Gewaltforscher sieht großes Konfliktpotenzial bei Impfpflicht

Thüringen führt Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte ein

Der Bielefelder Gewaltforscher Andreas Zick sieht in einer Corona-Impfpflicht ein großes gesellschaftliches Konfliktpotenzial. Sie könne zur weiteren Radikalisierung der Minderheit der Impfgegner führen, sagte er dem Sender Phoenix. „Es wird immer deutlicher, dass wir Demokratie-distante Minoritäten haben, die ihre Einstellung durchsetzen wollen, die sich keinen Fußbreit bewegen.“ Dies seien Menschen, die kein Interesse hätten, „an einem Zusammenhalt, an einem Konsens, an einem Weg, Lösungen zu finden“, so Zick. „Wir hören keinen Vorschlag, wie es denn gehen soll ohne eine Impfpflicht, auch nicht aus rechtspopulistischen Parteien. Es gibt keine Vorschläge dazu, außer dem: Wir ändern unsere Einstellung sowieso nicht.“ Das Problem sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen: „Wir haben hier ein sehr stabiles Milieu, was inzwischen in der Mitte verhaftet ist, was sich von gar keinen Argumenten mehr überzeugen lässt, also ein Eindringen von Verschwörungsglauben, von Rechtspopulismus, eine Mischung in der Gesellschaft.“ Da hätten sich neue radikale Gruppen gebildet, von denen man noch nicht genau wisse, inwieweit sie einen neuen Extremismus bilden. Durch diese Radikalisierung und mangelnde Bereitschaft zur Einsicht würden die Solidaritätswerte für diese Gruppen im Rest der Gesellschaft sinken. „Wir hatten bislang in einer stabilen Demokratie den Grundgedanken: Wir hören Minoritäten an, wir dulden auch Protest“, so Zick, diese Idee kippe aber jetzt. „Da ändern sich jetzt Solidaritätswerte.“

Thüringen führt Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte ein

Die Thüringer Landesregierung verschärft wegen der angespannten Corona-Lage die geltenden Infektionsschutzmaßnahmen deutlich. Das Landeskabinett brachte am Dienstag unter anderem Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte auf den Weg. Diese sollen zwischen 22 und 5 Uhr gelten, wobei die Regelung bis zum 15. Dezember befristet ist. Für Personen, die nicht geimpft oder genesen sind, soll es zudem Kontaktbeschränkungen geben. Auch für weitere Bereiche wurden weitreichende Einschränkungen beschlossen. So werden Volksfeste und Weihnachtsmärkte untersagt. Diskotheken, Clubs und Bars müssen schließen, ebenso Schwimmhallen, Freizeitbäder, Saunen und Thermen. Auch Messen und Kongresse sind bis zum 15. Dezember untersagt. Die Landesregierung setzt ansonsten auf umfangreiche 2G- sowie 2G-Plus-Regelungen. So sollen in der Gastronomie nur Geimpfte oder Genesene Zutritt erhalten, wobei bis zum 15. Dezember befristet eine Sperrstunde ab 22 Uhr gilt. Für Spielhallen, Spielbanken und Wettbüros gilt bei 2G-Plus ebenfalls eine Sperrstunde. Auch in weiten Teilen des Einzelhandels sowie bei körpernahen Dienstleistungen soll eine 2G-Regelung gelten. Dabei sind Geschäfte des täglichen Bedarfs ausgenommen. In Fitnessstudios und bei ähnlichen Angeboten des Freizeitsports gilt in geschlossenen Räumen 2G-Plus und unter freiem Himmel 2G.

NRW veröffentlicht neue Corona-Regeln

Auch in NRW wird 2G – also Zutritt nur noch für Geimpfte und Genesene – vielerorts eingeführt. So gilt 2G künftig bei Veranstaltungen und Einrichtungen im Kultur-, Sport- und Freizeitbereich, inklusive Weihnachtsmärkten und Volksfesten. Eine „2G-plus“-Regel gilt beim Besuch von Clubs, Diskotheken, Tanzveranstaltungen oder Karnevalsfeiern, neben dem 2G-Nachweis muss dort noch ein negativer Test vorgezeigt werden. Das kann ein maximal 24 Stunden alter Schnelltest oder ein maximal 48 Stunden alter PCR-Test sein. „Gleiche Regelung gilt für die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen“, heißt es in einer Erklärung der NRW-Landesregierung vom Dienstag. Bei nicht-freizeitbezogenen Einrichtungen und Veranstaltungen bleiben bestehende 3G-Regelungen erhalten und werden auf weitere, bisher nicht zugangsbeschränkte Angebote ausgedehnt. Demnach ist der Zutritt zu Versammlungen in Innenräumen, Veranstaltungen der schulischen, hochschulischen, beruflichen oder berufsbezogenen Bildung, Messen, Kongressen und Sitzungen kommunaler Gremien nur noch geimpften, genesenen oder negativ getesteten Personen gestattet. Auch für Beerdigungen, standesamtliche Trauungen, Friseurbesuche und nicht-touristische Übernachtungen gilt die Nachweispflicht über eine Impfung, Genesung oder Testung. Bei Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Zuschauern gilt weiterhin eine Kapazitätsbegrenzung: Hier darf bei Veranstaltungen mit Steh- oder Sitzplätzen die über 5.000 Zuschauer hinausgehende Kapazität nur zu 50 Prozent ausgelastet werden. Bei Veranstaltungen im Freien gilt das nur für die Stehplätze. Schüler gelten weiterhin aufgrund ihrer Teilnahme an den verbindlichen Schultestungen als getestete Personen. Kinder bis zum Schuleintritt sind getesteten Personen gleichgestellt. Kinder und Jugendliche bis einschließlich 15 Jahre sind von Beschränkungen auf 2G und 2G-plus ausgenommen. Die Regeln gelten ab Mittwoch und vorerst bis 21. Dezember.

