Festakt zum 35. Tag der Deutschen Einheit in Point Alpha

Jeden Tag entscheiden wir selbst, miteinander!

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Deutschland blickt auf 35 Jahre Wiedervereinigung zurück – der 3. Oktober ist ein Datum, das nicht nur das Ende der Teilung markiert, sondern auch den Beginn eines gemeinsamen Weges voller Herausforderungen und Chancen. Point Alpha zwischen Rasdorf und Geisa steht als ein wertvolles Monument für diese epochalen Ereignisse. „Diktatur oder Demokratie? Kein Unterschied?“ Diese einfache, rhetorische Frage war der rote Faden von Rainer Eppelmann beim traditionellen Festakt zum „35. Tag der Deutschen Einheit“ in der Gedenkstätte Point Alpha. Die Antwort lieferte er gleich mit in dem er über seinen Alltag, seine Erlebnisse und seinen Protest im Überwachungsstaat DDR bis hin zur Wiedervereinigung erzählte. Die Fahrzeughalle im US Camp war zum Jubiläum bestens gefüllt, darunter die Ehrengäste Boris Rhein, Hessischer Ministerpräsident sowie Katja Wolf, Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin von Thüringen.

Rainer Eppelmann

Diktatur oder Demokratie? Kein Unterschied? Der heute 82-jährige Berliner weiß wovon er spricht. Er hat nicht nur Geschichte erlebt, er hat sie geprägt. Eppelmann ist eines der bekanntesten Gesichter der Oppositionsbewegung in der DDR und des turbulenten Revolutionsherbstes. Als Minister für Verteidigung und Abrüstung in der letzten und einzig frei gewählten DDR-Regierung löste er die Nationale Volksarmee (NVA) auf. Dem aufmerksamen Publikum lieferte Eppelmann einen detaillierten Einblick in das damalige Leben in der DDR, „wo einer herrschte, er die Macht hatte, er bestimmte für alle Bürger, denn er alleine weiß, was für jeden richtig ist“. Bei diesem Diskurs mit der Geschichte analysierte aus seinem Blickwinkel zudem markante politische Ereignisse wie den Mauerbau, den Arbeiteraufstand 1953 oder die erste Massendemonstration in Leipzig am 9. Oktober 1989, „der Tag, an dem die Angst die Seite wechselte“. Der Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der sich selbst als „friedlicher Unruhestifter im Knast DDR“ charakterisiert, schätzt die Stimme des Volkes. Den Besuchern auf Point Alpha verriet er daher seinen geheimen Wunsch: 93 Jahre alt möchte er werden. Warum? Dann könne er zufrieden zu seiner Frau sagen, berlinerte der Festredner: „Schatz, jetzt lebe ich länger in der Demokratie als in der Diktatur“. Und den Anwesenden gab er mit auf den Weg: „Demokratie oder Diktatur? Jeden Tag entscheiden wir selbst, miteinander!“

Benedikt Stock

„Die Wiedervereinigung war ein epochales Ereignis, die riesige Euphorie bei den Menschen auslöste“, hatte Dr. Stefan Heck, Stiftungsratsvorsitzender der Point Alpha Stiftung, zum Auftakt festgestellt, bei dem er zahlreiche Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Institutionen begrüßte. In seinen Ausführungen hob er den Zusammenhalt hervor, den auf der einen Seite die Alliierten bei der Verteidigung der Freiheit sowie auf der anderen Seite die Bürgerbewegung der DDR unter Beweis gestellt hätten. Heute sei ein solcher Zusammenhalt genauso wichtig, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen und um den Feinden der Freiheit entgegenzutreten und unsere Art zu leben zu verteidigen. „Point Alpha war im Kalten Krieg ebensolcher Ort der Stärke, der Zusammenhalt vermittelte. Heute tut er das als außerschulischer Lernort“, unterstrich Heck. Die Point Alpha Stiftung danke den vielen Engagierten und Organisatoren, die sich in 30 Jahren Point Alpha eingebracht, den Ort vor dem Abriss bewahrt und den Projekten ihrer Zeit Energie und Ideen geschenkt hätten. „Erinnerung, Aufarbeitung, Begegnung und Lernen – rund zwei Millionen Menschen haben sich seit dieser Zeit auf eine Reise in die deutsche und internationale Geschichte begeben. Darauf sind wir stolz.

