Generalbundesanwalt: Acht „Reichsbürger“ nach Großrazzia in U-Haft

Nach der bundesweiten Großrazzia im „Reichsbürger“-Milieu ist für acht der festgenommenen Personen bereits Untersuchungshaft angeordnet worden. Darunter sei auch der mutmaßliche Rädelsführer, sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Mittwoch in Karlsruhe. Unter den Festgenommenen befindet sich laut Frank zudem auch eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete. Den Ermittlern zufolge war sie bei der angestrebten Machtübernahme offenbar als Justizministerin vorgesehen. Ziel der Gruppe soll es unter anderem gewesen sein, eine „neue deutsche Armee“ aufzubauen. Auch ehemalige Bundeswehr-Soldaten sollen sich beteiligt haben.

Bei den Razzien am Mittwoch sei „umfangreiches Material“ sichergestellt worden, sagte Frank, ohne weitere Details zu nennen. Insgesamt waren am Morgen 25 Personen festgenommen worden. Die Festnahmen erfolgten an verschiedenen Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen, Thüringen sowie in einem Fall in Öst erreich (Kitzbühel) und in Italien (Perugia). Zeitgleich fanden dort und in den Bundesländern Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland richterlich angeordnete Durchsuchungsmaßnahmen in über 130 Objekten statt. Diese richten sich auch gegen weitere 27 Beschuldigte. Die festgenommenen Beschuldigten sind nach Einschätzung der Ermittlungsbehörden dringend verdächtig, sich in einer inländischen terroristischen Vereinigung mitgliedschaftlich betätigt oder eine solche Vereinigung unterstützt zu haben,. Zwei Vereinigungsmitglieder sollen als Rädelsführer agiert haben. Die mutmaßliche terroristische Vereinigung soll spätestens Ende November 2021 gegründet worden sein. Sie habe sich zum Ziel gesetzt, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland zu überwinden und durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen. Nach den bisherigen Ermittlungen bestehe auch der Verdacht, dass einzelne Mitglieder der Vereinigung konkrete Vorbereitungen getroffen haben, mit einer kleinen bewaffneten Gruppe gewaltsam in den Bundestag einzudringen. Die Einzelheiten seien aber noch aufzuklären, so die Bundesanwaltschaft. Für die Festnahmen und Durchsuchungsmaßnahmen waren am Mittwoch über 3.000 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Bundeskriminalamts, Spezialkräfte der Bundespolizei, der Landeskriminalämter sowie weitere Polizeikräfte aus Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Thüringen im Einsatz.

Strack-Zimmermann will gegen Reichsbürger-Soldaten vorgehen

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat nach den Razzien gegen Reichsbürger angekündigt, das Thema im Ausschuss behandeln zu wollen. „Ich habe umgehend dieses Thema auf die Tagesordnung des Verteidigungsausschusses setzen lassen“, sagte Strack-Zimmermann der „Rheinischen Post“. Sie kündigte ein konsequentes Vorgehen an: „Wir werden diese braune Suppe austrocknen“, so Strack-Zimmermann. Unter den Verdächtigen der Anti-Terror-Razzia gegen eine Gruppe der Reichsbürgerszene sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums insgesamt drei Soldaten. Darunter seien als aktiver Bundeswehrangehöriger ein Soldat des Kommandos Spezialkräfte (KSK) sowie zwei weitere nicht aktive Soldaten, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch in Berlin.

Rhein und Beuth danken den hessischen Sicherheitsbehörden

Zu den heutigen bundesweiten Durchsuchungsmaßnahmen sagt der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein: „Unsere Demokratie ist wehrhaft. Wer unsere freiheitliche Gesellschaft bedroht, wird von unserem Rechtsstaat in seine Schranken gewiesen. Dieses starke Signal geht von den heutigen bundesweiten Razzien bei Reichsbürgern und Verschwörern aus. Ich bin den hessischen Sicherheitsbehörden besonders dankbar, dass sie wesentlich zu diesen erfolgreichen Maßnahmen gegen die mutmaßlich bundesweit vernetzte Terrorvereinigung beigetragen haben.“ Hessens Innenminister Peter Beuth erklärte zu den Maßnahmen: „Der heutige bundesweit konzertierte Schlag gegen Demokratiefeinde ist ein starkes Signal des Rechtsstaats und unserer wehrhaften Demokratie. Die heutigen Maßnahmen sind vor allem auch ein gutes Zeichen dafür, dass unsere Sicherheitsbehörden wachsam sind und gut zusammenarbeiten, um Gefahren für unsere Demokratie frühzeitig aufzudecken. Mein besonderer Dank gilt in diesem Fall den hessischen Sicherheitsbehörden. Es ist mitunter das Verdienst des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen und dessen guter Zusammenarbeit mit dem Hessischen Landeskriminalamt, dass heute nahezu im gesamten Bundesgebiet gegen mutmaßlich miteinander vernetzte Reichsbürger und Demokratiefeinde vorgegangen werden kann. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen und des Hessischen Landeskriminalamtes hatten den richtigen Riecher und sind drangeblieben: Sie waren es, die erste Erkenntnisse zu der Gruppierung weiter aufgeklärt und verdichtet haben. In der Folge haben sie ihre Erkenntnisse zielgerichtet mit den Partnerbehörden in Bund und Ländern geteilt. So konnte ein Gesamtbild des mutmaßlichen Netzwerks herausgearbeitet werden und das wohl größte Ermittlungsverfahren im Bereich der politisch motivierten Kriminalität der jüngeren Vergangenheit entstehen. Das Hessische Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum, kurz HETAZ, haben wir 2019 genau für diese Intensivierung des Austauschs zwischen Verfassungsschutz, Landeskriminalamt und auch der Justiz zur Gefahrenabwehr geschaffen. Die heutigen Maßnahmen belegen, dass die Institutionalisierung dieses Austauschs in der Praxis Früchte trägt und sich bezahlt gemacht hat.“

