Forscher kritisieren Stress für Grundschüler durch Übertrittszeugnisse

Berlin. Grundschüler sind oft starkem Stress ausgesetzt, wenn sie für den Übertritt auf Gymnasium oder Realschule einen bestimmten Notenschnitt erreichen müssen: Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Würzburg, über die die "Süddeutschen Zeitung" vorab berichtet. Demnach fühlen sich auch Eltern von Viertklässlern in Bayern, das Notenschnitte vorschreibt, deutlich mehr belastet als hessische Eltern, wo die Lehrer Empfehlungen für die weiterführende Schulart aussprechen. Die Wissenschaftler plädieren für neue Regeln beim Übertritt.

Die Studie kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Fast jeder zweite bayerische Dritt- und Viertklässler zeige erhöhte Stresswerte, die zum Teil alarmierend seien, sagte Heinz Reinders, Professor für Empirische Bildungsforschung an der Universität Würzburg und Co-Autor der Studie. In Hessen dagegen gibt nur gut ein Viertel der Eltern an, dass der Übergang ihr Kind sehr belaste. Ähnlich sieht es bei den Eltern selbst aus: Mehr als die Hälfte (54,6 Prozent) der bayerischen Eltern von Viertklässlern empfinden das Übertrittsverfahren als belastend, in Hessen ist es nur knapp ein Drittel. Besonders Eltern ohne Abitur oder Studium stresst die Situation oft, sie fühlen sich offenbar überfordert, während Akademikereltern ihr Kind leichter unterstützen können. Bestimmte Schüler sind laut Reinders besonders gefährdet: Die mit einem Notenschnitt von 2,66 zwischen Real- und Mittelschule stehen, also zwischen dem gängigen Weg zum Mittleren Abschluss, der fast alle Ausbildungsberufe eröffnet, und dem gängigen Weg zum Hauptschulabschluss, der oft nicht für eine Lehrstelle reicht.

Ein weiteres Risiko sind Eltern, die einen besseren Bildungsabschluss erwarten, als die Kinder leisten können. "Immerhin bei 16 Prozent der bayerischen Viertklässler ist die Stressbelastung so hoch, dass im Grunde eine Gefährdung des Kinderwohls nicht mehr weit entfernt ist", sagte Reinders. Der Bildungsforscher fordert, verbindliche Notenschnitte durch Beratungen und Empfehlungen zu ersetzen. Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) dagegen verteidigt das Verfahren. Sie seien die "sozial gerechteste Form der Entscheidung", sagte er der SZ. Am kommenden Montag erhalten Bayerns Grundschüler ihre Übertrittszeugnisse. Deren Notenschnitt entscheidet grundsätzlich darüber, auf welcher Schulart ein Schüler weitermachen darf. Ähnliche Regeln gibt es laut Reinders in Brandenburg, Bremen, Thüringen und Sachsen. +++ fuldainfo


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1 Kommentar

  1. Nun ja, in meiner Kindheit gab es auch diesen "Stress" und ich habe ihn überlebt. Ob es pädagogisch ist, Kindern jede Hürde aus dem Weg zu räumen, möchte ich bezweifeln. Alles was Kinder auch fordert wird heutzutage gleich als schlimm und unmenschlich betrachtet. Daher sinkt das schulische Niveau der Abiturienten, werden Notenlimits herabgesetzt, werden selbst auf Unis (um den Faden von der Grundschule aus weiter zu spinnen) schon gute Noten zur Pflicht - und was ist die Folge? - Viele Ausbildungen werden abgebrochen, anspruchsvolle Studiengänge verlieren nach 2 Semestern 50 - 80 % der Immatrikulierten. Und wenn dann doch eine Ausbildung oder ein Studium geschafft wird (mit Hilfe des "Krückstocks der gnädig vergebenen Noten"), kommt spätestens beim Antritt der ersten Stelle der Praxisschock. Dann kommen plötzlich Anforderungen, die keine Mama, kein Papa und kein verständnisvoller Pädagogikprofessor aus dem Weg räumt. Wir können es den Kindern nicht ersparen, dass das Leben Anforderungen stellt, denen sie vielleicht nicht gewachsen sind und nicht jeder schulische oder berufliche Wunsch kann erfüllt werden. Was mich eher beunruhigt, ist die Tatsache, wie sehr die schulische Ausbildung in Deutschland immer schlechter wird. Dies ist ein großes Übel und müsste dringend in Angriff genommen werden. Fördern, fördern, fördern ist die Devise und nicht die Limits absenken, nur um kindliche Frustration zu vermeiden. Wir geben den Führerschein ja auch nicht an 18-Jährige aus Mitleid ab, wenn sie noch nicht richtig fahrfähig, die Regeln nicht kennen und das Fahrzeug nicht beherrschen sind. Aber im schulischen Bereich und auch bei den Ausbildungen wird so verfahren.

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