Gesundheitsämter im Rhein-Main-Gebiet bereiten Maskenpflicht in der Schule vor

„Zugang zu Präsenzunterricht absichern“

Gegen eine Coronavirus-Übertragung in geschlossenen Räumen hilft wirksam die Kombination aus Lüften, Abstand und Mund-Nasen-Bedeckungen. Während das Lüften manuell und auch technisch über Luftreinigungsgeräte leicht umsetzbar ist, ist es mit dem Abstandhalten in volleren Räumen schon schwieriger. Umso wichtiger ist die Pflicht zum Tragen einer geeigneten Maske. So auch in Schulen: Der Main-Kinzig-Kreis hat vor einigen Tagen eine dringende Empfehlung ausgesprochen, das Tragen einer Maske auch am Sitzplatz in den Schulklassen umzusetzen. „Das ist letztlich ein gewichtiges Kriterium, damit alle anderen Schülerinnen und Schüler weiter am Präsenzunterricht teilnehmen, auch wenn ein Coronafall entdeckt worden ist“, erklärt Landrat Thorsten Stolz. Leider sei es aber die Realität, dass diese dringende Empfehlung nur an wenigen Schulen konsequent in den Schulalltag integriert werde, wie jüngst Schuldezernent Winfried Ottmann nach Gesprächen mit einigen Schulleitungen und dem Staatlichen Schulamt zurückgemeldet bekam. Der Main-Kinzig-Kreis wird darauf nun mit einer Anordnung an die Schulen des Kreisgebiets sowie des Stadtgebiets Hanau reagieren – und zwar im Einklang mit den Städten Frankfurt, Offenbach und dem Landkreis Offenbach sowie in enger Abstimmung mit der Stadt Hanau als eigenständigem Schulträger.

„Jeder Tag, den wir ohne weitere Schutzmaßnahmen und ohne politisches Eingreifen zubringen, wird die Corona-Situation immer schlimmer. Wir stehen vor einer Katastrophe im medizinischen Bereich, vor einer völlig aus dem Ufer laufenden Infektionsgeschehen, vor ständig neuen Inzidenzrekorden bei den jüngeren Menschen. Wir müssen den Schutz erhöhen, gerade für die jungen Menschen“, so Landrat Thorsten Stolz. Gesundheitsdezernentin Susanne Simmler kritisiert, „dass das Land Hessen bislang leider nicht willens ist, den Schutzstandard einheitlich zu erhöhen, obwohl es längst an der Zeit ist“: „Rasant steigende Infektionszahlen kommen nicht von ungefähr, sondern haben mit der hohen Zahl an Kontakten etwas zu tun und mit dem Verhalten miteinander und nebeneinander, gerade über eine lange Dauer und in Innenräumen.“ Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann geht von einer prinzipiell breiten Unterstützung der Maskenpflicht in den Schulgemeinden aus. Der Kreiselternbeirat habe sich bereits klar positioniert. „Auch viele Schulleiter hatten in den vergangenen Tagen bei uns um noch mehr Klarheit in diesem Punkt gebeten, ebenso das Staatliche Schulamt.“

Der Main-Kinzig-Kreis hat sich in dieser Woche mit den Städten Offenbach und Frankfurt über die dortigen Erfahrungen in den Gesundheitsämtern ausgetauscht. Trotz hoher Fallzahlen zeige sich ein ähnliches Bild, so Gesundheitsdezernentin Susanne Simmler. Die Gesundheitsämter entschieden nach einem positiven Fall oft, auch noch eine ganze Reihe weiterer Schülerinnen und Schüler häuslich abzusondern. „Jeder Fall wird individuell darauf abgeklopft, wie die Unterrichtssituation vor Ort war, wie die räumlichen Bedingungen sind und vor allem, wie die Schülerinnen und Schüler vor einer möglichen Ansteckung geschützt gewesen sind“, erklärt Simmler. „Teils lässt sich die empfohlene Maskenpflicht bei der Fallermittlung nicht voraussetzen, teils wurde sie nicht durchgezogen, worauf die Gesundheitsämter dann eben mit der Nummer sicher reagieren und mehr Kinder und Jugendliche häuslich isolieren als das mit konsequent getragener Mund-Nasen-Bedeckung der Fall gewesen wäre.“ Eine vorsichtigere Gangart sei gerade mit Blick auf die außerordentlich hohen Inzidenzwerte unter den jüngeren Menschen auch angebracht. Bei den Unter-15-Jährigen liegt die Sieben-Tages-Inzidenz im Kreisgebiet seit Tagen über 300.

