Als Körperschaft des öffentlichen Rechts nimmt die Kreishandwerkerschaft viele Aufgaben wahr. Ihr übergeordnet ist der 1989 gegründete „Bundesverband der Kreishandwerkerschaften“ – kurz: BVKH – als Dachorganisation der Kreishandwerkerschaften in der Bundesrepublik Deutschland. Sie vertritt die gemeinsamen Interessen aller Kreishandwerkerschaften und damit auch die „Gesamtinteressen des selbständigen Handwerks“, wie es die Handwerksordnung für die Kreishandwerkerschaften gesetzlich regelt.
Acht Kreishandwerkerschaften gibt es im Bezirk der Handwerkskammer Kassel – neben der Kreishandwerkerschaft Biedenkopf und der für den Landkreis Hersfeld-Rotenburg auch Fulda. Letztere ist die Geschäftsstelle von ganzen 18 Handwerksinnungen in der Stadt und im Landkreis Fulda. Mit zahlreichen Serviceleistungen und Beratungsangeboten unterstützt sie ihre Innungsbetriebe in allen betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen. Darüber hinaus ist sie Sprachrohr der handwerklichen Interessen – und dies auf kommunaler, regionaler – aber auch überregionaler Ebene. Geschäftsführerin Gabriele Leipold hat uns die Kreishandwerkerschaft Fulda einmal näher vorgestellt und bei unserem Gespräch mit Vorurteilen gegenüber einer Berufsausbildung, insbesondere in der Handwerksbranche, aufgeräumt.
fuldainfo.de: Schönen guten Tag, Frau Leipold. Sie sind Geschäftsführerin der hiesigen Kreishandwerkerschaft in Fulda. Stellen Sie diese doch einmal konkreter vor. Was macht eine Kreishandwerkerschaft?
Gabriele Leipold: Guten Tag. Die Kreishandwerkerschaft ist eine Handwerksorganisation. In Deutschland gibt es eine ganze Reihe von Handwerksorganisationen. Wir, die Kreishandwerkerschaft Fulda, zählen zu den regionalen Handwerksorganisationen. Unter unserer Geschäftsführung haben wir 18 Handwerksinnungen im Landkreis Fulda. Unsere Aufgabe, die für eine Handwerksorganisation typisch ist, ist es, das Handwerk zu fördern und die Interessen des Handwerks zu vertreten. Dann gibt es noch die sogenannten „hoheitlichen Aufgaben“, auch als „Aufgaben der Selbstverwaltung“ bezeichnet. Diese sind in der Handwerksordnung festgelegt, sozusagen ein „Spezialgesetz für das Handwerk“. Und aus diesen Aufgabenbereichen ergeben sich die Tätigkeiten für uns bei der Kreishandwerkerschaft. Darüber hinaus führen wir aber auch die Geschäfte für das Bildungszentrum Bau Osthessen. Und aus diesen unterschiedlichen Teilbereichen ergeben sich unsere Aufgaben, die sehr vielseitig sind und sich gelegentlich auch immer einmal ändern. Nehmen wir zum Beispiel einmal die Corona-Krise. Auch hier gilt es, flexibel zu bleiben und unsere Innungen nach Kräften bestmöglich zu unterstützen. Nicht vergessen, zu erwähnen, darf in diesem Zusammenhang natürlich nicht, unser Bestreben und unsere Motivation, das Handwerk auch in Zukunft zu gestalten. Ich denke, wir machen unsere Arbeit ganz vernünftig (lacht) und falls nicht, dann möchten wir uns selbstverständlich verbessern. Aber wir schauen schon, dass wir möglichst am Ball bleiben.
fuldainfo.de: Welche Reichweite hat die Kreishandwerkerschaft Fulda in der Region?
Gabriele Leipold: Als regionale Handwerksorganisation ist die Kreishandwerkerschaft Fulda für die Handwerksbetriebe ihrer Innungen für den Landkreis Fulda zuständig. Die Mitgliedsbetriebe sind zum größten Teil im Landkreis Fulda ansässig. Damit hat die Kreishandwerkerschaft Fulda die Geschäftsführung der Innungen in ihrer Hand. Die Kreishandwerkerschaft Fulda hat etwa 900 Mitgliedsbetriebe. In Stadt und Landkreis Fulda gibt es 18 Innungen. Diese umfassen fast die komplette Baubranche. Darüber hinaus gibt es die Innung der Bekleidungshandwerke Fulda, die Innung für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Fulda-Hünfeld und die Landmaschinenmechaniker-Innung Fulda.
fuldainfo.de: Wie schwer war es, die Corona-Krise zu meistern und hat es in diesem Zusammenhang auch Rückschläge gegeben?
