Fuldas Kämpfer für Frieden und Gerechtigkeit ist tot

Peter Krahulec verstarb im Alter von 74 Jahren

Prof. Dr. phil. Peter Krahulec

Fulda. Prof. Dr. phil. Peter Krahulec, 1943 in Prag geboren, seit 1974 Hochschullehrer an der Hochschule Fulda für Erziehungswissenschaften und die Geschichte der Sozialen Arbeit, ist tot. Diese traurige Nachricht erreichte fuldainfo heute früh unverhofft. Prof. Krahulec wuchs in Osthessen auf. Nach dem dem Abitur an der Wigbertschule in Hünfeld studierte er Philosophie, Soziologie, Germanistik und Geographie. Später promovierte er zum „Dr. phil.“. Mit Peter Krahulec verliert die Region einen international renommierten Wissenschaftler und Friedensaktivist, dessen Forschungsgebiete nicht nur die Friedenspädagogik, sondern u.a. auch die historisch-politische Bildung, die Regionalentwicklung, Gemeinwesenarbeit und die „Sozialen Bewegungen“ waren.

Hunderte von Veröffentlichungen und Vorträge zeichnen sein Leben und Wirken aus. Nicht nur das: Krahulec der deutsche Entdecker des „Fulda Gaps“ war und hat damit auch unserer Region die Augen vor den Gefahren eines neuen Krieges mehr als geöffnet. Hier nämlich, östlich von Fulda, wo das Gebiet des Warschauer Paktes am weitesten in den Westen hineinragte, gingen die Militärstrategen davon aus, dass die Armeen des Warschauer Paktes aufmarschieren und die Grenze Richtung Fulda in kürzester Zeit durchbrechen könnten. Deshalb wurden im Rahmen des „General Defense Plans“ der US-Armee u.a. auch der Einsatz taktischer Kernwaffen in Erwägung gezogen. Alleine im Bereich um Fulda wären weit über hundert Atomwaffen gezündet worden. Hautnah konnten die Menschen hier beispielsweise miterleben, wie im Zusammenhang mit der präventiven Gegenwehr des Westens in einem etwa 50 Kilometer breiten Gürtel entlang der Grenze Sprengschächte auf den Straßen angelegt wurden, um im Ernstfall die feindlichen Truppen auszubremsen. Nicht nur dies machte Peter Krahulec in der Region durch praktische Führungen dorthin der Öffentlichkeit bewusst. Er mischte sich auch vielfältig in Politik und Wissenschaft ein, um zu verdeutlichen, dass die Friedensaktivisten im Osten wie im Westen alleine gegen Militarismus waren – und nicht gegen die USA oder die UdSSR.

So war Peter Krahulec im Laufe seines Lebens u.a. auch Leiter der Arbeitsstelle Angewandte Friedenspädagogik in Fulda, Sprecher des bundesweiten Arbeitskreises „Frieden in Forschung und Lehre“, Mitglied im Dachverband der „Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung“, Beiratsmitglied der „Informationsstelle Wissenschaft und Frieden“ in Bonn und Vorstandsmitglied im „Studienkreis Deutscher Widerstand“. Erst als die oben genannten Verteidigungspläne mit dem Ende des „Kalten Krieges“ 1990 aufgegeben wurden, konnte Peter Krahulec aufatmen. Seitdem hatte er es sich bis zu seinem Tod zur Aufgabe gemacht, durch die Aufarbeitung der Geschichte mit seinen einstigen Mitakteuren auch die nachfolgenden Generationen für den Frieden auf der Welt zu sensibilisieren. Nicht selten war er in diesem Zusammenhang auch Gast auf Point Alpha in Rasdorf.

Da die Redaktion von fuldainfo Prof. Krahulec persönlich nicht näher kannte, haben wir Prof. Dr. Joseph Dehler, seinen einstigen Rektor der Fachhochschule Fulda (1982 – 1994), gebeten, uns ein paar Fragen zu dem Verstorbenen zu beantworten.

Die Rede von Prof. Dr. phil. Peter Krahulec – Ostermarsch 2014 auf der nächsten Seite

fuldainfo
Wie wir wissen, kannten Sie Herrn Prof. Dr. Peter Krahulec seit Ihrer Zeit als Rektor der Hochschule Fulda, an der dieser lehrte und forschte. Danke dafür, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns ein paar Fragen zu Ihrem einstigen Kollegen zu beantworten.

Dehler
Bitte haben Sie jedoch Verständnis dafür, dass ich vom Tod Peter Krahulec sehr betroffen bin, und deshalb meine Antworten nicht frei von Emotionen beantworten kann. Denn mit seinem Tod ist auch ein Teil meines Lebens gegangen.

fuldainfo
Inwiefern?

Dehler
Dass ich einst sein Dienstvorgesetzter war, und seine Arbeit an der Hochschule förderte, wo immer ich nur konnte, war doch nur meine Pflicht. Aber ich war ja auch mit Peter Krahulec bis zuletzt befreundet. Diese Freundschaft war eine besondere. Nämlich keine in persönlichen Dingen sehr nahe. Mehr eine Freundschaft, die ihre Kraft aus den Fragen und Problemen unserer Zeit sog. – Aus dem Bedürfnis und Willen, uns für unsere Umwelt, Mitwelt und Nachwelt zu engagieren, wenn ich das so pathetisch sagen darf. Viele Wege führten uns nicht nur im Denken zusammen, sondern auch im Handeln. Im Gedenken an die Opfer unserer Geschichte, im Protestieren und Widerstandleisten.

fuldainfo
Wo kamen Sie diesbezüglich beispielsweise zusammen?