In den vergangenen Tagen hatten der Main-Kinzig-Kreis und die Stadt Hanau das Land Hessen bereits zu einer einheitlichen Erhöhung der Schutzstandards für die Bereiche Bildung und Betreuung aufgefordert, um die teils unklare rechtliche Basis für sinnvolle Maßnahmen wie eine Maskenpflicht zügig zu verbessern. „Das Land Hessen macht gerade ein Ping-Pong-Spiel, indem es auf Entscheidungen aus Berlin wartet und die Verantwortung in die Kommunen und Landkreise verlagert. Das hilft den Bürgerinnen und Bürgern nicht und erst nicht der kommunalen Ebene, die jetzt wichtige Entscheidungen treffen wollen und müssen“, sagt Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky. „Jetzt ist nicht die Zeit für einen philosophischen Diskurs, wie wir mit der vierten Welle umgehen, sondern die handfeste Frage zu beantworten, wie wir die Menschen wirksam und rechtssicher schützen.“ Der Main-Kinzig-Kreis hat mit den großen Städten des Rhein-Main-Gebiets notwendige Schritte eruiert, die auf lokaler Ebene für den Schutz junger Menschen schnell umsetzbar sind. Dazu gehört das verpflichtende Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auch im Unterricht ebenso wie das möglichst gruppengetrennte Arbeiten. Beides gilt im Main-Kinzig-Kreis bereits als dringende Empfehlung. In Kürze wird der Main-Kinzig-Kreis nun, gemeinsam mit Stadt und Landkreis Offenbach sowie Frankfurt, eine Anordnung herausgeben, um aus der bisherigen Empfehlung zum Tragen einer Maske eine Pflicht zu machen. Dann soll nicht mehr nur auf den Plätzen und Fluren auf dem Schulgelände die Maske getragen werden, sondern auch am Sitzplatz. Die Maßnahme ist zunächst bis zu den Weihnachtsferien vorgesehen.

„Wir sehen uns angesichts des extrem hohen Infektionsgeschehen und der sich abzeichnenden Überlastung des Gesundheitssystems, vor allem der Krankenhäuser und Kinderkliniken, in der Pflicht, Kinder und Jugendliche stärker zu schützen als das bisher qua Verordnung des Landes Hessen der Fall ist“, begründet Landrat Stolz den Schritt. „Wir nutzen in dieser außerordentlichen Notlage die Spielräume verantwortungsbewusst, die wir in der Corona-Schutzverordnung sehen. Wir müssen in dieser Krise für Kinder und Jugendliche den Zugang zu Präsenzunterricht so weit es fachlich geht absichern, und dazu gehört präventiv die Maskenpflicht, um Ansteckungen im Klassenverband zu vermeiden.“ Die Regelung soll in Kürze in Kraft treten. Die entsprechende Anordnung wird derzeit juristisch ausgearbeitet. Das Staatliche Schulamt ist über die Schritte informiert. Für die Kreisspitze wie auch für den Magistrat der Stadt Hanau steht nach der extremen Zuspitzung der Coronasituation fest, dass es dringend einheitlicher Regelungen im größeren Maßstab in Deutschland bedarf. Nach einem gemeinsamen Gespräch am Dienstag fordern sie eine erneute Ausweitung der Kontaktbeschränkungen, um das Infektionsgeschehen einzudämmen wie auch eine landesweit strukturierte und groß dimensionierte Impfkampagne für die Prävention.

Oberbürgermeister Claus Kaminsky blickt auf die vergangenen sechs Wochen zurück: „Wir haben aus Fürsorge für unsere Bürgerinnen und Bürger entschlossen gehandelt und dafür gesorgt, dass es in Hanau ohne zeitliche Unterbrechung möglich war, sich eine Erst-, Zweit- oder Dritt-Impfung geben zu lassen“, so Kaminsky. Auch in Gelnhausen und Schlüchtern folgten wenige Tage später Dein-Pflaster-Impfstellen. „Aber der eigentliche Plan der Landesregierung, dass der Öffentliche Gesundheitsdienst nur die Impflücken schließt und die niedergelassenen Ärzte die Hauptlast schultern, ist nicht aufgegangen. Es wird Zeit, das öffentlich anzuerkennen und die Reißleine zu ziehen.“ Landrat Thorsten Stolz ergänzt hinsichtlich der horrenden Infektionszahlen: „Die Lage ist dramatisch. Wir sollten uns verabschieden von dem, was wir für wünschenswert halten und hinwenden zur Frage, wie wir das Allerschlimmste in den Krankenhäusern verhindern. Der Blick nach Sachsen und Bayern zeigt, wo auch für Hessen die Reise hingeht. Kontaktbeschränkungen müssen ein Mittel der Wahl sein. Aber auch hier kann man Landkreise und kreisfreie Städte rechtlich nicht im Regen stehen lassen, hier braucht es eine klare Linie im Bund, zumindest aber mal im Land Hessen.“ +++ pm