GKV-Vize richtet Pflegereform-Appell an „Ampel“-Parteien

Finanzlage der Pflegekassen entwickelt sich besser als erwartet

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat von den Ampel-Parteien gewaltige Investitionen und Reformen für die gesetzliche Pflegeversicherung gefordert. „Die Probleme sind so gravierend, dass sie keinen Aufschub mehr dulden“, sagte der Vize-Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Gernot Kiefer, dem „Handelsblatt“. „Nicht zu handeln ist keine Option.“ Es sei unstrittig, dass ausreichend qualifiziertes und besser bezahltes Personal eine Voraussetzung für gute Pflege sei. „Dafür wird die Pflegeversicherung in den kommenden Jahren viele neue Milliarden von einer möglichen Ampel-Regierung benötigen.“

Es gebe viel zu tun – etwa bei den Finanzen der Pflegeversicherung, den steigenden Eigenanteilen und den Bedingungen für Pflegekräfte. Ohne eine Reform seien „ungebremste Beitragserhöhungen“ die Folge. „Das aber wird keine Koalition vier Jahre lang durchhalten, da das Defizit in der Pflegeversicherung beträchtlich ist.“ Kiefer forderte unter anderem, dass sich der Bund stärker an Ausgaben beteiligt, die nicht zum Kern der Aufgaben einer Pflegeversicherung gehören, etwa den Ausgaben für Rentenbeiträge für pflegende Angehörige. Diese betrügen im kommenden Jahr alleine über drei Milliarden Euro. Außerdem brauche es eine Reform des Eigenanteils. „Die neue Koalition muss die Eigenanteile sozial ausgewogen deutlich nach unten fahren“, forderte Kiefer. „Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Pflegebedürftigen sollte bei der Bemessung des Eigenanteils eine zentrale Rolle spielen.“ Menschen mit niedrigem Einkommen hätten später einen höheren Bedarf an staatlicher Unterstützung als Gutverdienende. Fraglich sei, ob die Sozialgarantie zu halten ist, nach der die Sozialversicherungsbeiträge die Marke von 40 Prozent nicht überschreiten sollen. „Ich bin unsicher, ob die politisch formulierte Sozialgarantie selbst bei steigenden Bundeszuschüssen in den kommenden Jahren aufrechterhalten werden kann.“

Finanzlage der Pflegekassen entwickelt sich besser als erwartet

Neuen Berechnungen des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zufolge entwickeln sich die Finanzen der Pflegekassen in diesem und dem kommenden Jahr besser als erwartet. Das sagte der Vize-Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Gernot Kiefer, dem „Handelsblatt“ weiter. „Insgesamt werden die Pandemie-Ausgaben der Pflegeversicherung in diesem Jahr statt sechs nur fünf Milliarden Euro betragen“, so Kiefer. „Nicht zuletzt durch den Corona-Bundeszuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro kommen wir bis zum Jahresende 2021 gerade so über die Runden. Hier kann ich vorerst Entwarnung geben.“ Im kommenden Jahr stünden dann Einnahmen von 52,62 Milliarden Euro Ausgaben von 54,48 Milliarden Euro gegenüber. Daraus ergebe sich ein Defizit von 1,86 Milliarden Euro, in denen allerdings noch keine Corona-Ausgaben berücksichtigt seien. „Das ist ebenfalls besser als wir es vor einigen Monaten erwartet hatten“, sagte Kiefer. „Dies liegt vor allem auch daran, dass sich die Einnahmen durch die deutlich stärker anziehende Konjunktur besser entwickeln.“ Das bedeute aber nicht, dass sich die neue Regierung zurücklehnen könne, im Gegenteil, so der GKV-Vize. „Die Stabilisierung der Finanzen der Pflegeversicherung wird für die Ampel eine zentrale Aufgabe darstellen. Sie sollte schnell handeln“, appellierte er an SPD, Grüne und FDP. +++