Flüchtlingscamp ist fertiggestellt

Fulda. Die Zelte stehen. Die begleitende Infrastruktur von Dusch- über Waschanlagen bis hin zur Heizung und zu den Toiletten ist vorbereitet. Nun können die Flüchtlinge kommen, die auf dem Camp vor dem Polizeipräsidium Fulda ab Wochenbeginn untergebracht werden sollen. Pünktlich um 15 Uhr am Sonntag Nachmittag waren alle Arbeiten abgeschlossen. Eine „logistische Meisterleistung“, lobte der Erste Kreisbeigeordnete Frederik Schmitt, der die Zeltstadt gemeinsam mit dem Leiter des Katastrophenschutzstabes des Landkreises, Kreisbrandinspektor Adrian Vogler, an den Leiter des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales, Eduard Liske, übergab.

Flüchtlingscamp
Flüchtlingscamp

Schmitt, wie auch Landrat Woide (CDU) sowie Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) sprechen allen Beteiligten für ihren hervorragenden Einsatz ein großes Lob aus. Bereits am Freitagabend hatten zügig die Aufbauarbeiten auf dem Gelände begonnen. „Es ist kaum zu glauben, was binnen weniger Stunden von den vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern aus allen Teilen des Landkreises sowie den Hilfsorganisationen der Gemeinden des Nachbarkreises zustande gebracht wurde“, sind sich die drei Dezernenten aus Kreis und Stadt einig. Insgesamt 16 verschiedene Einheiten waren im Einsatz. Sogar aus Hanau-Erlensee war die Fachgruppe Elektroversorgung des Technischen Hilfswerkes (THW) nach Fulda ausgerückt, um dem Team vor Ort beim Aufbau der Zeltunterkünfte zu helfen. Erwartet werden rund 500 Flüchtlinge. Landrat Bernd Woide, Fuldas Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld sowie Polizeipräsident Alfons Hoff hatten bereits Ende der Woche ihre Bereitschaft unterstrichen, dem Land Hessen bei der Unterbringung zu helfen. „Wir sehen den Engpass bei der Unterbringung, wollen deshalb das Land unterstützen und setzen zugleich auf das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger für die dringend notwendige Hilfeleistung“, so Fuldas Oberbürgermeister und Polizeipräsident Hoff.

Das DRK und der Malteser Hilfsdienst übernehmen für vier Tage die Einsatzleitung und koordinieren die Betreuungs – und Sanitätsdiensteinsätze. Bis heute Abend waren die beiden Organisationen mit insgesamt 53 Helfern im Einsatz, darunter z.B. die Helfer des Malteser Hilfsdienstes Ortsgliederung Steinhaus und des Betreuungszugs des Deutschen Roten Kreuzes Flieden/Neuhof. Der Malteser Hilfsdienst Kerzell übernimmt bis 20 Uhr den Sanitätsdienst auf dem Gelände. Danach übernimmt das Deutsche Rote Kreuz Hünfeld.

fuldainfo sprach mit Bernd Woide über die Flüchtlingssituation.

Bernd Woide: „Wir können nicht alle aufnehmen!“

fuldainfo: Die Anzahl der Asylbewerber wurde vom Bund auf 800.000 aufgestockt. Eine Zahl, die im ersten Moment etwas erschreckt. Mit welchen Zahlen haben Sie ursprünglich für den Landkreis gerechnet und wo stehen wir heute?

Woide: Eine Zahl ist sicher die, die es prägnant darstellt. Wir hatten in 2006 Flüchtlingszuweisungen von 30. Das haben wir mittlerweile pro Woche, was für die Dramatik der Situation spricht. Eine weitere große Problematik ist, dass kein Mensch vorhersehen kann, wie es sich tatsächlich ereignen wird. Ein Anstieg von 400.000 auf 800.000 – binnen weniger Wochen – spricht eine eindeutige Sprache. Unser Problem, welches wir als Kreis haben, ist, dass die grundlegenden Entscheidungen im Asylbereich/Flüchtlingsbereich ja gar nicht bei uns liegen, demnach nicht von uns getroffen werden. Beispielsweise, ob jemand als Flüchtling oder Asylbewerber anerkannt ist, diese trifft der Bund oder das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration. Die Entscheidung, wann ein Asylverfahren abgeschlossen ist – also kein Asyl gewährt wird, die sogenannten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen (Abschiebung), – diese wird wiederum vom Land getroffen. Das heißt: Wir haben keine Entscheidung darüber, wann ein Flüchtlingsaufenthalt beginnt und wann er endet. Wir sind in Verantwortung, die Menschen menschenwürdig unterzubringen und das ist schwierig genug.

fuldainfo: Wie möchten Sie das bewerkstelligen? Wie sieht das für unseren Landkreis überhaupt aus?