Linke kritisiert Indiskretion vor Reichsbürger-Razzia

Martina Renner, Innenpolitikerin der Linken, hat die Informationsstrategie des Innenministeriums rund um den Einsatz gegen die mutmaßliche Reichsbürger-Terrorgruppe um Prinz Heinrich XIII. scharf kritisiert. Die Informationen über die bevorstehenden Razzien seien im Vorfeld so breit gestreut worden, dass dies die Beschuldigten gewarnt und die Sicherheitskräfte gefährdet habe, sagte sie der Nachrichtenseite von ntv. „Ich selbst wusste seit Mitte letzter Woche bereits davon und weiß außerdem von mehreren Medien, die schon seit zwei Wochen Kenntnis hatten“, sagte Renner. Dabei seien selbst Details des Einsatzes schon vor Tagen durchgesickert oder gestreut worden. „Es waren die Namen der Beschuldigten bekannt, ihre Adresse und der geplante Zeitpunkt des Zugriffs.“ Dabei hätte der Generalbundesanwalt die Aktion als geheim eingestuft. „Es sollten also keine unbefugten Dritten davon erfahren, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Geheimhaltung ist aber sc  hwierig, wenn man vorher Zielpersonen und Uhrzeiten durchgibt. Hier wurde riskiert, dass eine monatelang geplante Aktion am Ende schief geht.“ Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte erklärte, alle Personen, die per Haftbefehl gesucht wurden, seien auch festgenommen worden, niemand sei flüchtig und dies sei Beweis dafür, dass vorher nichts herausgedrungen sei. Renner überzeugt das nicht. Noch lasse sich dies ja gar nicht abschließend beantworten, sagte die Innenpolitikerin. „Um zu beurteilen, ob die Umstürzler vorher vor der Razzia wussten, wird man erst die beschlagnahmten Datenträger und weiteres Material auswerten müssen. Wenn dort in auffälliger Weise Material gelöscht wurde, Dinge verschwunden sind, dann würde das dafür sprechen, dass die mutmaßlichen Terroristen die Razzia erwartet haben“, sagte die Linken-Politikerin weiter. Damit einhergehend seien aber auch die Einsatzkräfte einer unnötigen Gefahr ausgesetzt worden. „Wer riskiert, dass die Daten über einen Zugriff bis zu d  em Beschuldigten durchsickern, riskiert auch, dass der morgens vielleicht mit einer Waffe aus der Tür tritt“, so Renner. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass man bei Reichsbürgern befürchten müsse, dass sie sich gegen eine Festnahme wehren – auch mit Waffen. „Insgesamt waren und sind heute 3.000 Beamte bei der Razzia im Einsatz, nicht alle davon sind Spezialkräfte. Wer immer die Daten über diesen Eingriff so offen streute, hat damit die Einsatzkräfte gefährdet.“ Renner hat auch eine Vermutung, warum das Bundesinnenministerium zahlreiche Medien im Vorfeld detailliert über die Razzien informierte. „Die Infos waren derart breit gestreut, dass es wie eine PR-Aktion wirkt.“ Das könne den zuständigen Behörden und Ministerien als Arbeitsnachweis dienen. „Sie zeigt, dass die Politik nicht nur Aktionspläne gegen rechts verabschiedet, sondern gegen die Terrorgefahr auch erfolgreich vorgeht“, sagte die Innenpolitikerin. Das stehe aber mit dem Risiko, das dadurch für den Einsatz und die Einsatzkräfte entstanden ist, in absolut keinem Verhältnis. „Terrorabwehr müssen staatliche Stellen mit höchster Sensibilität betreiben, auf keinen Fall darf sie zur Show werden“, so Renner. +++