Fulda in Zeiten des Naziterrors

Fulda stellt sich quer begrüßt die Aufarbeitung des Wirkens der Stadtverwaltung zwischen 1933 und 1945

Fulda. Die von der Stadt Fulda eingesetzte Historikerkommission hat sich nicht darauf einigen können, ob es das Wirken des früheren Fuldaer Oberbürgermeisters Dr. Franz Danzebrink (1930-1945) während der Nazidiktatur rechtfertigt, ihm weiterhin die 1964 posthum erteilte Ehre einer Straßenbenennung zu gewähren. „Die Tätigkeit der Fuldaer Stadtverwaltung während des Naziterrors wissenschaftlich aufzuarbeiten, ist eine zwar sehr späte, doch auch eine sehr gute Entscheidung“, erklärt Andreas Goerke, Sprecher von „Fulda stellt sich quer“.

„Doch die Entscheidung darüber, ob die Dr.-Danzebrink-Straße umbenannt wird, zu verschieben, erklärt sich daraus nicht. Auch wenn nicht alle sechs Historiker die Straßenumbenennung empfehlen, so haben doch alle Kommissionsmitglieder das Wirken von Dr. Franz Danzebrink untersucht und daraufhin eine schriftliche Stellungnahme vorgelegt“, betont Andreas Goerke. „Auf Grundlage dieser sechs Recherchen kann das Wirken des Dr. Danzebrink (1899–1960) als Oberbürgermeister öffentlich diskutiert werden, um darüber zu befinden, ob Franz Danzebrink diese hohe Anerkennung einer Straßenbenennung tatsächlich verdient hat – oder ob es nicht wesentlich angemessener ist, die Straße den Opfern zu widmen, in dem sie stellvertretend nach einem der vielen Fuldaer Opfern benannt wird.“

Unabhängig von dem Verfahren um den Namen dieser Straße am Aschenberg solle jedoch umgehend das Danzebrink-Porträt in der Galerie der Fuldaer Oberbürgermeister im Stadtschloss (Gang im Nordflügel) mit einem aussagefähigen Vermerk versehen werden. „Dieser soll auch in die OB-Präsentation auf der Website übernommen werden: Hier fällt auf, dass die Amtszeit des Danzebrink-Nachfolgers Erich Schmitt (1945-1946) sehr wohl erläutert wird: ’nach dem Kriege von den Amerikanern eingesetzt‘.“ In dem Zusammenhang kritisiert Andreas Goerke die Darstellung Danzebrinks in der Rubrik Straßennamenherkunft.

Dr.-Danzebrink-Straße: Dr. Franz Danzebrink, 1899 bis 1960, war Oberbürgermeister der Stadt Fulda von 1930 bis 1945. Wegen seines Könnens blieb er, obwohl vom Zentrum gewählt, auch nach 1933 im Amt. Ihm ist es zu verdanken, dass Fulda 1945 nicht durch amerikanischen Artilleriebeschuss zerstört wurde, da er persönlich sich zu den Amerikanern begab und bei den deutschen Truppen erreichte, nicht in Fulda zu kämpfen. Er starb als Ministerialrat in Bonn (1960). „Diese Geschichtsklitterung wirkt zynisch – gelinde gesagt. Als ob die menschenverachtende Politik der Nazis darauf ausgerichtet war, Menschen nach Können im Sinne von Kompetenz zu beurteilen. Unabhängig davon, ob oder wann die Straße umbenannt wird, muss diese Erklärung unverzüglich überarbeitet werden.“ Diese Art „gütiger Geschichtsdeutung“ auf der offiziellen Website der Stadt Fulda setzt sich in der Auflistung der Bürgermeister fort.

„Angeführt wird die Liste von Karl Ehser (1934-1945). Bei allen folgenden Bürgermeistern ist die Parteizugehörigkeit vermerkt (bis auf Karl Schmitt, der wohl keiner angehörte). Doch ausgerechnet bei Bürgermeister Karl Ehser (u. a. Brandstifter der Fuldaer Synagoge), der unbestreitbar NSDAP-Kreisleiter und überzeugter Statthalter Hitlers war, wird die Parteimitgliedschaft unterschlagen. Er trat bekanntermaßen umgehend nach der Wiedergründung der NSDAP im Februar 1925 der Partei bei (Mitgliedsnummer 5793) und gründete bereits im März die Fuldaer Ortsgruppe. Seine Parteizugehörigkeit muss sofort nachgetragen werden. Der menschenverachtende Faschismus ist eben leider nicht an dieser Stadt vorbeigezogenen.

Abschließend fasst Goerke für Fulda stellt sich quer zusammen: „Der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Wirkens der Stadtverwaltung stimmen wir voll zu. Parallel dazu sollte jedoch eine öffentliche Diskussion über das Wirken von OB Danzebrink auf Basis der Recherchen der Historiker-Kommission initiiert werden – also ein gesellschaftlicher Diskurs und nicht eine bloße parteipolitische Mehrheitsentscheidung. Umgehend jedoch muss die offizielle – allzu milde – Geschichtsdeutung an die historische Wahrheit angeglichen werden: Hinweis in die OB-Galerie im Schloss und auf der Website, Erläuterung der Straßennamenherkunft korrigieren und Ehsers Parteimitgliedschaft nachtragen.“ +++