Experten warnen vor Corona-Herbstwelle

Die Dunkelziffer an Infektionen mit dem Coronavirus ist nach Meinung von Experten mindestens doppelt so groß wie die Zahl der offiziell gemeldeten Infektionen. Er schätze die Dunkelziffer auf zwei- bis zweieinhalbmal so groß wie die Inzidenz, sagte Thorsten Lehr, Modellierer an der Universität des Saarlandes, dem "Spiegel" dazu. "Wir testen schlicht weniger. Und die Inzidenzen gehen auffälligerweise in den Bundesländern zurück, die jetzt schon Sommerferien haben." Deutschland bewege sich "auf so hohem Niveau in den Herbst wie noch nie", sagte der Wissenschaftler, der sich mit seinem Team die vergangenen zwei Jahre der Pandemie genauer angesehen hat. Im Schnitt setze sich alle vier bis fünf Monate eine neue Mutante des Sars-CoV-2-Virus durch, sagte Lehr, "und jedes Mal war sie doppelt so infektiös wie die davor". Der Modellierer hält es für wahrscheinlich, dass in Deutschland demnächst eine neue Variante auftaucht, wie etwa BA.2.75, eine weitere Omikron-Linie, die derzeit in Indien BA.5 überholt. "Das Virus hat bisher immer intelligente Wege gefunden, sich noch besser zu verbreiten", sagte der Wissenschaftler dem "Spiegel". Die immer noch nicht geschlossene Impflücke befeuere die brisante Lage noch, sagte Lehr. Er erinnerte daran, dass die Impflücke mit jedem Tag größer werde, da bei Geimpften die verliehene Immunität kontinuierlich abnehme. Auch die Urlaubszeit beeinflusse das Infektionsgeschehen. Bisher hätten Reiserückkehrer "noch in jedem Herbst neue Varianten eingetragen", so Lehr. Wenn man all das zusammenzähle, könne er sich nicht vorstellen, "dass wir ohne bremsende Maßnahmen auskommen", sagte der Modellierer.

Länder zweifeln an Impfpflicht in Krankenhäusern und Pflegeheimen

Die Länder haben offenbar große Vorbehalte gegen die Impfpflicht in Krankenhäusern und Pflegeheimen und fordern eine Neubewertung der Maßnahme. Das geht aus einem internen Abschlussbericht des inzwischen aufgelösten Coronakrisenstabs der Bundesregierung hervor, über den das Portal "Business Insider" berichtet. Er wurde am Donnerstag bei einem Bund-Länder-Treffen zum geplanten neuen Infektionsschutzgesetz vorgestellt. Der Krisenstab hatte im April und Mai mit allen Ländern über ihre Erfahrungen beim Coronakrisenmanagement gesprochen. Der Bericht beinhaltet die Ergebnisse. Unter anderem wollen sich die Länder frühzeitig mit dem Bund darüber austauschen, wie eine Impfstrategie im Herbst aussehen kann. Zudem fordern alle Länder eine frühzeitige Stiko-Empfehlung fürs Impfen. Zudem berichten die Länder laut Bericht von Schwierigkeiten bei der Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht und fordern eine neue Evaluierung, wie die Impfpflicht praktisch umgesetzt werden könnte. Konkret heißt es: "Die Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wird überwiegend als schwierig angesehen. Eine diesbezügliche Neubetrachtung der Um- und Durchsetzbarkeit wird durch einige Länder als notwendig erachtet." Nachdem die allgemeine Impfpflicht gescheitert war, trat am 16. März 2022 die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft, die auf den 31. Dezember 2022 befristet wurde. Demnach müssen sich alle Menschen, die in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen arbeiten, gegen das Coronavirus impfen lassen. +++


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