Gabriele Leipold: Die Corona-Zeit, die im März 2020 begonnen hatte, war für uns alle – wenn man mal zurückdenkt – schon eine Hausnummer. Das Handwerk ist, Gott sei Dank, ganz gut durch die Krise gekommen, bis auf die Friseure, die wirklich hart von der Pandemie getroffen wurden. Ich kann mich noch gut an den März (2020) erinnern, wo ja niemand so richtig wusste, was hier eigentlich gerade geschieht und wie es weitergeht. Wir standen seinerzeit kurz vor der Eröffnung der Trend Messe, die ja kurz vor der Eröffnung wegen Corona abgesagt wurde. Auch unsere Meisterkurse und überbetriebliche Lehrlingsunterweisungen konnten seinerzeit nicht stattfinden; aufgrund der Schulschließungen konnten keine Berufsschulen besucht werden. Das waren schon Wochen gewesen, mit denen niemand so wirklich gerechnet hätte. Auch mussten von der einen Stunde auf die Nächste Entscheidungen getroffen werden. Es gab keine kompletten Handlungsempfehlungen. Die Verordnungen hinkten auch manchmal hinterher. Es war eine sehr, sehr unsichere Zeit. Auch die Zeit, in der alles wieder angelaufen war. Ich denke, das möchte keiner mehr haben. Wir sind froh, dass wir uns jetzt wieder unseren eigentlichen Aufgaben widmen können und keine Entscheidungen mehr vor dem Hintergrund der Corona-Verordnung treffen müssen. Alles in allem hat uns Corona schon in unserem täglichen Tun ausgebremst. Der Tag bestand ja eigentlich nur noch aus Masken, Quarantäne, neuen Richtlinien und Ausgangsbeschränkungen. Aktuell haben wir fast jeden Abend Sitzungen (Mitgliedsversammlungen, Vorstandssitzungen, Veranstaltungen von und mit unseren Netzwerkpartnern oder sonstigen Organisationen). Die Termine sind eng getaktet. Es ist schön, dass man sich wieder in echt sieht. Wollen wir hoffen, dass es so bleibt und wir gut durch den nächsten Winter kommen. Seit ein paar Wochen haben wir noch einmal ganz andere Probleme, die sich abgezeichnet haben. Corona scheint es nicht mehr so zu geben, das ist so gut wie rum, dafür haben wir jetzt den Krieg in der Ukraine. Wir haben wegen des Kriegs im Handwerk ganz massive Lieferengpässe und eine enorme Preissteigerung. Man hat das Gefühl, man rutscht von der einen Krise in die nächste. Und manchmal denkt man vielleicht sogar, dagegen war Corona ja fast noch harmlos. Ich glaube, es würde uns allen, der Wirtschaft, der Gesellschaft, guttun, wenn mal so langsam Ruhe einkehren würde, dass sich die Belastungen und die damit verbundenen Unsicherheiten, die die letzten Wochen wieder an Fahrt aufgenommen haben, möglichst bald legen.
fuldainfo.de: Wie begegnen Sie dem großen Thema Fachkräftesicherung?
