Forscher zweifeln an Aussagekraft von Stickoxid-Messungen

Stundenspitzenwerte oberhalb von 200 Mikrogramm gebe es seit Juli nicht mehr

Karlsruhe. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben Zweifel an der Messmethode für Stickoxide in deutschen Großstädten sowie den aus den Messungen resultierenden Annahmen zur dortigen Luftqualität angemeldet. „Unsere Messungen zeigen, dass sich die Stickoxidwerte schon 20 bis 25 Meter von den Straßen weg halbieren“, sagte KIT-Messingenieur Jürgen Pfeil der „Welt am Sonntag“.

Die Forscher hatten mit Hilfe mobiler Messstationen in der als besonders belastet geltenden Stuttgarter Innenstadt an verschiedenen Punkten den Stickoxidgehalt der Luft geprüft. An zwei Messtagen ergab sich, verteilt über mehrere Stationen, ein Mittelwert von 35 Mikrogramm, der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm. Der offiziell gemessene Wert am besonders belasteten Neckartor für das Jahr 2016 betrug 81,6 Mikrogramm. Die am Neckartor gemessenen Werte „sind sicher nicht repräsentativ für ein Stadtgebiet“, sagte Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am KIT. Mit jedem Schritt weg von der Straße verringere sich die Belastung. Und direkt am Straßenrand wohne niemand. „Bereits auf Höhe des dritten Stockwerkes unmittelbar an der Straße sind die NO2-Immissionswerte um etwa 30 Prozent reduziert. Auf Dachhöhe werden Werte um 20 Mikrogramm bestimmt“, sagte Koch. „In Gebäuden selbst sind die NO2-Werte typischerweise halbiert.“ Zudem werde in der Diskussion nicht berücksichtigt, dass die NO2-Werte insgesamt bereits deutlich sinken würden. „Am Neckartor ist der NO2-Mittelwert von August bis Oktober 2017 um etwa 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken“, sagte Koch.

Stundenspitzenwerte oberhalb von 200 Mikrogramm gebe es seit Juli nicht mehr. „Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung muss man feststellen, dass die prinzipielle Diskussion über den Diesel absolut aus dem Ruder geraten ist und Fahrverbote völlig überzogen sind“, sagte der Institutsleiter. Im baden-württembergischen Verkehrsministerium hält man die geltenden Messmethoden hingegen für aussagekräftig. „Unser Gesamtbild zur Luftqualität entsteht nicht nur durch Auswertung der Ergebnisse an den vier Messstellen in der Stadt“, sagte der Abteilungsleiter „Nachhaltige Mobilität“ im Ministerium, Christoph Erdmenger. Man erhalte einen Überblick vor allem durch Modellrechnungen. „Anhand der Messstellen, die an den am höchsten belasteten Straßen stehen, sehen wir, dass diese Berechnungen stimmen“, so Erdmenger. „Insgesamt liegen übrigens nicht nur an Punkten wie dem Neckartor die Stickoxid-Werte deutlich über den Grenzwerten, sondern entlang von 70 Kilometern Straße.“ Die hohen Konzentrationen folgten natürlich dem Straßenverlauf. „Wir können darüber hinaus die Messstellen nicht irgendwo errichten, sondern müssen uns an die EU-Vorschriften halten. Und die sehen vor, dass man an besonders verkehrsreichen Punkten messen muss“, sagte Erdmenger. +++