„35 Jahre Deutsche Einheit und 30 Jahre Point Alpha erinnern uns daran: Freiheit ist nicht selbstverständlich. Sie muss errungen und verteidigt werden“ betonte Boris Rhein in seinem Grußwort. „Gleichgültigkeit ist die größte Bedrohung für das, was wir genießen“, mahnte der hessische Ministerpräsident. Vielmehr brauche die Gesellschaft Haltung, Verantwortung, den Einsatz auch für die Schwächeren und man dürfe nie schweigen. „Unsere offene Art zu Leben ist unter Druck geraten. Wir wollen ein Bollwerk für Vielfalt und Werte und müssen uns auf unsere Stärken besinnen“, führte der Landeschef weiter aus. Der eins heißeste Punkt im Kalten Krieg habe eine besondere Aura und stehe für die Einheit und unsere Partner und Freunde, die uns auf dem Weg zur Wiedervereinigung unterstützt hätten. „Jahrzehntelang standen hier amerikanische Soldaten Seite an Seite mit den Menschen in der Region.“ Seinen Dank richtete er an die Point Alpha Stiftung. Sie mache Geschichte sichtbar und bewahrt die Erinnerung. Europa müsse Friedens- und Freiheitsprojekt bleiben.

Katja Wolf sprach sich dafür aus, dass vor allem die Sozialisation für Ostdeutschland eine größere Rolle spielen solle. „Die Menschen dort müssen besser mitgenommen werden“, forderte die stellvertretende Ministerpräsidentin und Finanzministerin von Thüringen. Trotz des feierlichen Anlasses sei für sie die Grenze zwischen Ost und West in gewissen Lebensbereichen weiterhin spürbar und führte dazu kulturelle Aspekte als Beispiel an. Ihr Wunsch sei es, dass wir uns als gemeinsame Deutsche empfinden, mit gegenseitigem Respekt und dass man sich gegenseitig zuhören. Mit dem Blick zurück auf die Wiedervereinigung unterstrich auch sie den Beitrag der Bürgerbewegung, erinnerte aber unter anderem auch an Länder wie Ungarn oder Politiker wie Willy Brandt, George W. Bush und Michail Gorbatschow, die den Weg für die Deutsche Einheit ebenfalls bereitet hätten.

Den Mut der Menschen für den Umbruch auf die Straße zu gehen und den Mut der Verantwortungsträger unmittelbar den Prozess der Wiedervereinigung einzuleiten, stellte Benedikt Stock in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. „Es gab einen hohen Zeitdruck, kein Lehrbuch oder Patentrezept und eine Ungewissheit, was die gemeinsame Zukunft betraf. Es wurde nicht gezögert, es wurde gehandelt“, sagte der Geschäftsführende Vorstand der Point Alpha Stiftung. Diesen Mut und diese Entschlossenheit wie vor 35 Jahren werde auch heute in Gesellschaft, Politik und Verwaltung dringend gebraucht, um notwendige Reformen schnell und pragmatisch anzupacken. Point Alpha stehe zum einen für diesen Mut der Menschen der friedlichen Revolution, zum anderen aber auch als Mahnung eine weitere Diktatur auf deutschem Boden zu verhindern. „Aufgabe der Point Alpha Stiftung ist es, die Vergangenheit aufzuarbeiten, damit Schüler und Jugendliche die richtigen Schlüsse für die Zukunft ziehen.“ Im Zusammenhang mit „30 Jahre Point Alpha“ dankte Stock allen Gründungsvätern, Initiatoren, den Trägervereinen und allen politischen Institutionen und Freunden für die fortwährende Unterstützung. Point Alpha würde seine Aufgaben kaum bewältigen, wenn es nicht von einem ganz tollen Team getragen werden würde.

Eingeleitet worden war der Festakt mit einer Kranzniederlegung unter Mitwirkung der Kyffhäuser- und Reservistenkameradschaft Grüsselbach mit dem Vorsitzenden Alfred Gollbach sowie der Soldatenkameradschaft 1888 Fulda unter Leitung von Jürgen Storch am Denkmal der deutschen Teilung und der Wiedervereinigung. Mit Kränzen gedachten die Landtage und Staatskanzleien von Thüringen und Hessen sowie der Wartburgkreis und der Landkreis Fulda Grenzopfern aber ebenso den Mutigen der Friedlichen Revolution. Für die würdevolle musikalische Umrahmung der Veranstaltung sorgte das Jugendblasorchester der Musikschule des Wartburgkreises unter der Leitung von Christoph Pimpl. +++


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