GKV-Spitzenmanager warnt vor "Füllhorn" zur Klinikfinanzierung

Neuer Kassenverbandschef befürchtet Zusatzbeitrag von drei Prozent

Der neue Chef des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), Oliver Blatt, hält die deutschen Krankenhäuser für ausreichend finanziert. Es bestehe eher die Gefahr der übertriebenen Geldausstattung, falls die zu Jahresbeginn in Kraft getretene Klinikreform noch einmal geändert werde, sagte Blatt der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Aus dem Sondervermögen des Bundes für die Infrastruktur erhielten die Hospitäler 2025 und 2026 insgesamt vier Milliarden Euro an Soforthilfen sowie von 2026 an 3,5 Milliarden Euro jährlich für den Umbau der Krankenhauslandschaft. "Wir müssen aufpassen, dass dieses Füllhorn nicht unkontrolliert über den Kliniken ausgeschüttet wird", sagte Blatt, "denn dann werden die alten Strukturen konserviert, statt Veränderungen voranzutreiben."

Inzwischen fließe jeder dritte Euro der GKV-Ausgaben an die Kliniken. "Sie erhalten von den Beitragszahlenden mehr als 100 Milliarden Euro im Jahr, das muss reichen", stellte Blatt klar. "Für das Pflegebudget existiert gar keine Begrenzung mehr, wir bezahlen jede Kraft und jede Tariferhöhung."

Der Verbandschef unterstützt, wie er sagte, die Grundzüge der Krankenhausreform. Sie sieht vor, das Angebot in der stationären Versorgung zu konzentrieren, die Qualität über einheitliche Leistungsgruppen zu erhöhen und Teile der Vergütung unabhängig von den Fallzahlen als Vorhaltepauschalen zu bezahlen.

Mit Verweis auf die Widerstände der Bundesländer gegen Standortschließungen und die Bereitschaft der neuen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), die Reform noch einmal zu überarbeiten, sagte Blatt: "Wir brauchen nicht jede Klinik in Deutschland. Ich befürchte aber, dass die Reform verwässert wird, wenn Frau Warken sie wieder aufschnürt."

Es sei ein Problem, wenn die Länder ihre Regionalpolitik über die Versorgungsqualität stellten. "Von einheitlichen Leistungsgruppen zur Qualitätssicherung dürfen wir nicht abweichen", mahnte Blatt. "Und die Vorhaltepauschalen dürfen keinesfalls mit der Gießkanne fließen, sondern müssen sich am tatsächlichen Versorgungsbedarf orientieren."

Blatt sprach sich zudem gegen Leistungskürzungen und gegen die Wiedereinführung einer Praxisgebühr aus. Die von der Koalition geplante Einführung eines Primärarztsystem zur ambulanten Versorgung hält er indes für richtig. "Der Ansatz stimmt, wir brauchen ein Primärversorgungssystem", sagte er der Zeitung. Der Regierungsvorschlag sieht vor, dass Patienten vor dem Besuch von Fachärzten in vielen Fällen zunächst einen Hausarzt als erste einschätzende Anlaufstelle konsultieren müssen.

Bisher sei es so, dass es in manchen Disziplinen zwar ausreichend Fachleute gebe, der Zugang und die Zuweisung aber nicht funktionierten. "Zum Beispiel haben wir so viele Psychotherapeuten wie nirgendwo sonst, trotzdem warten zu viele zu lange auf einen Termin", so Blatt. Auch komme es vor, dass Patienten ohne akute Notlage die Rettungstransporte und die Notaufnahmen blockierten.

"Solche Fehlallokationen führen zu Geldverschwendung, sind unsozial und gefährlich", sagte der studierte Volkswirt. "Es muss möglich sein, die Patienten besser zu steuern. Das erhöht die Versorgungsqualität, spart Geld und bedeutet eben gerade keine Leistungskürzung." Voraussetzung für ein Primärarztsystem sei aber "eine unabhängige Terminvermittlung, die nach Dringlichkeit entscheidet und nicht danach, ob man gesetzlich oder privat versichert ist".

Neuer Kassenverbandschef befürchtet Zusatzbeitrag von drei Prozent

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) warnt davor, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag schon im kommenden halben Jahr auf drei Prozent steigen könnte. Daran änderten auch die geplanten Darlehen aus dem Bundeshaushalt nichts, sagte der neue Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Oliver Blatt, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Für die Fehlentwicklung machte er die schnelle Zunahme der Ausgaben verantwortlich, "Wenn sie so hoch bleibt, dann steigen die Zusatzbeiträge zum Jahreswechsel erstmals auf drei Prozent. Trotz des angekündigten Darlehens", sagte Blatt der FAZ.

Der Zusatzbeitrag kommt zu dem allgemeinen Satz von 14,6 Prozent auf das sozialversicherungspflichtige Einkommen noch hinzu, sodass die Gesamtbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf annähernd 18 Prozent anwüchse. Bisher beträgt der vom Bundesgesundheitsministerium festgesetzte durchschnittliche Zusatzbeitrag 2,5 Prozent. Tatsächlich nehmen viele Kassen aber schon jetzt einen höheren Aufschlag.

Laut Etatentwurf für 2025 will Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) die Kranken- und Pflegekassen mit einem Milliardenkredit stützen, damit keine Beitragsanhebung nötig wird. Dazu sagte Blatt der FAZ: "Die Darlehen reichen dafür nie und nimmer aus." Er bezeichnete den Etatentwurf als enttäuschend: "Die Darlehen sind politische Augenwischerei".

Trotz der stärksten je verzeichneten Anhebung der Zusatzbeiträge zum Jahresbeginn hätten seitdem acht Kassen noch einmal die Sätze erhöhen müssen, sagte Blatt der FAZ. Sechs weitere Versicherungen hätten das beantragt.

Blatt hält jedoch nichts von dem Vorschlag führender SPD-Politiker wie des neuen Generalsekretärs Tim Klüssendorf, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen, bis zu welcher GKV-Beiträge gezahlt werden müssen. "Letztlich springt der Ansatz doch zu kurz, denn das wäre eine Beitragssatzerhöhung für bestimmte Einkommensgruppen", so der Verbandschef. "Es ist genug Geld da. Kommen wir damit nicht aus, müssen wir die Kosten senken."

Um Geld zu sparen, sprach sich Blatt dafür aus, die Gewinne von Pharmakonzernen zu begrenzen. "Viele patentgeschützte Arzneimittel sind zu teuer", sagte er der FAZ. "Wir wissen, dass die Hersteller ihre Forschungskosten einspielen müssen, und sie sollen auch Geld verdienen. Aber in Deutschland läuft das aus dem Ruder, die Gewinne sind die höchsten in Europa." Die Vergütung müsse zu einem "Augenmaß" zurückfinden, forderte er.

Die Finanzierung der Pflege ließe sich seiner Ansicht nach dadurch stabilisieren, dass die Bundesländer "endlich ihren gesetzlichen Zahlungspflichten für die Investitionskosten nachkommen". Hielten sich die Länder an geltendes Recht, müsste jeder vollstationär Pflegebedürftige 500 Euro im Monat weniger bezahlen. "Aber da machen sich die Länder genauso einen schlanken Fuß wie bei den Investitionskosten der Kliniken, die daher aus GKV-Beiträgen subventioniert werden müssen", monierte Blatt.

Er drang zugleich auf einen Finanzausgleich mit der privaten Pflegeversicherung. "Sie bezahlt die gleichen Leistungen, hat aber die geringeren Risiken", so der Verbandschef. "Damit würde die soziale Pflegeversicherung um einige Milliarden gestärkt werden." +++


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