Dehler
Z. B. an den Sprengkammern in unseren Straßen, durch die militärische Angreifer behindert werden sollten; im einstigen Nato-Depot Grebenhain, wo Kampfgasdepots vermutet wurden; in der Nähe Gersfelds, wo nahe der Grenze Wildflecken zur modernsten Schießbahn des Westens ausgebaut werden sollte. Ich erinnere mich auch an die Bürgerinitiative „Rettet den Michelsrombacher Wald“, wo die Amerikaner Riesenflächen des Waldes für einen Hubschrauberlandeplatz roden wollten. Oder an den Sternmarsch der Bürgerinitiative „Rettet den Eisenberg“ in der Nähe von Schlitz, wo ein Standortübungsplatz geplant war. Aber auch später nach den bekannten Atomunfällen auf dem Uni- und Bahnhofsvorplatz und natürlich in vielen Veranstaltungen, bei denen Peter Krahulec immer vorne mit dabei war. Überdies waren auch seine „organisierten Grenzlandfahrten“ weit über die Region hinaus bekannt.

fuldainfo
Was zeichnete Krahulec aus Ihrer Sicht besonders aus?

Dehler
Er war nicht nur ein Mann des Wortes, sondern auch der Tat; ein Mann des Widerstandes. Letztlich ein Bürgerinitiativler. Er griff vor allem die Zukunftsängste der Menschen auf, analysierte diese präzise und zeigte Lösungswege im Großen wie im Kleinen auf. „Aufgeben“ war überhaupt nicht seine Sache. Er war ein Kämpfer. Zwar suchte er die Zustimmung für seine Argumente, aber er war keineswegs darauf erpicht, sich Wohlwollen durch falsche Kompromisse zu erheischen.

fuldainfo
Was war Peter Krahulec aus Ihrer Sicht ansonsten für ein Mensch?

Dehler
Alles, was Krahulec tat, geschah aus Überzeugung. So habe ich ihn kennen und schätzen gelernt. – Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren. Dieses gerade war es, was uns näher brachte und zu Freunden hatte werden lassen. Kompromisse in politischen Fragen einzugehen, war nicht seine Stärke. So gesehen, stand er sich manchmal auch im Wege, wenn wir meinten, er solle (auch aus gesundheitlichen Gründen) hin und wieder besser einmal „loslassen“. Für manche, die ihn nicht näher kannten, wirkte er in solchen Situationen dann wie ein „Sturkopf“. Ich mochte ihn aber genau aus diesem Grunde. Er ging keiner Auseinandersetzung aus dem Wege; ja er suchte sie geradezu, um auf neue, höhere Stufen der Erkenntnis sowie seines Wirkens zu gelangen. Eine Triebfeder, die ich in der heutigen Welt weitgehend vermisse, – nicht zuletzt in der Politik.

fuldainfo
Haben Sie eine Vermutung, woher Herr Prof, Krahulec seinen Antrieb nahm, sich bis zu seinen letzten Lebenswochen so vehement für die Themen Frieden, gegen soziale Ungerechtigkeit und für den Schutz unserer Umwelt zu engagieren?

Dehler
Ganz bestimmt hatte es damit zu tun, dass er mit seinen Eltern als Dreijähriger aus Tschechien vertrieben wurde, im Viehwaggon hier angekommen war und dann als Flüchtlingskind aufwuchs. Er sagte einmal: „Dadurch habe ich eine widerborstige Eigenständigkeit entwickelt“. Und später machte er dann mit anderen „widerspenstigen Geistern“ Bekanntschaft. Mit diesen demonstrierte er u.a. gegen den Vietnamkrieg und war Teil der Studentenbewegung. Ich glaube jedoch, dass der Hauptimpuls für dieses, sein friedenspolitisches Engagement in der Region ein Zufall war: Er hatte nämlich auf einer Party in Ohio von einem US-Amerikaner Näheres über das „Fulda Gap“ erfahren. Seit dieser Zeit war für ihn klar: „Fulda wird meine Lebensaufgabe sein.“ Denn bei seinen Forschungen stieß er hernach auf amerikanische Materialien, die militärische Aktionen mit genauen Ortsangaben in der Region beschrieben.

fuldainfo
Was schmerzt sie in diesem Moment am meisten?

Dehler
Mir tut es sehr weh, dass seine Frau Vivienne, seine Kinder und Enkelkinder nicht mehr mit ihm den gemeinsamen Lebensweg gehen können. Das hatte er sich bis zuletzt so gewünscht. Es wäre für mich, aber auch für andere seiner Weggefährten schön gewesen, dies miterleben zu können. Auch schmerzt es mich, dass wir alle, denen er in seinem Leben so viel Kraft und Hoffnung gegeben hat, ihm diese, in seinen zuletzt schweren Tagen nicht zurückgeben konnten. Und nicht zuletzt, dass er uns nicht mehr als Ratgeber und Freund zur Verfügung steht. +++ fdi

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