Woide: Da müssen wir zum einen einmal von den Erstaufnahmeunterkünften und zum zweiten von den lehrstehenden Gebäudekomplexen unterscheiden. Eine große Problematik sehe ich in der Unterbringung in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Das ist hier in Hessen Gießen, wovon wir wissen, dass Gießen momentan aus allen Nähten platzt. Tätig werden wir als Landkreis nur dann, wenn uns Flüchtlinge zugewiesen werden und das nachdem – idealtypisch – alle Erstaufnahmeregularien abgeschlossen sind. Was die Zeltunterkünfte betrifft, diese sehe ich in unserer Region als etwas Hochproblematisches an. Was die Unterbringung in Gebäudekomplexen betrifft, da gibt es beispielsweise Pensionen in der Rhön oder auch woanders – das muss man sehen.

fuldainfo: Wie geht die Bevölkerung mittlerweile hier im Landkreis mit dieser Thematik um, hat sich die Skepsis inzwischen etwas gelegt?

Woide: Natürlich gibt es auch die kritischen Stimmen. Das ist aber auch legitim. Diese sind mit Sorgen, Befürchtungen und mit Ängsten verbunden. Damit muss man umgehen. Es gilt Jenen, die solche negativen Gedanken haben, die Skepsis zu nehmen. Da muss man informieren und da informieren wir als Landkreis auch. Aufpassen muss man, wenn diese Gedanken in Hass umschlagen. Da sind wir hier in Fulda, Gott sei´ Dank weit entfernt. Wir sind weit entfernt von Verhältnissen in den neuen Bundesländern. Ich persönlich denke, dass die Bevölkerung Verständnis dafür hat. Ruhiger und toleranter wird es dann, wenn die Menschen einmal bei uns sind und man die Kinder sieht, man insofern diesen Menschen ein Gesicht zuordnen kann. Ich glaube, dass wir gegenwärtig in Fulda eine Situation haben, die noch sehr ruhig ist. Wir hatten jetzt keine Demos gegen Asylbewerber oder sonstiges, eben auch, weil wir vernünftig informieren und natürlich die Bevölkerung auch sieht, dass das alles Menschen sind, die in großer Not zu uns kommen und wirklich unsere Hilfe und unseren Beistand brauchen.

fuldainfo: Wie schätzen Sie die Problematik hinsichtlich der Wirtschaftsflüchtlinge ein? Wie schnell müsste man hier agieren?

Woide: Das ist sicherlich eine sehr große Problematik und da ist auch die Bundespolitik ordentlich gefordert. Es gibt ja eine Auffassung, die besagt, man kann und soll überhaupt nicht mehr differenzieren. Die Problematik ist die, wenn wir das als rechtlichen Maßstab nehmen. Also sagen, wenn es Jemandem auf der Welt schlecht geht (ein geringes Einkommen oder Ähnliches) und dies als Asylgrund deklarieren, dann haben wir vielleicht 4 Milliarden Menschen auf der Welt, die einen Asylgrund hätten nach Deutschland zu kommen. Das wird so nicht funktionieren! Ich glaube schon, dass man sich speziell dem „Balkan“ widmen muss. Zum Beispiel auch ein Thema – über was man überhaupt noch nicht spricht, ist die Ukraine. Was ist, wenn sich die Lage dort nicht beruhigt? Dann werden wir mit der Situation dort noch eine weitere Thematik haben und damit ist dann einfach ein Punkt erreicht, wo wir in der Bevölkerung sehen müssen – und das sehe ich persönlich mit Sorge – ,dass man sagt, das ist einfach zu viel, das ist nicht mehr händelbar.

fuldainfo: Das heißt, wir können nicht Alle aufnehmen?

Woide: Richtig! Das geht einfach nicht; Das ist unrealistisch! Und da muss man auch ganz klar sagen, wer in der Bevölkerung den Eindruck erweckt, dass wir das – in diesem Ausmaß, mit dieser Intensität – unbegrenzt weitermachen können, der handelt unredlich. Da ist dann auch eine Grenze erreicht. Die, die zu uns kommen, die müssen wir menschenwürdig unterbringen – da bin ich voll d’accord, aber wir müssen auch deutlich machen, dass es da eine Grenze gibt.

fuldainfo: Wo sehen Sie das Ende? Denn dieses scheint im Moment als nicht gegeben?

