mittelalter-Festival ausfallen. Für 2021 ist Programm ist so gut wie komplett. Deshalb hoffen die Verantworltichen die Jubiläumsfeier unter dem Motto „800 Jahre – die Botenlauber zurück vom heiligen Land“ in diesem Jahr nachholen zu können. Der Termin vom 17. bis 19. September ist bereits vorsorglich reserviert. Sofern ein abgeflautes Pandemiegeschehen es überhaupt zulässt, könnten Gäste an diesem Veranstaltungswochenende dann Minnesängerwettstreit, Minnekonzert, Ritterkämpfe, Nachmysterium, Freilichttheater oder höfische Tänze auf Burg Botenlauben erleben. Als besonderes Highlight soll die Urkundenunterzeichnung nachgestellt werden, die die Rückkehr Ottos und Beatrix auf die heimische Burg besiegelt. Aktuelle Infos über die Homepage der Festspiele. +++ ms