Berlin weitet 2G aus

Das Land Berlin weitet Zutrittsbeschränkungen für Menschen, die weder gegen Corona geimpft noch davon genesen sind, aus. 2G gilt demnach ab Samstag neu unter anderem auch in Hotels, in der Erwachsenenbildung, in Fahrschulen, oder im Sport, sagte Berlins Gesundheits-Staatssekretär Martin Matz am Dienstag. In der Regel müsse zudem unter 2G-Bedingungen immer auch eine medizinische Maske getragen werden. In der Innengastronomie werde man am Platz die Maske abnehmen dürfen, ebenso bei der Sportausübung. In Tanzclubs darf die Maske ebenfalls wie bisher wegbleiben, dafür muss dort künftig neben dem 2G-Nachweis auch ein aktueller Test vorgezeigt werden, die Kapazität darf zudem maximal noch zu 50 Prozent ausgeschöpft werden. Im Einzelhandel gilt ebenfalls 2G plus Maske, lediglich in Geschäften des täglichen Bedarfs dürfen auch Ungeimpfte mit Maske weiter einkaufen.

Niedersachsen verschärft Warnstufen-Konzept

Niedersachsen bleibt prinzipiell bei seinem Warnstufen-Konzept, in dem die Hospitalisierungsrate eine wichtige Rolle spielt, verschärft die Details aber und führt in weiten Teilen „2G“ ein. Das teilte die Landesregierung am Dienstag mit. Warnstufe 1 gilt künftig bereits ab einer 7-Tages-Hospitalisierungsinzidenz von drei (vorher sechs), Warnstufe 2 bei einer Hospitalisierungsinzidenz von sechs und Warnstufe 3 dann bei neun. Auch vor der Warnstufe 1 treten erste Verschärfungen bereits ab einer 7-Tages-Neuinfektionsinzidenz von 35 ein, statt zuvor erst bei 50. Schon vor der Warnstufe 1 dürfen an Veranstaltungen mit mehr als 25 Personen in Innenräumen nur noch geimpfte, getestete oder genesene Menschen teilnehmen (3G) sobald die 7-Tage-Neuinfektionsinzidenz bei mehr als 35 liegt. Das gilt dann im Innenbereich auch für alle Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen, für Weihnachtsmärkte (dort auch draußen), Diskotheken, Gastronomie, Beherbergung und für Körpernahe Dienstleistungen. Bei Veranstaltungen in Innenräumen mit mehr als 1.000 Personen greift bereits in dieser frühen Stufe die Beschränkung auf geimpfte und genesene Personen (2G). In Warnstufe 1 galt schon bislang für größere Veranstaltungen in Innenräumen die Beschränkung auf geimpfte und genesene Personen (2G) – diese Beschränkung wird jetzt im Innenbereich ausgeweitet auf alle Veranstaltungen, auf Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen, auf Diskotheken, Gastronomie, Beherbergung und „Körpernahe Dienstleistungen“. Bei den Weihnachtsmärkten gilt in Warnstufe 1 2G drinnen und draußen. Neu ist von Mittwoch an eine durchgängige Maskenpflicht – drinnen wie draußen und unabhängig von der Warnstufe. Die Maske darf nur kurz abgenommen oder angehoben werden, wenn gegessen oder getrunken wird. Messen bleiben bei 3G, hier sind also weiterhin Menschen zugelassen, die geimpft, genesen oder getestet sind. Am ersten Messetag muss jedoch ein negativer PCR-Test vorgelegt werden – an jedem weiteren Tag ein POC-Test. Damit will Niedersachsen seiner Bedeutung als internationaler Messestandort gerecht werden, wie es am Dienstag von der Landesregierung hieß. In Warnstufe 2 wird neu die Beschränkung auf „2G-plus“ eingeführt, zusätzlich zu einem Impf- oder Genesenennachweis muss dann ein aktueller negativer Testnachweis vorgelegt werden muss. Dies gilt für alle Veranstaltungen im Innenbereich (draußen 2G) und generell für Weihnachtsmärkte. Die 2G-plus Vorgabe erstreckt sich zudem auf die Innenbereiche von Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen Diskotheken, Gastronomie, Beherbergung und auf alle Körpernahen Dienstleistungen. Draußen gilt in Warnstufe 2 die Beschränkung auf 2G. Messen bleiben bei 3G – notwendig ist jetzt aber ein PCR-Test. In Warnstufe 2 wird zudem die Maskenpflicht verschärft auf FFP2 in allen Innenbereichen. Generell gilt, dass in Warnstufe 2 nur noch bis zu 15 Personen ohne 2G-plus in Innenbereichen bzw. 2G unter freiem Himmel zusammenkommen dürfen . In Warnstufe 3 dürfen es dann nur noch bis zu 10 Personen sein. Für Veranstaltungen wird dann ein sehr viel strengerer Prüfungsmaßstab gelten und deutlich höhere Auflagen. Unabhängig von der jeweiligen Warnstufe sind Jugendliche bereits von Mittwoch an im Hinblick auf den Zutritt zu Diskotheken nicht mehr privilegiert. Alle Über-12-Jährigen müssen bei 2G im Innenbereich einen Impf- oder Genesenennachweis vorzeigen, bei 2G-plus zusätzlich einen Nachweis über einen negativen Test. In allen Warnstufen gilt zudem, dass die Privilegierungen bei 2G (kein Abstand, keine Maske) zurückgenommen werden. Und es gibt zukünftig keinen Bestandsschutz mehr für bereits genehmigte Veranstaltungen.

