Finanznot in Hessens Kommunen

Landesversammlung fordert strukturelle Lösungen

HSGB
Rund 150 Vorsitzende der hessischen Stadt- und Gemeindeparlamente nahmen an der Landesversammlung des HSGB teil. Foto: HSGB/Stefan Krutsch

Die finanzielle Lage hessischer Städte und Gemeinden steht zunehmend unter Druck. Auf der Landesversammlung der Stadtverordnetenvorsteherinnen und Gemeindevertretungsvorsitzenden, die am 11. Juni im Hessischen Landtag in Wiesbaden stattfand, war die kommunale Finanzausstattung das dominierende Thema. Rund 150 Vertreterinnen und Vertreter aus ganz Hessen folgten der Einladung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes (HSGB) und machten deutlich: Die finanzielle Belastung an der kommunalen Basis ist alarmierend – und strukturelle Lösungen dringend erforderlich.

Finanzielle Schieflage trifft Kommunen hart

Die kommunalen Haushalte ächzen unter der Last neuer Aufgaben, die auf Bundes- und Landesebene beschlossen werden, während die finanziellen Spielräume schrumpfen. Folge: Rücklagenabbau, Steuererhöhungen und Kürzungen bei freiwilligen Leistungen. Betroffen sind nicht nur die Verwaltungen, sondern auch ehrenamtlich Engagierte, die sich dem zunehmenden Unmut der Bevölkerung stellen müssen – teilweise sogar in Form von Gewalt. Parlamentspräsidentin Astrid Wallmann warnte in ihrer Rede vor den Gefahren politischer Polarisierung: „Die demokratische Auseinandersetzung darf nicht in Gewalt umschlagen. Wir müssen alle gemeinsam für unsere demokratischen Werte eintreten – auch und gerade, wenn Meinungen auseinandergehen.“

„Herzkammer der Demokratie“ braucht mehr finanzielle Schlagkraft

HSGB-Präsident Markus Röder bezeichnete die Kommunen als „Herzkammer der Demokratie“. Doch diese könne nur funktionieren, wenn sie über ausreichende finanzielle Mittel verfüge: „Die kommunale Muskulatur muss gestärkt werden – sonst droht der Stillstand.“ Die Anwesenden betonten, wie schwierig es sei, mit knappen Kassen vor Ort tragfähige Entscheidungen zu treffen, ohne das Vertrauen der Bürger zu verlieren.

Sozialausgaben als Kostentreiber

Einen umfassenden Einblick in die finanzielle Lage der Kommunen gab Patrik Kraulich vom Hessischen Finanzministerium. Trotz hoher Steuereinnahmen belasten stark wachsende Ausgaben – vor allem im Sozialbereich – die Haushalte. Im Jahr 2024 ergab sich ein kommunales Defizit von 2,6 Milliarden Euro. Ursache sei nicht mangelnde Einnahmebereitschaft, sondern eine stetig zunehmende Anspruchslast. Zudem sei die Fördermittelvergabe oft zu komplex. Vereinfachung und Bürokratieabbau seien daher zentrale Ziele der Landesregierung. Doch ein vollständiger Ausgleich über den Kommunalen Finanzausgleich sei nicht realistisch. Vielmehr müssten strukturelle Ursachen, etwa in der Sozialgesetzgebung und Migrationspolitik, angegangen werden. Kraulich sprach sich dafür aus, dass Land und Kommunen gemeinsam im Bundesrat auf notwendige Reformen hinwirken.

Grundsteuerreform trifft ländlichen Raum

Im Zuge der Grundsteuerreform ergeben sich laut Kraulich spürbare Auswirkungen im Finanzausgleich – vor allem für den ländlichen Raum. Anpassungen im Hessischen Finanzausgleichsgesetz (HFAG), etwa bei den Nivellierungshebesätzen und beim Siedlungsindex, seien unumgänglich. Das neue Gesetz soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten. Diskussionen hierzu sollen nach der Sommerpause beginnen.

HSGB fordert Entlastung auf allen Ebenen

Dr. David Rauber, Geschäftsführer des HSGB, zeigte in seinem Bericht klar auf, wo aus Sicht des Kommunalverbands akuter Handlungsbedarf besteht: bei den übertragenen Aufgaben, bei der Sicherung kommunaler Einnahmen und bei einer aufgabengerechten Finanzausstattung durch das Land. Besonders kritisierte Rauber die zunehmende Überregulierung: „Beauftragte, Beiräte, Berichtspflichten – diese ‘gefährlichen Bs’ sind eine Dauerbaustelle. Was fehlt, ist Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung.“ Rauber erinnerte an die vielfältige Realität der hessischen Kommunen: „Eine Lösung, die in Wiesbaden funktioniert, passt nicht automatisch in Weißenborn oder Wetzlar.“ Eine differenziertere Gesetzgebung sei daher unerlässlich.

Weitere Themen: Cybersicherheit, Feuerwehrgesetz, Digitalisierung

Auch andere Zukunftsthemen kamen zur Sprache: Geschäftsführer Johannes Heger begrüßte unter anderem neue Klarstellungen des Innenministeriums zur Sicherheit bei Veranstaltungen und kündigte Vorbereitungen für die Kommunalwahlen 2026 an. Zudem stehen Veränderungen im Feuerwehrrecht bevor – inklusive der Option, Dienst bis zum 67. Lebensjahr zu leisten. Harald Semler, ebenfalls Geschäftsführer, hob die zunehmende Bedeutung der Cybersicherheit hervor. Mit dem vom Land initiierten Aktionsprogramm „Kommunale Cybersicherheit“ und dem CyberCompetenceCenter (Hessen3C) werde dieser Bereich aktiv gestärkt.

Politik muss handeln – gemeinsam und entschlossen

Die Diskussionen zeigten: Der Reformbedarf ist groß. Ohne strukturelle Entlastungen und ein Umdenken bei der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Land und Kommunen droht die kommunale Selbstverwaltung an ihre Grenzen zu stoßen. Der Appell an die Politik ist eindeutig: Nur durch mehr Vertrauen, weniger Bürokratie und eine faire Finanzausstattung kann das Rückgrat der Demokratie – die kommunale Ebene – handlungsfähig bleiben. +++


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1 Kommentar

  1. Als langjähriger Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion in FLIEDEN und auch der SPD-Kreistagsfraktion im Kreistag des Landkreises Fulda habe ich regelmäßig an diesen Veranstaltungen teilgenommen.
    Karl-Christian Schelzke war bis zum 31. Mai 2020 Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes (HSGB). Nach fast 21 Jahren im Amt wurde er von Dr. David Rauber abgelöst.
    Auch in dieser Zeit wurde stets um eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommuneren gerungen!
    Eine tatsächliche Einsparung in Milliardenhöhe wäre mit der Abschaffung der Regierungspräsidien Darmstadt, Gießen und Kassel zu erreichen!
    Mit diesen Milliarden Euro könnte den Kommunen deutlich spürbar und nachhaltig unter die Arme gegriffen werden!

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