Giffey verteidigt „Aufholpaket“ für Kinder und Jugendliche

Immer mehr Kinder litten an Übergewicht

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD)

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat das geplante „Aufholpaket“ der Bundesregierung zur Unterstützung junger Menschen in und nach der Coronakrise verteidigt. „Kinder und Jugendliche müssen seit mehr als einem Jahr auf eine Menge verzichten“, sagte sie der „Rheinischen Post“. „Es fehlen der Alltag in Kitas und Schulen, der Kontakt zu Freunden, Lernstoff wird versäumt, digitale Medien bestimmen den Tag, und es gibt weniger Freiräume.“ Dabei seien Bildungs-, aber auch Bindungslücken entstanden. „Und die Beschränkungen haben zu seelischen und körperlichen Belastungen geführt. Wir müssen verhindern, dass diese Zeit der Pandemie lange nachwirkt und Ungleichheiten manifestiert werden.“

Alle jungen Menschen sollten ihre Bildungsziele erreichen und ihre Persönlichkeit entwickeln können, sagte Giffey. „Deshalb arbeiten wir, das Bundesfamilienministerium gemeinsam mit dem Bundesbildungsministerium, an unserem Aktionsprogramm Aufholen nach Corona für Kinder, Jugendliche und ihre Familien: zum Nachholen und zum Aufatmen. Wir achten darauf, gerade auch die Kinder, Jugendlichen und Familien zu erreichen und zu unterstützen, die es besonders schwer haben“, sagte die Sozialdemokratin. Sprachförderung, Schulsozialarbeit und der vereinfachte Zugang zu Nachhilfeangeboten gehören genauso dazu wie außerschulische Kinder- und Jugendarbeit und die Unterstützung der Familien, so die Ministerin. Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach, reicht das „Aufholpaket“ für junge Menschen nicht. „Wir Kinder- und Jugendärzte beobachten sehr häufig Entwicklungsstörungen und psychische sowie körperliche Erkrankungen, die direkt auf die Auswirkungen der Pandemie zurückzuführen sind“, sagte er der „Rheinischen Post“.

Immer mehr Kinder litten an Übergewicht, fehlender Motivation, Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen sowie einem Mangel an sozialen Kontakten. Insbesondere Kinder aus Familien , in denen die Eltern zu wenig Abwechslung anbieten oder sich nicht ausreichend kümmern können, blieben auf der Strecke, sagte Fischbach. „Die Bundesregierung droht mit dem Aufholpaket die Chance zu verpassen, auch die psychische Entwicklung von Kindern außerhalb der Schulen zu fördern. Der Fokus liegt zu stark auf der Bekämpfung von Leistungsdefiziten“, sagte er. Ein Kinderbonus von 100 Euro für einkommensschwache Familien ginge in die richtige Richtung. „Der politische Streit darum ist aber unwürdig, wenn zugleich Milliarden in einzelne Branchen gepumpt werden. Es ist eine Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen, dass es eine Testpflicht für sie aber nicht für berufstätige Erwachsene gibt“, sagte Fischbach.

Auch Michael Schroiff, Vorsitzender des Verbandes der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (BKJ), sagte der Zeitung: „In manchen Regionen sind die Anfragen bei Kliniken für Psychiatrie um die Hälfte angestiegen in der Coronakrise. Das ist ein erschreckend hoher Wert.“ Er pochte deswegen auf eine andere Herangehensweise der Politik. „Es war richtig, im vergangenen Jahr Kitas, Schulen und Freizeitangebote zu schließen, weil die Verbreitung des Virus erforscht werden musste. Mittlerweile wissen wir darüber aber schon sehr viel“, sagte Schroiff. Es sei an der Zeit, Betreuungsangebote außerhalb der Schulen und Kindertagesstätten wieder zu öffnen „mit vorsichtigen Schutzkonzepten“. Zudem forderte er eine bessere Einbindung der jungen Menschen. „Ein Kinder- und Jugendrat auf Bundesebene, bei dem Kinder und Jugendliche selbst ihren Bedarf äußern können, wäre eine wichtige Einrichtung. Bislang planen Bund und Länder noch zu oft am Bedarf der jungen Menschen vorbei“, kritisierte Schroiff. +++