In Bremen erster konkreter Anlauf für Corona-Impfpflicht

Nachdem sich mittlerweile die meisten Ministerpräsidenten in Deutschland direkt oder indirekt für eine Corona-Impfpflicht ausgesprochen haben, startet die SPD-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft einen konkreten Anlauf. „Gerade weil wir in Bremen Spitzenreiter bei der Impfquote sind und noch vergleichsweise niedrige Zahlen haben, fühlen wir uns in besonderer Verantwortung, hier im Blick auf das Ganze voranzugehen und Klartext zu reden“, sagte Fraktionschef Mustafa Güngör dem „Spiegel“. Bremen hat mit rund 82 Prozent die höchste Impfquote aller Bundesländer. Die Bremer Sozialdemokraten haben die zweitstärkste Fraktion in der Bürgerschaft und stellen zusammen mit Grünen und Linken die Regierung. Mehr als eine Absichtserklärung ist der Vorstoß aber nicht: so wird die künftige Ampelkoalition im Bund ersucht, eine Impfpflicht bundesweit zu regeln. „Wir haben uns den Beschluss nicht leicht gemacht“, sagte Güngör. Bremen habe gezeigt, dass mit Argumenten, Überzeugungsarbeit und vor allem Angeboten, die die Impfung zu den Menschen in die Quartiere bringe, sehr gute Erfolge erzielt werden können. „Doch die aktuelle Entwicklung in ganz Deutschland zeigt leider, dass die bundesweite Impfquote nicht ausreicht, um die Pandemie dauerhaft einzudämmen.“ Und weiter: „Wir müssen den Kreislauf durchbrechen, der zu immer neuen Wellen führt.“ Wenn man von Freiheit spreche, müsse man auch den weit überwiegenden Teil der Bevölkerung in den Blick nehmen, der geimpft sei. Diese Menschen hätten sich verantwortungsvoll und solidarisch gezeigt – und seien nun aufgrund einer Minderheit von freiwillig Ungeimpften erneut von Einschränkungen bedroht, sagte Güngör. „Das kann auf Dauer nicht gut gehen.“

Hessen Ministerpräsident Bouffier sieht kein Weg an Impfpflicht vorbei

An einer Impfpflicht führt laut Aussagen von Ministerpräsident Bouffier kein Weg vorbei. „Corona wird bleiben“, sagte er am Dienstag. „Entweder wir gehen von Welle zu Welle, schränken jedes Mal wieder ein oder es gelingt uns, den Impfstatus zu erhöhen.“ Alle bisherigen Versuche, die Impfquote zu steigern, seien gescheitert. „Das ist der Hintergrund. Und dann glaube ich, ist es richtig, dass man zu einer Impfpflicht kommt.“ Die Diskussion um eine Impfpflicht hält Bouffier für notwendig. Verfassungsrechtlich sei diese machbar. +++