Familienunternehmer sieht Deutschland in „schlechtem Zustand“

Scharfes Urteil trifft auch die Spitzen der Bundespolitik

Gewerbegebiet

Der Familienunternehmer Jürgen Heraeus sieht Deutschland „in einem schlechten Zustand“. Es herrsche „eine große Apathie. Nichts geht voran – außer der Bürokratie“, sagte der Aufsichtsratschef des gleichnamigen Hanauer Milliarden-Konzerns dem „Handelsblatt“. Er sehe das Land „verkommen zu einer Republik von Planfeststellungsverfahren, in dem jede abwegige Meinung und jedes Partikularinteresse berücksichtigt werden muss“, so der Familienunternehmer weiter.

Sein scharfes Urteil trifft auch die Spitzen der Bundespolitik samt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): „Frau Merkel bewegt nichts mehr in Deutschland“, sagte Heraeus. Der hiesigen Wirtschaft attestierte er einen Niedergang auf breiter Front – von den Energiekonzernen bis zum einst bedeutenden Finanzplatz Deutschland: „Wir hatten ja mal große und international bedeutende Geldinstitute. Und natürlich gilt das vor allem für die hiesige Autoindustrie, deren drohender Niedergang wirklich das verheerendste Zeichen von allen ist“, so der Aufsichtsratschef. Ihn störe zudem „die Halbherzigkeit in der Politik“. Die CO2-Emmissionen müssten „schrittweise so teuer werden, dass sie uns zu Innovationen geradezu zwingen“, so der Familienunternehmer weiter. Er zeigte sich generell enttäuscht: „Tempo und Ehrgeiz, die aus Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ein ökonomisches Wunder machten, sind jetzt eher in China zu finden“, sagte Heraeus dem „Handelsblatt“. Es sei aber „völlig idiotisch, die Volksrepublik zum Feind zu deklarieren. Sie ist nun mal keine Demokratie. Und auch wenn sie viele Dinge machen, die ich nicht gut finde, können wir die Chinesen doch nicht an unseren Wertmaßstäben oder gar kulturellen oder humanistischen Idealen messen“, so der Familienunternehmer weiter.

Zudem attackierte er auch die EU-Spitze: „Eigentlich müsste spätestens jetzt mal eine Debatte darüber geführt werden, wohin dieses Europa will. Schon um einen zweiten oder dritten Austritt zu vermeid en“, so der Aufsichtsratschef. Stattdessen schnüre EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) „ziemlich großspurig Finanzpakete, die sie gar nicht hat – rund um eine Öko-Strategie, die längst nicht alle Mitgliedsländer mittragen.“ Wenn es Europa nicht in den nächsten 20 Jahren gelinge, „sich gemeinsam als starke Kraft zu positionieren, werden wir zwischen so mächtigen Blöcken wie den USA und China keine Rolle mehr spielen – außer vielleicht als Urlaubs-Destination. Wir müssen Einheit wagen, statt uns in Debatten über Plastik-Strohhalme zu verzetteln“, sagte Heraeus dem „Handelsblatt“.