Gabriele Leipold: Der Fachkräftemangel ist ein Problem, das sich durch die ganze Wirtschaftsbranche zieht und jetzt nicht nur speziell die Handwerksbranche betrifft. Es ist möglich, dass sich der Fachkräftemangel im Handwerk früher abgezeichnet hat, aber inzwischen ist der Fachkräftemangel überall angekommen. Vor diesem Hintergrund hat sich das Handwerk schon früh darum gekümmert, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Und insbesondere auch die Kreishandwerkerschaft Fulda. Ich kann mich noch gut daran erinnern – ich war, bevor ich Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft hier Fulda wurde, bei der Handwerkskammer Kassel -, wie man von Kassel nach Fulda blickte, wo man sich schon sehr frühzeitig auf den Weg gemacht und dem Fachkräftemangel entgegensteuert hat. Hier in Fulda war man dementsprechend schon sehr früh aktiv. Ich denke, es gibt, um dem Fachkräftemangel Herr zu werden, nicht die einzige Lösung und dann ist das Problem gelöst. Wenn es so etwas geben würde, dann müssten wir diese Unterhaltung nicht führen. Das, was für uns auf der Agenda steht und auch schon viele Monate vor Ausbildungsbeginn ist das Thema Ausbildung und alles, was mit der Ausbildung in Verbindung steht, sprich Praktika, Berufsorientierungstage, und solche Dinge. Dass wir genügend junge Menschen ansprechen und erreichen, die sich einen Beruf im Handwerk vorstellen können. Weil eines ist mal klar: Die Auszubildenden von heute, sind die Fachkräfte von Morgen. Insofern markiert das Thema Ausbildung auch ganz klar ein Schwerpunkt unserer Arbeit als Kreishandwerkerschaft. Ich denke, es gibt keine Branche, die von sich behaupten kann, dass sie bestens ausgestattet ist. Es fehlt in jeder Branche an qualifiziertem Nachwuchs. Es wird überall geklagt über den Fachkräftebedarf und auch, dass Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können. Ein ganz wesentliches Thema ist, denke ich, auch das Thema der Dualen Berufsausbildung, dass wieder in die Köpfe der jungen Menschen und deren Eltern dringen muss. Klar ist doch, dass man überall lernen muss, selbst wenn man, und vielleicht auch gerade, wenn man eine Karriere im Handwerk anstrebt. Ich kenne das noch aus meiner eigenen Jugend. Da hat man zu mir auch gesagt, Kind, sehe zu, dass du einen anständigen Beruf erlernst, damit aus dir etwas wird. Fakt ist aber doch auch, dass nicht alle studieren können, und mancher ist für ein Studium vielleicht auch gar nicht gemacht, dem liegt vielleicht eher das Praktische. Das, was wieder in die Köpfe dieser Gesellschaft und damit wieder salonfähig werden muss, ist die klassische Berufsausbildung. Das muss ja nicht zwangsläufig im Handwerk sein, es gibt so viele Branchen, wo es an gutem Fachpersonal fehlt, wie beispielsweise in der Pflege. Genauso der Irrglaube, dass man sich mit einer Berufsausbildung die Zukunft oder die Chance auf weitere Bildung verbaut hat, ist Unsinn. Inzwischen kann man mit dem Meister an eine Uni. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung weiter zu qualifizieren. Das gleiche gilt für kaufmännische Berufe. Die Möglichkeiten, für eine akademische Laufbahn bestehen ein Leben lang. Leider ist es so, dass die Berufsausbildung in vielen Köpfen immer noch so einen negativen Touch so nach dem Motto: naja Schule hat nicht so geklappt, für ein Studium reicht es nicht, mach mal lieber eine Ausbildung in irgendeinem handwerklichen Beruf. Und das ist sehr schade. Ich sagte vorhin, dass die Kreishandwerkerschaft berät und unterstützt, und hier müssen wir auch unsere Betriebe mitnehmen. Das ist ganz wichtig. Und auch auf die Veränderungen in den Betrieben wie beispielsweise durch die Digitalisierung hinzuweisen, zu sensibilisieren – und auch ein bisschen dabei zu unterstützen, damit sich diese besser darauf einstellen können. Bei den Erwachsenen hat sich auch die Einstellung zum Berufsleben geändert. Stichwort: Work Life Balance ist für mich persönlich so ein Begriff, mit dem ich mir ehrlich gesagt ein bisschen schwertue. Ich bin noch in einer Zeit aufgewachsen, wo noch so ein gewisser Leistungsdruck herrschte. Ich bin davon überzeugt, dass es ganz viele Ansätze und Möglichkeiten gibt, um dem Fachkräftemangel sinnvoll entgegenzuwirken. Wir als Kreishandwerkerschaft beteiligen uns an Projekten und Initiativen. Es gibt in unserer Region wirklich viele Angebote, die man nutzen kann und auch sollte und dann sollten wir das in einer starken Wirtschaftsregion wie Fulda gemeinsam auch in den Griff bekommen.
fuldainfo: Sind in der Vergangenheit möglicherweise Fehler gemacht worden dahingehend, dass der Zugang zum Studium zu leicht gemacht wurde, sodass man dem Handwerk die Leute weggenommen hat?