Woide: Das ist im Moment nicht absehbar. Zumal ja auch alles mit der internationalen Situation zusammenhängt. Gegenwärtig ist nicht absehbar, dass es – im Hinblick auf den Nahen Osten oder Afghanistan – irgendwelche Veränderungen gibt. Zumal ist Deutschland für die Menschen das Gelobte Land. Wir leben in Freiheit und Frieden, dürfen frei wählen. Viele dieser Menschen, die zu uns kommen, würden ihr Leben dafür geben, einmal frei wählen zu dürfen. Sie kommen aus Ländern zu uns, in denen das nicht möglich ist.

fuldainfo: Stichpunkt „Gelobtes Land“ – Zurzeit diskutiert man über Sachleistung oder Bargeld. Könnte man  hier vielleicht ansetzen und den Menschen klarmachen, dass sie mit diesem Geld, was sie bei uns erhalten, auch nicht viel weiter kommen, als in ihrer Heimat?

Woide: Sie dürfen nicht außer Acht lassen, dass die Menschen, die jetzt – gerade auch aus dem Balkan – zu uns kommen, diese Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beurteilen und dies ist in jeglicher Hinsicht besser, als die Leistungen, die sie in ihrer Heimat, unter normalen Verhältnissen verdienen. Da kann man den Menschen keinen Vorwurf machen, Jeder, der an ihrer Stelle wäre, würde genauso handeln.

fuldainfo: Wie sieht die derzeitige Gesamtsituation im Landkreis in etwa einem halben Jahr aus?

Woide: Zum jetzigen Zeitpunkt Prognosen abzugeben – das kann nur falsch sein. Das traue ich mir nicht zu. Wir versuchen mit dem, was wir können, zu helfen. Auch helfen wir mit kommunalen Geldern, wie zum Beispiel beim „Treffpunkt Aktiv“ und ermöglichen dadurch Deutschkurse; Das müssten wir gar nicht, machen wir aber. Das, was wir uns immer wieder vor Augen halten müssen, ist, dass wir diese Menschen menschenwürdig unterbringen müssen. Man kann keinem vorwerfen, dass er aus großen Nöten, aus Krieg und Verfolgung, in ein anderes Land flüchtet; Das würde jeder von uns tun, aber es schafft uns halt in der Gänze ein großes Problem.

fuldainfo: Wo ist hinsichtlich der Unterbringung im Landkreis Fulda das Ende? Wie viele Menschen kann man noch aufnehmen?

Woide: Das kann man so nicht sagen. Es gibt sicherlich das ein oder andere Angebot hinsichtlich Pensionen oder Hotels. Dann wird es vielleicht ja auch dann hoffentlich auch so sein, dass das Thema der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen wieder näher in den Fokus rückt und die Menschen dann vielleicht auch hoffentlich von selbst wieder zurückgehen und sie realisieren, dass es eben auch kein Asylgrund gibt. In erster Linie betrifft dies die Balkanländer – das kann vielleicht auch Entlastung schaffen – da muss auch schneller abgeschoben werden, als das bislang der Fall ist. Das ist wie gesagt nicht unsere Aufgabe, sondern die der Länder und dann kann man nur hoffen, dass sich das irgendwann einmal stabilisiert, aber das ist natürlich auch nur ein Hoffnungswunsch, keiner weiß, wie sich die Sachlage noch entwickeln wird.

Auch sprachen wir am Rande eines regionalen Pressetermins mit Staatsminister Axel Wintermeyer über die Flüchtlingsdramatik.

Wie der Chef der Hessischen Staatskanzlei, Staatsminister Axel Wintermeyer (CDU) gegenüber fuldainfo verdeutlichte, rechne man 2015 mit 55.000 Asylbewerbern in Hessen. Eine der Hauptanforderung an das Land Hessen sei, dass man bis Oktober keine Flüchtlinge mehr in Zelten unterbringen müsse, außerdem habe man sich gegenüber dem Bund verpflichtet, Flüchtlinge, die keine sichere Bleibeprognose haben, in den Aufnahmelagern zu halten, so der Staatsminister. Man werde also nicht drum herum kommen, zusätzliche Baumaßnahmen einzuleiten, Container aufzustellen und sicher auch die ein oder andere Turnhalle zu requirieren, um die Flüchtlinge im Winter warm und sicher unterbringen zu können. Da wir keinen nationalen Notstand haben, sei eine Beschlagnahme von leerstehenden Gebäuden nicht angezeigt, so der Minister. Der Staat habe eigene Turnhallen und Gebäude, die er zu Verfügung stellen könne, dies wird jedenfalls ausreichen. Alles andere sei eine Diskussion, die man eher unter den Gesichtspunkt „Aktivismus“ einordnen müsse, so der Minister gegenüber fuldainfo. Weiter sagte Wintermeyer: „Wir müssen Ruhe bewahren und die Menschen, die eine sichere Bleibeprognose haben, so schnell wie möglich integrieren.“ +++ fuldainfo | nh – ja

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