Gabriele Leipold: Ich würde das nicht als Fehler bezeichnen oder als Fehler sehen wollen. Es liegt in der Natur der Sache, die Entwicklung der Nachkriegszeit, wo jeder mit aufbauen helfen musste und irgendwann wurde auch Bildung etwas, dass sich jeder leisten konnte. Schauen Sie, ich selbst entstamme einer Arbeiterfamilie; in meiner Familie war ich die Erste, die überhaupt Abitur gemacht hat und studierte. Zu meiner Zeit war studieren keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Es ist möglich, dass der Trend zum Studium daher rührt, dass vieles in unserem Bildungssystem einfacher wurde, aber ob das wirklich ein Fehler gewesen ist, so jedem den Zugang zum Studium zu ermöglichen, damit wäre ich vorsichtig. Weil eigentlich ist diese Entwicklung, jedem die Möglichkeit zu eröffnen, zu studieren, ja auch etwas Positives. Irgendwann hat man angefangen, diejenigen, die ein Studium durchliefen, in einem „anderen Licht“ zu sehen. Das waren dann diejenigen, die ihr Studium geschafft hatten und auf der anderen Seite waren jene, die halt „nur“ eine Berufsausbildung hatten. Ich glaube, es ist auch ein Stück weit versäumt worden, die Berufsausbildung als „klassischen“ Berufsweg zu definieren und auch Chancen und Möglichkeiten in diesen Berufen aufzuzeigen und damit Akzeptanz und Wertschätzung zu schaffen. Lassen Sie mich das an einem Beispiel aus unserer Schreiner-Innung verdeutlichen: Da gibt es den Bauherren, den Architekten und den Schreiner. Sobald der Architekt den Raum betritt, wird dieser gebeten, doch Platz zu nehmen und gefragt, ob man ihm einen Kaffee anbieten könne. Betritt der Schreiner den Raum, heißt es plötzlich: „Ach – da kömmt de Schriner.“ Architekt und Schreiner haben beide ihren Arbeitsbereich und beide leisten ihre Arbeit top; aber wenn der Architekt kommt, geht man vor ihm etwas in die Knie. Wenn der Handwerker kommt, der wird „von oben herab“ behandelt, und das kann es einfach nicht sein! Das ist etwas, das es leider noch viel zu oft in der Gesellschaft gibt. Das hat etwas mit Anstand und Wertschätzung gegenüber den Handwerkern zu tun. Und ich glaube, da ist irgendwann verpasst worden, beide, den Architekten und den Handwerker, auf „ein Level“ zu bringen. Aktuell habe ich allerdings das Gefühl, es ändert sich und es tut sich was in der Gesellschaft. Der Handwerker gewinnt für das, was er tut, an Bedeutung und damit an Akzeptanz und letztlich an Wertschätzung, die er verdient. Oft ist es ja auch so, dass die Schulabsolventen gar nicht selbst entscheiden, welchen Beruf sie einmal ausüben wollen; es entscheiden die Eltern, die Großeltern und nicht zuletzt auch der Freundeskreis. Aus diesem Grund nutzen wir als Kreishandwerkerschaft jede Möglichkeit, um den Handwerksberuf den jungen Menschen näherzubringen, zu präsentieren. Wir gehen in die Schulen oder bieten selbst auch Workshoptage an, wir haben das Bildungszentrum Bau Osthessen – und hier möchte ich auch ganz explizit die Lehrbauhalle nennen – eingebunden, wir haben die Betriebe mit ins Boot geholt, wir waren jetzt beim Kreisjubiläum auf Schloss Fasanerie mit dabei, wir gehen in die Schulen, wenn dort Bildungsmessen oder Berufsorientierungstage sind. Es gibt viele Möglichkeiten, um diesbezüglich in die Öffentlichkeit zu gehen und viele davon nutzen wir bereits.
fuldainfo.de: Glauben Sie, der Azubi-Kampus „pîngs“ tut hier, was die Wertschätzung gegenüber den Auszubildenen anbetrifft, seinen Teil dazu beitragen?
Gabriele Leipold: Der Azubi-Kampus ist ganz sicher einer von vielen Mosaiken, den man hier mit aufzählen kann. Wir haben dort bereits seit Sommer 2020 unsere Fliesenleger, die im Bildungszentrum Bau Osthessen in Petersberg ihren Blockunterricht absolvieren, untergebracht. Dass es solche Einrichtungen wie pîngs als ein Ort zum Wohnen, Arbeiten und Lernen mit tollen Freizeitangeboten und einem unglaublich schönen Campus für Auszubildende gibt, ist wichtig und richtig. Für Studierende gibt es die klassischen Studierendenwohnheime und für Auszubildende gibt es pîngs und damit nehmen wir hier in Fulda, deutschlandweit betrachtet, eine Vorreiterrolle ein.
fuldainfo.de: Vielen Dank Frau Leipold für das ausführliche Gespräch. Wir wünschen Ihnen für die Kreishandwerkerschaft weiterhin eine glückliche Hand. +++ jessica auth